HBS Blog

Lehrstuhl für Historische Bildungsforschung und Steuerung des Bildungssystems, Prof. Dr. Lucien Criblez

Das Technikum Burgdorf, 1892–1980/81

14. Oktober 2022 | Stefan Kessler | Keine Kommentare |

Von Chinenye Deplazes, 7. Oktober 2022

Im Rahmen eines Forschungspraktikums im Projekt «Bildung in Zahlen», das am Lehrstuhl «Historische Bildungsforschung und Steuerung des Bildungssystems» von Lucien Criblez angesiedelt ist, durfte ich bei der Erfassung historischer Statistiken des Technikums Burgdorf im Kanton Bern mitarbeiten. Meine Aufgabe war es, Quellen zu erschliessen beziehungsweise zu scannen und die darin enthaltenen Daten zu inventarisieren. Inventarisieren meint, die statistischen Daten aus Quellen zu extrahieren und in eine vorbereitete oder nach Massgaben des Projekts selbst erstellte Excel-Tabelle zu übertragen. Erfasst werden kann nur, worüber die Quellen Auskunft geben. Entsprechend sind die Kategorien in der Tabelle auf den Inhalt der Quellen hin angelegt. Eine Eingabemaske war hierfür bereits vorhanden. Quellengrundlage waren die Jahresberichte des Technikums Burgdorfs im Zeitraum von 1892 bis 1997.

Beim Technikum Burgdorf handelt es sich um eine Bildungsinstitution der früheren beruflichen Weiterbildung, welche mit praktischen und theoretischen Ansätzen Techniker und später auch Technikerinnen auszubilden verfolgte. Unterteilt wurde das Technikum in eine baugewerbliche Abteilung, eine mechanisch-technische Abteilung, in Elektrotechnik und in eine chemische Abteilung. Technische Experimente waren Teil der Ausbildung, wie die Illustrationen in den Jahresberichten deutlich machen (s. Abb. 1).

Abb. 1: Stromexperiment (Quelle: Jahresbericht Burgdorf 1994/95, S. 93)

Während die ersten zehn Jahre von 1894 bis 1904 bereits inventarisiert wurden (vgl. HBS-Blog-Beitrag vom 31.8.2022: https://www.uzh.ch/blog/ife-hbs/2022/technikum-burgdorf-die-erste-kantonale-gewerbefachschule-im-kanton-bern/), habe ich an diese Vorarbeiten anschliessend die Berichte bis 1997 gescannt und sie bis 1980/81 in die Tabelle eingearbeitet. Meine Aufgaben beinhalteten eine einführende Lektüre, Archivbesuche (Scannen der Jahresberichte), das Kennenlernen von Archivar*innen, das Ordnen, Beschriften und Überprüfen von Scandateien, die Inventarisierung der statistischen Daten, die Anpassung möglicher Kategorien über die Zeit hinweg entsprechend der sich verändernden Quellengrundlage und den Austausch mit dem Team von «Bildung in Zahlen».

Kategorien und ihr Wandel

Die Themenfelder, die sich aus den Daten erschliessen liessen, für die jeweils Tabellen mit entsprechenden Kategorien vorstrukturiert wurden, umfassen:

  • Lehrpersonen unterteilt in Hauptlehrer*in und Hilfslehrer*in sowie nach Geschlecht sortiert,
  • Lernende nach Geschlecht und Bildungsgang,
  • Lernende nach Herkunftskanton,
  • Lernende nach Vorbildung (z. B. Primarschule, Maturitätszeugnis, Höhere Schule),
  • Lernende nach Alter,
  • Lernende verteilt auf die Ausbildungsgänge und Schulstufen
  • und eine Tabelle zu der Anzahl Diplome nach Fachrichtung.

Die Tabelle Lernende verteilt auf die Ausbildungsgänge und Schulstufen liess sich nicht über den gesamten Zeitraum erfassen, weil die Daten dafür nicht durchgehend in den Jahresberichten ausgewiesen wurden. Abrupt fehlende Daten waren eine der Herausforderungen bei der Inventarisierung. Dieses Problem will ich am Beispiel der Tabelle, die Lernende nach Alter klassifiziert, illustrieren.

Zu Beginn wurden die Lernenden in drei Altersspannen unterteilt, nämlich «bis 20 Jahre», «21–26 Jahre» und «27 und mehr Jahre». Ab 1952/53 wurden aber die Lernenden im Jahresbericht nicht mehr nach Alter, sondern nach Jahrgängen unterteilt. Die Frage war also, ob eine neue Tabelle erstellt werden sollte, in der sich neu die Jahrgänge und nicht mehr das Alter erfassen lassen. Bei dieser Lösung könnte nicht mehr der gesamte Zeitraum mit der Kategorie Alter ausgewertet werden. Damit würde in etwa der Mitte des Zeitraums, für den Jahresberichte vorliegen, bei einer wichtigen Kategorie ein Bruch entstehen. Eine andere Variante wäre, das jeweilige Alter der Lernenden anhand der Differenz zwischen Jahrgang und dem jeweils aktuellen Studiensemester zu berechnen. Ob dieses Verfahren zum präzisen Alter führt, ist nicht gewiss. Je nach Geburtsdatum könnte es leichte Verschiebungen geben, wobei auch bei den früheren Angaben zum Alter vor 1952/53 nicht ganz klar war, inwiefern das Geburtsdatum berücksichtigt wurde oder ein Stichtag. Trotz dieser Ungewissheit habe ich mich für letztere Variante entschieden. Wichtig war mir, den Bruch in der Datenerfassung zu vermeiden.

Grafik 1: Lernende nach Alter, 1894–1975 (eigene Darstellung)

Mit dem nun möglichen Blick auf den gesamten Zeitraum lässt sich sehen (s. Grafik 1), dass es um 1943 und um 1963 einen auffälligen Anstieg bei der Altersspanne der 21- bis 26-Jährigen gegeben hat. Dieser scheint teilweise zugunsten der Altersspanne der bis 20-Jährigen erfolgt zu sein. Zudem ist die allgemeine Zunahme der Anzahl Lernenden ersichtlich. Für die Altersspanne ab 27 scheint das Technikum Burgdorf keine bedeutende Ausbildungsstätte gewesen zu sein.

Entwicklung der Ausbildungsgänge und der Geschlechtsverhältnisse

Ein Blick auf die Anzahl Diplome nach Fachrichtungen (s. Grafik 2) verrät, wann und in welchem Umfang neue Ausbildungsgänge hinzugekommen sind. Dabei gab es aber auch Differenzierungen, die sich hier nicht abbilden. Bei der Datenerfassung der Diplome der Fachrichtung Elektro beispielsweise wurde nicht zwischen den spezifischen Schwerpunkten der Elektroausbildung unterschieden. Zu unterschiedlichen Zeitpunkten bestanden jedoch verschiedene Spezialgebiete wie etwa Stark- und Schwachstrom. Ebenso zeigt sich, dass die Fachrichtung Hochbau tendenziell immer etwas mehr Absolvent*innen hatte als Tiefbau und Elektro zumeist in der Anzahl die Lernenden in Maschinenbau und Chemie überragte. Im Studienjahr 1928/29 ist die erste Frau als Lernende in der Fachrichtung Chemie verzeichnet. Von da an sind Frauen in der Chemie immer wieder – aber rar – vertreten. Ab 1943 werden Lernende nicht mehr nach Geschlecht, sondern nur noch deren Anzahl im Jahresbericht aufgeführt.

Grafik 2: Anzahl Diplome nach Fachrichtung, 1894–1979 (eigene Darstellung)
Grafik 3: Lehrkörper, 1892–1980 (eigene Darstellung)

Die Daten zum Lehrkörper zeigen die Entwicklung in deren Anzahl (s. Grafik 3) und deren Geschlechterverhältnis. In den 1960er Jahren kam erstmals eine Frau bei den Hilfslehrkräften hinzu. Auch bei den Lernenden kommen Frauen hinzu, diese aber früher (1928/29). Sie bleiben aber ebenfalls weitaus in der Minderheit. Beginnend mit zwei Hauptlehrern 1892 sind es am Schluss des von mir bearbeiteten Zeitraumes 50 Hauptlehrer und noch etwas mehr Hilfslehrkräfte. Die Anzahl an Lehrpersonen steigt in den 1960er Jahren wohl im Zuge einer allgemeinen Bildungsexpansion rasant an, die auch mehr Lehrpersonal erfordert.

Résumé und Eindrücke

Das Forschungspraktikum hat mir Einblicke in ein laufendes Forschungsprojekt gewährt, an dem ich aktiv mithelfen durfte. Die Arbeit im Archiv, mit Quellen und der Dateneingabe war sehr bereichernd für mich. Abschliessend möchte ich auf die in den Jahresberichten abgedruckten Bilder aufmerksam machen. Obschon sie statistisch nicht von Belang sind, haben sie mich fasziniert. Schon wie sich eine Institution darstellen will, ist spannend. Beeindruckend ist aber auch, was darauf über den Alltag oder die Art der Experimente zu sehen ist, das weder im Text noch in den Zahlen ihren Ausdruck findet. Die Bilder eröffnen Einblicke in die Gebäude, die Unterrichtsräume oder die Experimentanordnungen in den Laboratorien (s. Abb. 2–5).


Abb 2: Schema (Quelle: Jahresbericht Burgdorf 1988/89, S. 61)

Abb. 3: Technik (Quelle: Jahresbericht Burgdorf 1970/71, S. 3)

Abb. 4: Fahrzeug (Quelle: Jahresbericht Burgdorf 1996/97, S. 37)

Abb. 5: Gebäude (Quelle: Jahresbericht Burgdorf 1995/96, S. 93)

Abgelegt unter: Forschunglaufende ForschungsprojektePublikationen
Tags:


Keine Kommentare vorhanden

  • Es gibt noch keine Kommentare.

Sie müssen eingeloggt sein, um einen Kommentar zu schreiben.