«Wie bleibt man im Alter in Bewegung, auch wenn es mal hier und da zwickt und zwackt?»

«Wie bleibt man im Alter in Bewegung, auch wenn es mal hier und da zwickt und zwackt?»

Zusammenfassung 

Die Idee ist einfach: Menschen über sechzig treffen sich am Wohnort regelmässig zum gemeinsamen Spazierwandern – unkompliziert und kostenlos. Dazu werden in und um das Dorf schöne Rundparcours in drei Intensitätsstufen ausgekundschaftet und festgelegt, von gemütlich bis flott, zwischen einem und zehn Kilometern. Organisiert und geleitet wird ZÄMEGOLAUFE in jedem Dorf von einem freiwilligen Kernteam. Unterstützt werden diese Teams von einem Coach. 

Hintergrund und Relevanz

ZÄMEGOLAUFE wurde im Jahr 2015 von einem Forschungsteam des Institutes für Epide­mio­logie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich unter der Leitung von Prof. Dr. Milo A. Puhan unter anderem von Kaba Dalla Lana mit Einbezug der Dienstleister im Bereich Alter der Gemeinde Wetzikon und der Zielgruppe entwickelt. 

Ziel des Projektes war es laut Kaba Dalla Lana «Was motiviert ältere Menschen zur regelmässigen Bewegung» herauszufinden. Denn, dass regelmässige körperliche Bewegung guttut, ist ein weltweit anerkannter Fakt. Speziell für ältere Erwachsene, die häufig an chronischen Erkrankungen leiden, ist regelmässige Bewegung besonders wichtig, um unabhängig zu bleiben, die Lebensqualität zu erhalten und mit potenziellen Krankheiten umzugehen. «Aber wie schafft man es, wenn man etwas älter ist, wenn es mal ein wenig hier und da zwickt und zwackt und wenn es vielleicht ein bisschen regnet, dass man trotzdem in Bewegung bleibt» wollte das Forschungsteam herausbekommen. «Dafür haben sie das Programm ZÄMEGOLAUFE zusammengestiefelt» berichtet Kaba Dalla Lana. 

Hören Sie hier die Zusammenfassung des Projektes der Projektleitung von ZÄMEGOLAUFE Kaba Dalla Lana

Studieneigenschaften 

ZÄMEGOLAUFE wurde 2015 in Wetzikon das erste Mal erprobt. Dabei wurde das Programm auf Effektivität bezüglich Steigerung der körperlichen Aktivität, auf Durchführbarkeit, Akzeptanz und auf Nachhaltigkeit untersucht. 

Dabei bauten die Seniorinnen und Senioren sowohl in Wetzikon als auch in den anderen Gemeinden – wie beispielsweise Zumikon – das lokale Programm mit sechs Spazierwanderstrecken und mit dem Bewerben und Durchführen der Kick-Off-Veranstaltung für die lokale Zielgruppe mit auf. Hierdurch identifizierten sich die älteren Menschen mit dem Projekt und viele Teilnehmende nahmen, von Anfang an, an den regelmässigen Spaziergängen teil. Diese Regelmässigkeit trägt zu einer langfristigen Verhaltensänderung bei den Senioren bei. 

Zu einer regelmässigen Teilnahme kann auch die Kommunikation beitragen. So werden die Teilnehmenden über vier verschiedene Kommunikationswege auf ZÄMEGOLAUFE aufmerksam gemacht: Einerseits wird über analoge Wege, wie beispielsweise durch Printmedien oder Aushänge an prominenten Stellen in den Gemeinden das Projekt beworben bzw. die nächsten Termine bekannt gemacht. Andererseits werden digitale Medien eingesetzt. Auf den Websiten der Gemeinden oder auch auf der ZÄMEGOLAUFE Website können interessierten älteren Menschen schauen, wann welche Parcours gelaufen werden. Dabei variieren die Parcours zwischen 1-10 Kilometer und sind entsprechend gemütlich, gemächlich oder flott. Auch können sich die Teilnehmenden im WhatsApp Verteiler aufnehmen lassen und erhalten so einen Tag vor dem Spaziergang eine Erinnerung. Jeder Teilnehmende kann so oft und wann er will an den Spaziergängen kostenlos ohne An- oder Abmeldung an den Spaziergängen teilnehmen.   

Eine weitere Besonderheit des Projektes ist es, dass Teilnehmende jederzeit und gemäss ihren persönlichen Ressourcen und Stärken an der Entwicklung des Projektes teilnehmen können. Und die Teilnehmenden es «selbst organisieren» und ein Jahr nach Kick-Off das Management von ZÄMEGOLAUFE dann selbst übernehmen sollen, berichtet Kaba Dalla Lana. So wird ZÄMEGOLAUFE in Zumikon von drei engagierten Männern auf freiwilliger Basis geleitet. Die drei unterschiedlichen Beweggründe der drei Herren, ZÄMEGOLAUFE zu organisieren, hören sie hier:

Ganz auf sich alleine gestellt ist das Team jedoch nicht. In der Phase der Selbstorganisation treffen sich die Mitglieder aller ZÄMEGOLAUFE Standorte einmal im Jahr zu einem Austausch- und Informationstreffen, wobei auch das Gesellige nicht zu kurz kommt. Daneben zeigt das mehrmals jährlich erscheinende ZÄMEGOLAUFE-Journal eindrücklich die grosse überregionale Gemeinschaft. 

Wichtigste Resultate 

ZÄMEGOLAUFE ist mehr als Bewegung an der frischen Luft. Das Projekt erreicht die Menschen in ihrer vertrauten Wohnumgebung. Der Vorteil: Präventivmassnahmen, wie die tägliche Bewegung und die sozialen Kontakte, lassen sich im gewohnten Alltag und Umfeld einbetten – im individuellen, regelmässigen Rhythmus. Dabei lernen die Teilnehmenden oftmals noch andere Orte in ihrer Gemeinde kennen oder können auch an Parcours teilnehmen, wenn die Strecke sie besonders interessiert. 

Neben dem Erhalt und der Steigerung von Muskelkraft und Ausdauer bringen die gemeinsamen Naturerlebnisse Lebensfreude und Abwechslung in den Alltag. Das Spazieren in der Gruppe und der zusätzlich geplante monatliche Stammtisch fördern den sozialen unkomplizierten Austausch und neue Bekanntschaften. Darüber hinaus haben sich auch «nette Freundschaften durch ZÄMEGOLAUFE gebildet», so eine Teilnehmerin in Zumikon.  Auch für die Begleiter der Parcours stellt es eine Möglichkeit dar, «neue Leute in der Gemeinde kennenzulernen», berichtet Waldemar Zimmermann, einer der drei «Bärenführer von Zumikon», der neu nach Zumikon gezogen ist. 

Das Angebot von ZÄMEGOLAUFE ist ein Schritt Richtung «Sorgende Gemeinschaft» – im Englischen auch als «Caring Communities» bezeichnet. Caring Communities vereinen Menschen, die sich an ihrem Wohnort gegenseitig im Alltag helfen und unterstützen – ein Gegentrend zur Anonymität. So fehlte eine Zeitlang vor Ostern eine Mitläuferin in Zumikon bei den regelmässigen ZÄMEGOLAUFE-Treffen. Dies fiel einer Teilnehmerin auf, welche daraufhin für die kranke Mitläuferin eine Karte mit guten Besserungswünschen von allen Teilnehmenden organisierte und zudem einen Osterhasen für sie backte. Gerade die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wertvoll Solidarität und gegenseitige Unterstützung in einer Gesellschaft sind. ZÄMEGOLAUFE fördert diese Werte in einer Gemeinde. Darüber hinaus kann es gegen Vereinsamung im Alltag von älteren Menschen beitragen. «Wenn ich das nicht hätte, könnte es Tage geben, wo ich niemanden treffe», so die Teilnehmerin. Das Soziale ist für viele ältere Menschen sehr wichtig, wie beispielsweise «neue Leute kennenlernen» oder auch «bekannte Gesichter dann auch im Supermarkt beim Einkaufen wiederzusehen und ein paar Worte mit ihnen zu wechseln» erzählt ein Teilnehmer.  

Ausblick

Bisher haben seit dem Projektstart in der Gemeinde Wetzikon bereits 15 Gemeinden im Kanton Zürich das Projekt gestartet. Mit dem Standort St. Gallen-Ost und dem Standort Derendingen im Kanton Solothurn hat ZÄMEGOLAUFE nun bereits den dritten Schweizer Kanton erreicht. Die grosse Vision ist es, mit der im Juni 2021 gegründeten neuen Trägerschaft, dem Verein ZÄMEGOLAUFE, ein national flächendeckendes Angebot aufzubauen. ZÄMEGOLAUFE soll Schweizer Kulturgut werden. 

Offen bleibt 

Auch wenn «die Idee dahinter grossartig ist und man raus geht und viele soziale Kontakte hat» laut einer Teilnehmerin, sind für die Realisierung und Umsetzung so einige Hürden zu nehmen: Das Interesse der Gemeinde gewinnen, engagierte freiwillige «Bärenführer», wie die drei Herren in Zumikon zu finden sowie Senioren und Seniorinnen, die auch an den Parcours teilnehmen. Wenn dies allerdings alles gegeben ist, kann das Projekt zu regelmässiger Bewegung beitragen und soziale Isolation vorbeugen. Zudem bietet es eine Mitwirkungsmöglichkeit und Raum zur Potentialentfaltung, welcher Frohmut und Lebenssinn stiftet und zu einer nachhaltig sorgenden Gemeinschaft beiträgt. 

Autorinnen

Titelbild: Verein ZÄMEGOLAUFE