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Molkenkuranstalten in Appenzell

9. Dezember 2019 | Esther Peter | 1 Kommentar |

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Für Molkenkuren reiste man Ende des 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bevorzugt in den Kanton Appenzell. Gais, Weissbad, Gonten, Heiden und andere Orte boten Kurgästen im Frühling und Sommer Ziegen- und Kräutermolkenkuren, die vor allem gegen die Begleiterscheinungen der ungesunden und bewegungsarmen Lebensweise der städtischen Bevölkerung empfohlen wurden.

Molke, ein besonderer Saft
Woraus besteht nun dieser Saft? Molke (auch Schotte oder Sirte genannt) fällt als flüssiges Nebenprodukt nach der Gerinnung der Milch bei der Käse- und Zigerherstellung an. Seit der Antike wurde die abführende und gesundheitsfördernde Wirkung der dünnen, halbdurchsichtigen Flüssigkeit geschätzt. Die aus Ziegenmilch gewonnene Molke galt wegen der Alpenkräuter im Futter als besonders heilsam.

Schrift über die Molkenkuranstalt Freihof in Heiden vom Badearzt Gabriel Rüesch. Er beschreibt den Kurgebrauch der Alpenziegen- und Kräutermolken. Betont wird die gute Verkehrsanbindung mit Post und Dampfschiff nach Rorschach, St. Gallen, ins Toggenburg und nach Zürich

Die Trinkzeit für die Kurgäste war morgens von sechs bis acht. «Auf ein gegebenes Zeichen» wurde im Freihof in Heiden «alle Viertelstunden ein Glas gereicht, bis zum gehörigen Quantum, das bei wirklich kranken von den Kurärzten bestimmt wird».(1) Den Rest des Tages widmeten sich die Kurgäste der Ruhe und Erholung, unternahmen kleinere Spaziergänge und verpflegten sich reichlich.

Kuranstalt zum Freihof mit Wohn- und Badehaus. Zur Molkenkur kamen die Gäste morgens im Freien oder, bei schlechtem Wetter, im Saal zusammen

Schottenträger
Die Molke wurde täglich frisch aus den Appenzeller Bergen gebracht. Nach Gais und Weissbad trug sie der sogenannte Schottenträger in einem vierstündigen Fussmarsch von einer Alp am Säntis. Wenn er bei den Kurgästen eintraf, war die Molke noch warm. Für die Herstellung der Kräutermolke wurden der Molke frisch gesammelte Bergkräuter beigemischt, für die individuellen Krankheitsfälle nach eigenem Rezept.

Dorfansicht von Gais mit Sennen im Vordergrund (Aus: Gais, Weisbad und die Molkenkuren im Kanton Appenzell, Constanz, 1826)

Auszug aus einer Kurempfehlung
«Man hüte man sich vor Leidenschaften, Ausschweifungen jeder Art, vor Verkältung und Erhitzung, vor langer Weile, suche eine gesunde Wohnung auf dem Lande, angenehme Gesellschaft und aufheiternde Zerstreuungen und Ruhe des Gemüts zu erhalten. Von Nahrungsmitteln vermeide man vornehmlich alle sauren, schwer verdaulichen, blähenden Speisen wie Mehlspeisen, Backwerk, fettes Fleisch, Obst, zumal saure, Hülsenfrüchte. Als Getränk schickt sich während der Kur am besten Wasser, oder für solche, die es nicht gewohnt sind, während der Mahlzeit oder in Zwischenzeiten ein Glas süssen, alten Wein oder gutes Braunbier. In vielen Krankheiten, vornehmlich in Zehrfiebern, ist es am zweckmässigsten, die Milch zum einzigen Nahrungsmittel zu machen.»(2)

1 Gabriel Rüesch. Heiden und seine Molken-Kuranstalt. Trogen, 1854.
2 Gabriel Rüesch, Anleitung zum richtigen Gebrauche der Bade- und Trinkcuren, Ebnat, 1825, S. 262

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