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Höhenkuren im Sanatorium zur Behandlung der Tuberkulose

28. Oktober 2019 | Esther Peter | Keine Kommentare |

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Liegekur im Luxusanatorium
Die Sanatoriumsbehandlung im Höhenklima galt während Jahrzehnten als Standardtherapie bei Lungentuberkulose. In Davos begann der Kurarzt Alexander Spengler in den 1860er Jahren Höhenkuren anzubieten. Das Bergdorf entwickelte sich innerhalb weniger Jahre zu einem florierenden Kurort. Luxussanatorien – wie sie Thomas Mann im Zauberberg beschrieb – richteten sich an eine zahlungskräftige internationale Kundschaft. Zur Kur gehörten stundenlange Liegekuren im Freien kombiniert mit reichhaltiger Ernährung.

Das Sanatorium Davos-Dorf warb um die Jahrhundertwende mit Komfort: elektrisches Licht, Niederdruck-Dampfheizung und ein hydraulischer Personenaufzug. Täglich wurden zwischen 8.30 und 21 Uhr sechs Mahlzeiten serviert. Der Pensionspreis pro Tag betrug Fr. 10. Die Zimmer kosteten zusätzlich Fr. 1.50 bis Fr. 8, je nach Lage und Grösse.
Grundriss des Hotels Davos-Dorf. Im Parterre befanden sich die für Damen und Herren getrennt zu nutzende Liegehallen.
Die meisten Zimmer in den oberen Etagen waren mit Privatterrassen und -balkonen ausgestattet. Konversations- und Musiksaal dienten der Unterhaltung. Die ärztlichen Räumlichkeiten umfassten ein Operationszimmer und ein bakteriologisches Laboratorium.

«Hier kann ich mich kräftigen»
Neben Davos entstanden Tuberkuloseheilstätten vor allem in Arosa, Leysin und Crans-Montana. Arosa eiferte Davos nach und warb mit der Wirkung des Höhenklimas. «Der Gaswechsel wird gesteigert, die Brust weitet sich, der gesamte Stoffwechsel wird angeregt, die Zahl der roten Blutkörperchen vermehrt sich innert weniger Wochen, die Haut wird besser durchblutet, das Kältegefühl schwindet, und jeder spürt: hier kann ich mich kräftigen, hier muss ich gesunden» [1], beschreibt eine Werbebroschüre der Zwischenkriegsjahre die Wirkung.

Liegehalle im Parksanatorium Arosa

«Unmittelbare Einwirkung der Sonne auf die gesamte Hautoberfläche»
Leysin spezialisierte sich auf Sonnenkuren. Unter der Leitung von Auguste Rollier entstanden ab 1903 eine ganze Reihe von Kliniken für Heliotherapie. Behandelt wurde nicht Lungenkranke, sondern Patientinnen und Patienten mit Haut- und Knochentuberkulose. Die Therapie bestand in der Bestrahlung der ganzen Hautoberfläche mit Höhensonne. Um die Wiedereingliederung nach den langwierigen Therapien zu erleichtern, betrieben die Kliniken für Kinder eine «Schule an der Sonne». Erwachsene konnten sich handwerklich betätigen.

Aus der Werbebroschüre der Kliniken von Dr. Rollier, Leysin. Männer bei der Sonnen- und Arbeitskur, Kinder beim Sport. Schulstunden fanden bei schönem Wetter im Freien statt.

Heilstätten auch für Unbemittelte
Eine Kur im Privatsanatorium konnten sich nur Begüterte leisten. Die Tuberkulose war aber eine Volkskrankheit. Sie gehörte zu den häufigsten Todesursachen bei jungen Erwachsenen und führte zu grosser Not in den ärmeren Bevölkerungsschichten. Kantone und gemeinnützige Stiftungen antworten mit der Errichtung von Volksheilstätten. Die erste in der Schweiz war 1895 Heiligenschwendi im Kanton Bern. Die Zürcher Höhenklinik Wald wurde 1898 eröffnet.

Kurvorschriften in der Bernischen Heilstätte Heiligenschwendi, 1909. Die Liegekur war genau nach Vorschrift durchzuführen. Bei fortgeschrittener Heilung kamen leichte Arbeiten an der frischen Luft dazu. Der Kuraufenthalt sollte für die aus ärmeren Bevölkerungsschichten stammenden Kranken auch eine «Schule für gesunde Lebenshaltung» sein. Sie wurden zu gesunder Ernährung, Verzicht auf Alkohol und Sauberkeit angehalten.

Sanatorien werden zu Hotels
Ab den 1950er Jahren gingen die Patientenzahlen in allen Sanatorien rasch zurück. Die Tuberkulose war mit Medikamenten behandelbar und die Zahl der Erkrankungen war auch durch bessere Lebensbedingungen zurückgegangen. Nach und nach wurden Sanatorien geschlossen. Einige richteten ihr Angebot nach anderen Patientengruppen aus. Aus der Höhenklinik Wald wurde ein Rehabilitationszentrum. Privatsanatorien wurden häufig zu Hotels. So auch die berühmte Schatzalp in Davos, die Thomas Mann zum Zauberberg inspiriert haben soll. Das Jugendstilhotel ist heute stolz auf seine Wurzeln und wirbt heute mit seiner Vergangenheit als glamouröses Luxussanatorium.


[1] Arosa, der hochalpine Kurort, herausgegeben vom Verkehrsverein.

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