PASEZ-Blog

Just another UZH BLOGS site

Klarheit über die Gefühle Anderer

8. Oktober 2018 | Isabella Bertschi | Keine Kommentare |

Zu wissen, was andere fühlen, hilft bei der gemeinsamen Stressbewältigung

Ein Beitrag von Anne Milek

Erfolgreiche gemeinsame Stressbewältigung – oder „dyadisches Coping“, wie es im Fachjargon genannt wird – ist ein wichtiger Indikator für eine gut funktionierende, stabile Partnerschaft. Dyadisches Coping beschreibt, wie sich Paare bei erlebtem Stress gegenseitig unterstützen: ob sie Probleme gemeinsam analysieren, sich gegenseitig beruhigen, sich helfen, die Situation in einem anderen Licht zu sehen oder einander Mut machen. In der PASEZ-Studie wurde untersucht, ob Partner, die sich über Gefühle anderer im Klaren sind, erfolgreicher Stress gemeinsam bewältigen können.

Die „Klarheit über Gefühle anderer“ ist die emotionale Fähigkeit zu „wissen“, wie sich andere Personen fühlen. Zu wissen, was der andere fühlt, ein Verständnis für den erlebten Stress des anderen zu haben, sich emotional in ihn hineinversetzen zu können, all dies sind nach der Systemisch-Transaktionalen Stresstheorie von Bodenmann (2000) zentrale Voraussetzungen um gezielt auf Bedürfnisse des Partners bzw. der Partnerin eingehen und sie/ihn in stressigen Zeiten besser unterstützen zu können. Verschiedene Querschnittsstudien fanden bereits, dass höhere emotionale Kompetenzen in der Tat mit besserem dyadischen Coping zusammenhängen. Es wurde bisher jedoch noch nicht getestet, ob die Klarheit über Gefühle anderer auch zukunftsbezogen gemeinsame Stressbewältigung im Paar vorhersagen kann. Auf Grund der Stresstheorie kann angenommen werden, dass Personen, die im Vergleich zu anderen über eine höhere Klarheit über Gefühle anderer berichten (a) von ihren Partnern als bessere Unterstützer wahrgenommen werden und (b) besser in der Lage sind, eine unterstützende dyadische Bewältigung auf lange Sicht aufrechtzuerhalten.

Beide Annahmen konnten bestätigt werden. Mithilfe von Daten aus der PASEZ-Studie zeigten Lorena Leuchtmann und ihre Kollegen, dass Personen mit einer höheren Klarheit über Gefühle anderer von ihren Partnern/ Partnerinnen als unterstützender wahrgenommen werden. Zudem zeigte sich, dass bei Paaren, in denen Männer (auch) über eine hohe Klarheit über Gefühle anderer verfügen, langfristig beide Partner profitieren und sich in Belastungssituationen stärker voneinander unterstützt fühlen. Partnerinnen von Männern mit geringerer Klarheit über Gefühle anderer hingegen fühlten sich über einen Zeitraum von zwei Jahren hinweg immer weniger von ihrem Partner unterstützt.

Dabei fanden sich Geschlechtsunterschiede zwischen den Partnern zu fast allen Messzeitpunkten: Frauen hatten höhere Werte in Bezug auf die (selbstberichtete!) Klarheit über Gefühle anderer als Männer. Diese wiederum fühlten sich von ihren Partnerinnen stärker unterstützt. Diese Geschlechtsunterschiede könnten dafür verantwortlich sein, dass nur die Klarheit über Gefühle anderer der Männer, nicht aber die der Frauen, dyadisches Coping beider Partner langfristig vorhersagte. Zudem sollten weitere Studien testen, ob die auf selbstberichteten Aussagen basierenden Ergebnisse nicht vielleicht auch ein Ausdruck von geschlechtsstereotypen Einstellungen sind. Immer wenn Gefühle ins Spiel kommen wird traditionsgemäss Frauen eine grössere Kompetenz zugesprochen. Mehr und mehr Beobachtungsstudien zeigen aber, dass sich Männer und Frauen in konkreten Situationen gar nicht so sehr in ihrer Wahrnehmung von Gefühlen anderer und der gezeigten Unterstützung unterscheiden…

Aus diesen Ergebnissen folgt, dass durch eine gezielte Förderung des gegenseitigen emotionalen Verständnisses langfristig die Stressbewältigung im Paar gestärkt und somit zu einer zufriedeneren und stabileren Partnerschaft beigetragen werden kann. Paartherapeutische Angebote und partnerschaftliche Präventionsprogramme greifen diese Idee bereits auf. So werden beispielsweise bei paarlife, einem Stresspräventionsprogramm für Paare, die Partner dabei angeleitet, wie man in Stresssituationen nicht nur über die Sachaspekte, sondern vor allem über die damit verbundenen Gefühle reden kann. Denn Wissen über die Gefühle anderer zu haben, scheint von Vorteil für die zwischenmenschlichen Fähigkeiten zu sein, Stresserleben in Partnerschaften langfristig zu regulieren.

 

Originalquelle:

Leuchtmann, L., Zemp, M., Milek, A., Nussbeck, F. W., Brandstätter, V. und Bodenmann, G. (2018), Role of clarity of other’s feelings for dyadic coping. Personal Relationships, 25(1), 38-49. https:/doi.org/10.1111/pere.12226

Abgelegt unter: Forschungsergebnisse


Keine Kommentare vorhanden

  • Es gibt noch keine Kommentare.

Kommentar schreiben