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Quecksilber und Arsen gegen Syphilis

15. Juni 2018 | Esther Peter | Keine Kommentare |

Ein Schelm wird vom Arzt an der roten Nase zur Behandlung zur Spritze gezogen, drei Herren mittleren Alters greifen sich unter die Kleidung, eine verzweifelt betende junge Frau erhält eine Injektion ins Gesäss – was ist hier los? Die drei witzigen Karikaturen aus den 1920er Jahren zeigen die Behandlung von Syphilis mit Quecksilber, Quecksilberchlorid und Sulfarsenol. Sie stammen vom französischen Zeichner Joseph Hémard, der sie für das «Formulaire Magistrale» anfertigte, eine von René Kiefer 1927 herausgegebene humoristische Ausgabe der französischen Pharmakopöe, also eines Arzneimittelverzeichnisses.

Traditionelles Heilmittel

Die drei verstohlen blickenden Herren im grauen Anzug reiben sich mit Quecksilberchlorid ein. Die äussere Anwendung von Quecksilber in Form von Salben oder wässrigen Lösungen ist schon seit der frühen Neuzeit bekannt und war über Jahrhunderte die Standardtherapie für Syphilis.

Auf den an der Nase herbeigezogenen Herrn wartet eine Quecksilberspritze. Die rote, geschwollene Nase deutet auf ein Nasengeschwür hin, ein Zeichen einer fortgeschrittenen Erkrankung. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde Quecksilber auch als Injektion verabreicht, entweder unter die Haut oder intravenös.

Spritze der Hoffnung

Die junge Frau erhält das neuste Heilmittel, Sulfo-Treparsenan, auch Sulfarsenol genannt. Dieses Ersatzpräparat für das bekanntere, von Paul Ehrlich 1909 entwickelte Salvarsan, wurde vor allem in Frankreich eingesetzt. Sulfarsenol soll bei der Injektion weniger Schmerzen verursacht haben als Salvarsan und wurde deshalb gerne bei Kindern mit einer vererbten Syphilis angewandt.

Der Wirkstoff von Salvarsan und Sulfarsenol basiert auf organischen Arsenverbindungen. Die Entwicklung des neuen Arzneimittels löste Anfang des 20. Jahrhunderts grosse Hoffnungen aus, die Volkskrankheit Syphilis endlich heilen zu können.

Erotik und Humor

Wen wollte Joseph Hémard mit seinen Zeichnungen amüsieren? Im Vorwort spricht er von einem «un aide-mémoire dont la phantasie ne soit pas bannie», also von einem Nachschlagewerk mit Unterhaltungswert. Der Band ist entsprechend voll von slapstickartigen Zeichnungen, viele mit derbem Humor und erotischen Anspielungen.

In den Genuss der witzigen Illustrationen dürften aber nur wenige gekommen sein. Das «Formulaire magistral» erschien in einer limitierten Auflage auf hochwertigem Papier. Die Zeichnungen sind in aufwändiger Gouache-Technik von Hand koloriert. Der Humor mit sexuellen Anspielungen mag heute nicht mehr ganz zeitgemäss sein. Die Farben im Exemplar aus der historischen Sammlung der Hauptbibliothek – Medizin Careum leuchten aber heute noch so frisch wie neu.

Abgelegt unter: Medizingeschichte