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Bleuler, Jung und die Debatte um die Schizophrenie

25. September 2018 | Esther Peter | Keine Kommentare |

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Eugen Bleuler

 

Im Burghölzli

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die psychiatrische Klinik Burghölzli Schauplatz von Entwicklungen der Psychiatrie, die weltweit von Bedeutung waren. Eugen Bleuler war Direktor des Burghölzli und ein offener Geist. Er nahm schon früh Ideen der Psychoanalyse auf und stand in Briefkontakt zu Sigmund Freud, den er gegenüber skeptischeren Kollegen verteidigte. Gemeinsam mit Oberarzt Carl Gustav Jung wandte Bleuler psychoanalytische Theorien für das bessere Verständnis der «Dementia praecox» an. Bleuler sollte für diese Gruppe von Krankheitsbildern schliesslich den Begriff «Schizophrenie» einführen. Vorerst aber unterstützte er die Forschung Carl Gustav Jungs, der 1907 die Ergebnisse seiner experimentellen Untersuchungen und klinischen Beobachtungen unter dem Titel «Die Psychologie der Dementia praecox: ein Versuch» publizierte.

Carl Gustav Jung

 

Die Zeitschrift als Ort der Debatte

Der in der Ausstellung «Vom Heft zum E-Journal» in der Hauptbibliothek Medizin – Careum gezeigte Artikel ist ein Diskussionsbeitrag zu Jungs Buch, das auf heftige Kritik stiess. Der Aufsatz besteht aus zwei Teilen. Als erstes legt Bleuler seine Argumente dar. Sorgfältig erläutert er die Begrifflichkeiten. Er betont, dass die affektbetonten Komplexe, die Jung schildert, nicht die Ursache der Krankheit, sondern nur für die Herausbildung der Symptome von Bedeutung seien. Den Kritikern wirft er vor, mangels Verständnis des Ansatzes etwas zu bekämpfen, das gar nicht so gemeint sei. Interessant ist, dass Bleuler zwar einerseits Jungs Arbeit verteidigt, andererseits aber auch darlegt, wo sich ihre Meinungen unterscheiden. Jung selber verfasst nach der mehrseitigen Stellungnahme Bleulers nur noch einige resümierende Ergänzungen. Auch er weist explizit auf Punkte hin, wo seine Auffassung von derjenigen Bleulers abweicht. Die offen ausgetragene Debatte zeigt einerseits, wie intensiv und fruchtbar am Burghölzli debattiert und wie offen mit Widerspruch umgegangen wurde. Anderseits weist er auf Meinungsverschiedenheiten zwischen Bleuler und Jung hin, die bald darauf zur Trennung führten.

Der Begriff «Schizophrenie»

Schon im April 1908, ein Monat nach Erscheinen des Artikels, verwendete Bleuler an einem Vortrag erstmals für die «Dementia praecox» den von ihm erfundenen Begriff «Schizophrenie», der sich erstaunlich bald in der Psychiatrie durchsetzte. Mit dem neuen Begriff «Schizophrenie» –  wörtlich übersetzt «gespaltener Geist» – betonte Bleuler die Spaltung der psychischen Funktionen als wichtiges Symptom, gegenüber der «vorzeitigen Verblödung», die wörtliche Übersetzung der «Dementia praecox».  Sein Grundlagenwerk «Dementia praecox oder Gruppe der Schizophrenien» stellte er noch im Sommer 1908 fertig, veröffentlicht wurde es 1911. Jung hingegen kündigte 1909 seine Anstellung am Burghölzli. Er eröffnete eine private Praxis und wurde als Begründer der analytischen Psychologie zu einer der heute noch bekanntesten Persönlichkeiten der Psychiatrie.

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