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Lehrstuhl für Historische Bildungsforschung und Steuerung des Bildungssystems, Prof. Dr. Lucien Criblez

Erste Daten zur höheren beruflichen Bildung aus dem Register über die Diplominhaber:innen

20. März 2023 | Stefan Kessler | Keine Kommentare |

Von Paula Carle, 20. März 2023

Im Rahmen eines Forschungspraktikums wurde im SNF-Forschungsinfrastrukturprojekt «Bildung in Zahlen» mit der Inventarisierung der Statistik zu den Berufs- und Höheren Fachprüfungen begonnen. Innerhalb des Projekts wurden bereits Daten zur Anzahl der jeweils ausgestellten Diplome der Berufs- und Höheren Fachprüfung pro Beruf gesammelt. Diese konnten aus den statistischen Jahresberichten des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) entnommen werden, die in der Zeitschrift «Die Volkswirtschaft» publiziert wurden.

Das Ziel des Forschungspraktikums stellte die Nachinventarisierung der Geschlechterdaten und der Angaben zum Wohnkanton der Prüfungsgsabsolvierenden für den Zeitraum von 1934–1984 dar. Dazu wurde aus dem Bestand des Bundesarchivs das Register herangezogen, in dem alle Angaben über die Diplominhaber:innen gemäss der Verordnung I zum Bundesgesetz über die berufliche Ausbildung vom 26. Juni 1930 eingetragen wurden (vgl. Art. 42).

Kontext

Die Meisterprüfung, Höhere Fachprüfung (und später die Berufsprüfung) wurden mit dem 1933 in Kraft getretenen Bundesgesetz über die berufliche Ausbildung erstmals staatlich geregelt, bzw. die Meisterprüfung damit gesetzlich verankert (BIGA, 1937). Die Reglementierung dieses Bereichs verfolgte zwei Ziele: Einerseits sollte die Überprüfung der Fähigkeiten und Kenntnisse zur selbständigen Ausübung des Berufs führen und berechtigte zur Betriebsführung, andererseits sollte sie zur allgemeinen Qualitätssicherung beitragen (Wettstein, 2020). Im Laufe des 20. Jahrhunderts differenzierte sich dieser Bildungszweig der höheren beruflichen Bildung aus, indem ab 1966 die Berufsprüfung hinzukam.

Mit den bereits inventarisierten Daten können erste inhaltliche Aussagen über die Etablierung der Meisterprüfung bzw. Höheren Fachprüfung, und ab 1966 der Berufsprüfung gemacht werden, die zur quantitativen Entwicklung der Tertiärstufe im 20. Jahrhundert (vgl. Wettstein, 2020) beitragen.

Im Folgenden wird das Vorgehen bei der Inventarisierung der Daten kurz beschrieben und versucht, zu ersten Aspekten des gewonnenen Datenmaterials inhaltliche Aussagen zu treffen.

Inventarisierung der Daten

Zunächst wurden die durch das Bundesarchiv bereitgestellten Quellen gesichtet und ein erster grober Überblick über die mehr als 6000 Seiten Datenmenge gewonnen. Anschliessend galt es mit Unterstützung des Projektteams eine Excel-Eingabemaske zu entwickeln, in der die benötigten Kategorien, wie die Art des Berufsprüfungstyps, das Geschlecht, Prüfungsjahr sowie der Wohnort der Prüfungsabsolvierenden tabellarisch erfasst werden. Mithilfe einer Scan-Software konnte ein grosser Teil der Quellen direkt inventarisiert werden. Der andere Teil musste manuell erfasst werden. Im Rahmen des Forschungspraktikums konnte bislang ca. ein Drittel der Daten erfasst werden. Die restliche Inventarisierung steht noch aus.

Zu den fünf (von den inventarisierten 45) Berufen, für die am häufigsten ein Diplom erworben wurde, gehören der diplomierte Buchhalter, diplomierte Automechaniker, diplomierte Bankbeamter, die diplomierte Bäuerin und der Betriebsfachmann mit eidgenössischem Fachausweis.

Entwicklung der höheren Berufsbildung im 20. Jahrhundert – erste Befunde

Aus dem bereits erfassten Material lässt sich sehr deutlich das quantitative Wachstum der höheren beruflichen Bildung ableiten. Die folgende Grafik zeigt, wie die Anzahl der ausgestellten Diplome im Laufe der Untersuchungsperiode für beide Geschlechter stieg:

Grafik 1: Anzahl vergebener Diplome nach Geschlecht für die bereits inventarisierten Berufe, 1934-1984 (eigene Darstellung)

Es zeigt sich dabei eine klare Geschlechterdifferenz. Im Untersuchungszeitraum erwarben überwiegend Männer ein Diplom der höheren beruflichen Bildung. Obwohl noch nicht alle Berufsgruppen inventarisiert werden konnten, ist anzunehmen, dass sich dieser Gap zwischen den Geschlechtern für den zu untersuchenden Zeitraum weiterhin abzeichnen wird.

Der starke Anstieg bei den Frauen ab den 1960er- Jahren in diesem Ausschnitt der Daten ist auf das Hinzukommen der Höheren Fachprüfung zur diplomierten Bäuerin zu erklären. Das starke Wachstum bei den Männern ab den 1978er-Jahren ist auf die neu hinzukommende Berufsprüfung zum Betriebsfachmann mit eidgenössischem Fachausweis zurückzuführen.

Differenzierungsmerkmale

Von den bisher untersuchten Berufen findet sich beim diplomierten Buchhalter die höchste Anzahl Frauen in einem klassischen Männerberuf. Die Zahl diplomierter Buchhalterinnen stieg über den Untersuchungszeitraum sukzessiv:

Grafik 2: exemplarisches Geschlechterverhältnis Diplomierter Buchhalter (eigene Darstellung)

Über die quantitative Verteilung und mögliche Entwicklung der einzelnen Diplomtypen, ob Meister, Höhere Fachprüfung oder Berufsprüfung, lässt sich aufgrund der Unvollständigkeit der Daten noch keine Aussage treffen.

Über die Generierung der Wohnortsangaben der Absolvierenden lassen sich Rückschlüsse über die Gegebenheiten in den Kantonen (z.B. Bevölkerungszahl, Infrastruktur etc.) für die einzelnen Berufe ziehen. Die folgende Grafik zeigt für die bereits inventarisierten Daten die Anzahl aller vergebener Diplome für die sechs am häufigsten eingetragenen Kantone der Deutschschweiz (links) gegenüber denjenigen der französischen- und italienischen Schweiz.

Grafik 3: Summe der Diplominhabenden pro Kanton (eigene Darstellung)

Résumé und Ausblick

Obschon ich bereits einiges über das Projekt «Bildung in Zahlen» mitbekommen habe, erlangte ich erst im Verlauf meines Praktikums eine Vorstellung darüber, wie umfangreich und kleinschrittig die sorgfältige Inventarisierung so vieler verschiedener Daten aussieht. Für meinen weiteren Studienverlauf werde ich sicherlich auf die gewonnenen Lernerfahrungen im Umgang mit Excel sowie der Inventarisierung und Interpretation von Daten zurückgreifen können.

Sobald die restlichen Quellen inventarisiert sind, lassen sich allgemeinere Aussagen über die Geschlechterverteilung, über die Häufigkeit der einzelnen Diplomtypen sowie über die Anzahl absolvierter Prüfungen treffen. Ausserdem kann dann analysiert werden, welche mögliche Rolle den Kantonen mit der Ermöglichung von Prüfungsgelegenheiten zukommt bzw. ob diese in Zusammenhang mit der Anzahl absolvierter Prüfungen stehen. In einem nächsten Schritt könnte auch das Verhältnis der Lehrabschlüsse zu den Abschlüssen der höheren beruflichen Bildung untersucht werden.

Literatur

Verordnung I zum Bundesgesetz über die Berufsbildung vom 26. Juni 1930.
Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, BIGA (1937). Meisterprüfungen 1934–1936. In: Die Volkswirtschaft, 10(8), 402-403.
Wettstein, E. (2020). Berufsbildung. Entwicklung des Schweizer Systems. Bern: hep-Verlag.

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