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Grüntzig schafft den internationalen Durchbruch

9. Oktober 2018 | Martina Gosteli | 1 Kommentar |

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Im Februar 1978 erscheint im Lancet eine Mitteilung von Andreas Grüntzig über die erfolgreiche Operation von Herzkranzarterien mit Ballonkathetern. Obwohl ganz unscheinbar in der Rubrik «Letters to the editor» publiziert, erwies sich dieser kurze Text als Schlüsselpublikation für seine weitere Karriere.

Vor, während und nach Dilation mit Ballonkatheter (Bild: Grüntzig, Hopff, Deutsche Medizinische Wochenschrift 1974)


Erfindung des Ballonkathers

Andreas Grüntzig hatte bis zu diesem Zeitpunkt bereits einen langen Weg hinter sich. Angestellt am damaligen Kantonsspital Zürich hatte er den Ballonkatether entwickelt. Die ersten Modelle entstanden am Küchentisch seiner Zürcher Wohnung. Unterstützt von der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Maria Schlumpf, deren Mann und Grüntzigs Ehefrau experimentierte er viele Abende, bis es ihm gelang aus dem damals noch neuartigen Material PVC einen winzigen, formstabilen Ballon zu entwickeln, der mit Hilfe eines Katheters in eine Arterie eingeführt werden konnte. Wurde er aufgeblasen, dehnte der Ballon die Arterie aus und konnte so ein verengtes Gefäss wieder durchgängig machen.


Erste Publikation auf Deutsch

Seine ersten Erfolge mit dem Ballonkatheter bei der Operation von Oberschenkel- und Beckenarterien veröffentlicht Grüntzig 1974 gemeinsam mit dem Chemiker Heinrich Hopff in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift. Hopff war emeritierter Chemiker der ETH und hatte sich entscheidend an der Entwicklung des PVC-Materials beteiligt. Mit der Wahl einer deutschsprachigen Zeitschrift limitierten Grüntzig und Hopff ihre Leserschaft jedoch auf die deutschsprachigen Fachkollegen, was die internationale Wahrnehmung der neuen Methode verzögerte. Erst als Grüntzig den Ballonkatheter 1977 für die Dilation eines Herzkranzgefässes einsetzte, wurde das internationale Fachpublikum auf seine Entwicklung aufmerksam. Die kurze Mitteilung über die erfolgreich verlaufenen ersten fünf Operationen erschien am 4. Februar 1978 in Lancet unter der Rubrik „Letters to the edtior“ (zu sehen in der Ausstellung «Vom Heft zum E-Journal» in der Hauptbibliothek – Medizin Careum). Das war wohl der schnellste Weg, wie die medizinische Sensation publiziert werden konnte.

Andreas Grüntzig und sein Vorgesetzter Walter Siegenthaler im Tagesanzeiger


Zu gross für Zürich?

Auf einmal war Grüntzig eine Berühmtheit. Nur vier Tage nach der Publikation veröffentlichte der Tagesanzeiger auf der Titelseite ein Foto von Grüntzig und seinem Vorgesetzten Walter Siegenthaler mit der Überschrift „Wichtiger Beitrag zur Bekämpfung des Herzinfarkts“. Der Zustrom von Patienten war immens. Es entstanden lange Wartefristen, weil im Kantonsspital nicht genügend Betten zur Verfügung standen. Grüntzig kämpfte für zusätzliche Mittel. Es ist bis heute Gegenstand heftiger Kontroversen, warum ihm diese im Kantonsspital nicht gewährt wurden und ob es nicht möglich gewesen wäre, ihn zu halten. Grüntzig nahm 1980 ein Angebot der Emory University of Atlanta für einen Lehrstuhl für Kardiologie und Radiologie an. Nur vier Jahre später starb er bei einem tragischen Flugunfall.

 

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