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Gleich und gleich gesellt sich gerne! Aber gilt dies auch für unser Zielstreben?

24. April 2023 | Katharina Bernecker | Keine Kommentare

Autorinnen: Julia Schäfer & Katharina Bernecker

Quelle: https://www.freepik.com/free-photo/front-view-couple-tennis-court_5198254.htm

Das Sprichwort «gleich und gleich gesellt sich gerne» dürfte den meisten Menschen geläufig sein und die Frage, ob wir uns nun als Partner besser jemanden suchen sollten, der uns ähnlich ist, hat wohl bereits die ein oder andere Diskussion angeheizt. Die Forschung zumindest hat darauf eine klare Antwort: In vielerlei Hinsicht sind Gemeinsamkeiten von Partnern in einer Liebesbeziehung vorteilhaft – beispielsweise, wenn es um Wertvorstellungen und Persönlichkeitseigenschaften geht. Doch gilt dies auch für motivationale Konstrukte wie Ziele oder Bedürfnisse? Verlieben wir uns eher in jemanden, der die gleichen Lebensziele verfolgt wie wir oder der gar die gleichen unbewussten Bedürfnisse hegt? Oder gleichen wir unsere Ziele im Verlauf der Beziehung denjenigen des anderen an? Diesen Fragen gingen Ferdinand Denzinger, Sabine Backes und Veronika Brandstätter (2018) in ihrer Studie nach und verwendeten dafür Daten aus dem PASEZ-Projekt.   

Was wir bereits wussten…

In der populären aber auch der wissenschaftlichen Debatte häufen sich die Argumente, dass Gemeinsamkeiten in verschiedenen psychologischen Merkmalen wie Werten, Einstellungen, Persönlichkeitseigenschaften und Emotionalität zu einer grösseren Zufriedenheit und Stabilität in einer romantischen Beziehung führen. Dies ergibt augenscheinlich Sinn, streben wir als Individuen doch danach mit anderen harmonisch zusammenzuleben, was uns wohl mit uns ähnlichen Individuen besser gelingen mag. Die Forschung zeigt dabei sogar, dass wir mit der Fähigkeit ausgestattet sind, rasch zu bestimmen, wie ähnlich uns das Gegenüber ist und bei positivem Ergebnis dieser Prüfung eher eine Beziehung einzugehen – was man als assortative mating bezichnet. Diese Auswahl betrifft dabei nur die nach aussen präsentierten Eigenschaften des Gegenübers. Anteile der Persönlichkeit, die dem anderen vielleicht sogar selbst nicht wirklich bewusst sind, sind davon ausgenommen, da sie im Gespräch kaum wahrnehmbar sind. Doch auch in diesen eher unbewussten Eigenschaften sollen sich Paare ähneln, jedoch nicht durch assortative mating, sondern über sukzessive Angleichung  – was als convergence bezeichnet wird.

… und was Denzinger und Kollegen (2018) herausfinden wollten

Während der Ähnlichkeitseffekt in Bezug auf verschiedenste psychologische Konstrukte untersucht wurde, stellten sich Denzinger und Kollegen (2018) die Frage, wie es bei unserem Zielstreben aussieht. Suchen wir auch hier jemanden, der uns möglich ähnlich ist? Dies ist hoch relevant – gegeben, dass im Rahmen einer romantischen Beziehung auch gemeinsame Projekte und Herausforderungen gemeistert werden.

Dazu wollen wir einen kurzen theoretischen Ausflug wagen und uns mit der Frage auseinandersetzen, wie sich das menschliche Zielstreben beschreiben lässt. Motivationspsychologen treffen dabei die Unterscheidung in explizite Ziele und implizite Motive. Während uns unsere expliziten Ziele bewusst sind und wir uns auch sprachlich mit anderen darüber austauschen können, sind unsere impliziten Motive grösstenteils unbewusst und werden durch frühkindliche Erziehungserfahrungen und die damit verbundenen Gefühlen geprägt. Explizite Ziele lassen sich ausformulieren und konkretisieren, beispielsweise geht das abstrakte Ziel Anschluss zu finden mit dem konkreteren Ziel einher, am Sonntag mit einem guten Freund zu frühstücken. Implizite Motive wiederum sind uns nicht bewusst und damit auch nicht sprachlich ausformuliert. Sie äussern sich jedoch in einer positiven Stimmung, wenn ein inneres Bedürfnis, zum Beispiel Zuwendung durch andere zu erhalten, befriedigt wird. Mit Anlehnung an die Umgangssprache könnte man sagen, die expliziten Ziele seien das, was unser Kopf sich wünscht, während die impliziten Motive das darstellen, was unser Herz begehrt. Diese expliziten Ziele und impliziten Motive sind dabei interindividuell unterschiedlich – der eine wünscht sich eine steile Karriere, während der andere sich nach einer glücklichen Familie sehnt. Zudem müssen die impliziten Bedürfnisse mit den expliziten Wünschen einer Person keineswegs übereinstimmen, denn oftmals streben wir nicht zwingend nach dem, was wir aus dem tiefsten Inneren begehren. 

Nun wollen wir die Brücke zwischen der Forschung zum Zielstreben und der Ähnlichkeit von Paaren schlagen: Da explizite Ziele gegen aussen kommuniziert werden und Paare sich beim Kennenlernen darüber austauschen können, sollten sie in das assortative mating einfliessen. Und implizite, uns gar unbewusste Motive, über die wir uns zumindest bei einem üblichen Kennenlernen kaum austauschen können, sollten sich mit der Zeit  über convergence denjenigen des anderen annähern.

Wie dies untersucht wurde… 

Fragebogendaten zu den expliziten Zielen und Daten zu den impliziten Motiven wurden  im Rahmen der PASEZ Studie für über 300 Paare mit einer Beziehungsdauer von einem bis sechzig (!) Jahren verglichen. Als aufmerksamer Leser mögen Sie sich nun fragen: Wie wurden unbewusste, implizite Motive erfragt? Dies geschah über die sogenannte Picture Story Exercise (PSE) bei dem die Versuchsteilnehmer Fantasiegeschichten zu standardisiertem Bildmaterial verfassen sollen. Die Bilder sollten die impliziten Motive der Probanden anregen, welche von Ratern wiederum durch die (natürlich streng wissenschaftliche) Kodierung der Geschichten abgeleitet wurden. Aus dem Vergleich der bewussten und unbewussten Zielbestrebungen der Paare konnte dann auf die Ähnlichkeit geschlossen werden. Durch die zusätzliche Berücksichtigung der Beziehungsdauer konnte man ebenfalls bestimmen, ob es sich bei dieser Ähnlichkeit um ein Resultat von assortative mating oder doch eher convergence handelte.

… und was dabei raus kam.

Wollen wir uns nun zuerst den expliziten Zielen zuwenden. Hier haben die Autoren erwartungsgemäss feststellen können, dass die Paare unabhängig von ihrer Beziehungsdauer eine hohe Übereinstimmung in ihren expliziten Zielen bezüglich Leistung, Macht, Anschluss und Intimität aufwiesen. Und die Übereinstimmung in diesen expliziten Zielen nahm mit der Beziehungsdauer auch nicht zu. Diese Resultate sprechen dafür, dass die Übereinstimmung in expliziten Zielen ein wichtiger Aspekt in der Partnersuche darstellt und von Beginn an gegeben scheint –  assortative mating also!

Doch wie schaut es bei den impliziten Motiven aus? Hier fallen die beobachteten Ergebnisse gemischter aus. Wie erwartet, zeigten die untersuchten Paare keine bedeutsamen Übereinstimmungen bezüglich dem implizitem Macht-, Anschuss und Intimitätsmotiv auf, solange der Effekt der Beziehungsdauer nicht mitberücksichtigt wurde. Jedoch zeigten sie Ähnlichkeiten in ihrem impliziten Leistungsstreben. Dies mag wohl daran liegen, dass sich Personen mit ähnlichen Leistungsansprüchen im Alltag häufiger begegnen – sei es nun im Sport oder auch auf der Arbeit und dann auch eher eine Beziehung eingehen. Hingegen konnten die Annahmen in Bezug auf die Annäherung der impliziten Motive eher bestätigt werden. Je länger ein Paar zusammen war, desto ähnlicher waren die impliziten Motive ausgeprägt – convergence!

Einen überraschenden Befund gab es noch: Paare mit einer längeren Beziehungsdauer wiesen stärkere Unterschiede in den expliziten Zielen auf als Paare, die sich noch nicht so lange kannten. Dies könnte möglicherweise durch Generationsunterschiede bedingt sein – bei älteren Paaren mit längerer Beziehungsdauer herrscht möglicherweise eine stärkere Rollenverteilung vor als bei jungen Paaren.

Fazit

Gleich und gleich gesellt sich gerne – zumindest, wenn es um die Ausprägung der expliziten Ziele geht. Denn hier ist ein verbaler Austausch bei den ersten Dates und somit assortative mating möglich. Auf implizite Motive wiederum kann beim Kennenlernen kaum geschlossen werden, sodass hier zu Beginn einer Beziehung wenig Übereinstimmung herrschen wird. Über die Zeit jedoch kommt es zu convergence und Paare nähern sich einander an. Diese Annahmen werden durch die vorliegende Studie gestützt. Beim Treffen sollten sich Paare also ruhig über ihre Ziele austauschen – der Rest folgt dann von selbst!

Dazugehörige Publikation: Denzinger, F., Backes, S., & Brandstätter, V. (2018). Same same but different: Similarity of goals and implicit motives in intimate relationships. Motivation Science, 4(1), 60. https://doi.org/10.1037/mot0000064

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Neues Buch von Guy Bodenmann: Mit ganzem Herzen lieben

23. Oktober 2021 | Katharina Bernecker | Keine Kommentare

Prof. Guy Bodenmann hat ein neues Buch veröffentlicht, das hilft, die Liebe zu bewahren und zu einer glücklichen Beziehung zu finden.

Abgelegt unter: Forschungsergebnisse

Wie Annäherungs- und Vermeidungsziele das Verhalten im Konfliktgespräch beeinflussen

20. April 2020 | Isabella Bertschi | Keine Kommentare

Ein Beitrag von Anja Vandersmissen

Stellen sie sich Sarah vor. Sarah ist eine Person, die wie die meisten in einer erfüllten und funktionierenden intimen Beziehung leben will. Um dies zu erreichen, kann Sarah versuchen positive Erfahrungen, wie beispielsweise mehr Intimität und Nähe, mit ihrem Partner zu kreieren. In diesem Fall würde Sarah Annäherungsziele verfolgen. Andererseits kann Sarah ebenfalls versuchen negative Erfahrungen zu vermeiden, welche die Beziehung potenziell bedrohen könnten, wie beispielsweise Uneinigkeiten oder Konflikte. In diesem Fall würde Sarah Vermeidungsziele verfolgen. Annäherungsziele stellen somit eine Bewegung hin zu erwünschten Zuständen dar, wohingegen Vermeidungsziele sich durch Entfernung von unerwünschten Zuständen auszeichnen.

In bisheriger Forschung hat sich gezeigt, dass Menschen mit einer starken Tendenz zu Annäherungszielen mehr Nähe zu ihrem Partner im Alltag haben und dass ihre Beziehungszufriedenheit über die Zeit ansteigt. Menschen mit einer starker Tendenz zu Vermeidungszielen weisen weniger Beziehungszufriedenheit und öfters Gefühle von Einsamkeit auf. Des Weiteren haben sowohl die Annäherungs- wie auch die Vermeidungsziele Einfluss auf kognitive Prozesse wie das Gedächtnis. Beispielsweise können Personen mit starker Tendenz zu Vermeidungszielen sich besser an negative Informationen erinnern als Personen mit schwacher Tendenz zu Vermeidungszielen und ebenfalls achten sie viel stärker auf negative Ereignisse oder Signale. Weitere Studien, welche die Paarkommunikation untersucht haben, fanden, dass Annäherungsziele in einer Partnerschaft mit Verhaltensweisen zusammenhängen, die das Funktionieren der Beziehung fördern, während in potenziell negativen Situationen, wie zum Beispiel Konfliktgesprächen, Vermeidungsziele mit Verhaltensweise zusammenhängen, die die Beziehungsqualität beeinträchtigen. Trotz vielen Studien ist jedoch noch einiges offen. Beispielsweise hat bisher keine Studie die Effekte von sowohl Annäherungs- wie auch Vermeidungszielen auf das Ausdrücken von positiven und negativen Kommunikationsverhaltensweisen im selben Gespräch untersucht. Ebenso ist bisher unklar, wie Annäherungs- und Vermeidungsziele verknüpft sind mit der nonverbalen Kommunikation von Paaren in einem Konfliktgespräch. Die Videoaufnahmen der Konfliktgespräche der Paare der PASEZ Studie bieten die optimale Grundlage diese offenen Fragen genauer zu untersuchen.

Annahmen und Resultate

Beziehungsprobleme, erlebter Stress

Bisher fokussierten sich die meisten Studien, welche Annäherungs- und Vermeidungsziele in Beziehungen untersuchten, auf sehr breite Konzepte wie die Beziehungszufriedenheit. Deshalb ist noch einiges über andere, spezifischere Aspekte des Funktionierens einer Beziehung im Zusammenhang mit den Annäherungs- und Vermeidungszielen ungeklärt. Aus diesem Grund wurde in der durchgeführten Studie der Fokus auf Beziehungsprobleme, schlechte Kommunikation von Stress und mangelhaftes dyadisches Coping gelegt. Dyadisches Coping findet dann statt, wenn beide Partner mit einem Problem umgehen, welches wichtig für das Paar ist. Dies kann zum Beispiel mittels gemeinsamem Problemlösen, Aufteilen von Aufgaben, Solidarität oder Entlasten des Partners geschehen. Beziehungsprobleme, Kommunikation und dyadisches Coping gehören zu den einflussreichsten Faktoren für das Funktionieren einer Beziehung.

Die Studie von Kuster, Backes, Brandstätter, Nussbeck, Bradbury, Sutter-Stickel und Bodenmann (2017) hat gezeigt, dass Personen mit stärkerer Tendenz zu Annäherungszielen weniger Beziehungsprobleme angeben. Da sie positiven Informationen und Gefühlen mehr Gewicht geben als negativen, kann dieses Ergebnis damit erklärt werden, dass in ihrer Wahrnehmung die positiven Eigenschaften des Partners die Beziehungsschwierigkeiten überwiegen. Auch kommunizieren stark Annäherungsmotivierte öfters über empfundenen Stress oder negative Gefühle und unterstützen ihren Partner stärker, wenn dieser von stressreichen Situationen berichtet. Im Gegensatz dazu nehmen stark vermeidungsmotivierte Personen mehr Beziehungsprobleme wahr, vermutlich da ihr Fokus auf Negatives die Wahrnehmung von Beziehungsproblemen begünstigt. Des Weiteren sprechen sie mit ihrem Partner seltener über ihren erlebten Stress. Aus Sicht des Vermeidungsmotivierten könnte das Sprechen über den eigenen Stress sowie denjenigen des Partners eine Bedrohung für die Person sowie die Beziehung sein. Deshalb versuchen vermeidungsmotivierte Personen wahrscheinlich ihren empfundenen Stress zurückzuhalten, um die Stabilität der Beziehung zu beschützen. Die oben berichteten Ergebnisse dieser Studie basieren alle auf Angaben und Einschätzungen der Studienteilnehmenden. Dies bedeutet, dass daraus nicht klar ist, ob die Annäherungs- und Vermeidungsziele auch tatsächlich in verbalem oder nonverbalem Verhalten beobachtbar sind. Die folgenden beiden Studien geben über die Zusammenhänge der Annäherungs- und Vermeidungszielen und beobachtbarem Verhalten Aufschluss.

Negative Kommunikation

Unter der Annahme, dass die Kommunikationsmuster von Paaren die Tendenz der Partner zu Annäherungs- und Vermeidungszielen widerspiegeln, untersuchten Kuster, Bernecker, Backes, Brandstätter, Nussbeck, Bradbury, Martin, Sutter-Stickel und Bodenmann (2015), ob Vermeidungsziele mit beobachtbarer negativer Kommunikation im Partnergespräch zusammenhängen. In die Kategorie der negativen Kommunikation fallen beispielsweise Verhaltensweisen wie das Gegenüber kritisieren, dominieren, unterbrechen, verächtlich sein, eine stärkere Abwehrhaltung oder Streitlust zeigen. Dieser Sachverhalt wurde bisher meistens mit selbstberichteten Angaben untersucht, jedoch nicht in Paargesprächen beobachtet. Dennoch lässt die bisherige Befundlage erwarten, dass Personen mit starken Vermeidungszielen wegen ihrer Sensibilität und Reaktion auf Negatives eher negative Kommunikation anwenden in einem Konfliktgespräch. Für jeden 10-Sekundenabschnitt des 8-minütigen Konfliktgesprächs der teilnehmenden Paare der PASEZ Studie wurde von zwei ausgebildeten Kodierern jeweils kodiert, ob negative Kommunikation stattgefunden hatte oder nicht. Für das Konfliktgespräch bestimmten die Paare ein Thema, welches für Spannungen in der Beziehung führte. Eine Liste mit verschiedenen Vorschlägen wurde als Hilfestellung bereitgestellt, beispielsweise Kommunikation mit dem Partner, Sexualität, Finanzen, Kindern oder störende Angewohnheiten des Partners. Die häufigsten Themen waren Kommunikation mit dem Partner (14.7%), störende Angewohnheiten des Partners (11.7%) und Finanzen (10.4%).Die Ergebnisse zeigten, dass Personen mit starker Tendenz zu Vermeidungszielen eine konstant bleibende Tendenz zu negativer Kommunikation im Verlauf des Konfliktgespräch aufwiesen, wohingegen Personen mit schwacher Tendenz zu Vermeidungszielen eine Abnahme der negativen Kommunikation im Verlauf des Konfliktgesprächs zeigten. Zudem stellte sich heraus, dass Personen mit starker Tendenz zu Vermeidungszielen mehr und mehr zu negativen Kommunikationsverhaltensweisen tendierten, wenn der Partner ebenfalls negative Kommunikationsverhaltensweisen zeigte. Es ist grundsätzlich normal, dass man negative Kommunikationsweisen zeigt in einem Konfliktgespräch. Ein gefundener Unterschied ist, dass bei Personen mit starker Tendenz zu Vermeidungszielen die Negativität über den Verlauf des Gesprächs nicht abflacht. Das heisst, dass keine Versöhnung oder ein gegenseitiges Verständnis zustande kommen kann. Zudem reagieren Personen mit einer starken Tendenz zu Vermeidungszielen sehr stark auf Negativität des Partners, was in einer negativen Kommunikationsspirale enden kann und somit ebenfalls einen positiven, versöhnlichen Ausgang des Gesprächs erschwert. Dies beeinflusst natürlich auch die Erwartung an das versöhnliche Lösen für zukünftige Konflikte und kann die Motivation der Partner verringern mit dem anderen interagieren zu wollen.

Nonverbales Verhalten

Personen mit einer starken Tendenz zu Annäherungszielen sind motiviert, erwünschte Ergebnisse oder Zustände zu erreichen. In einem Konfliktgespräch würde diese Orientierung bedeuten, dass man die Position des anderen verstehen möchte, so Interesse am Partner signalisiert und eine gemeinsame Grundlage findet. Dies resultiert darin, aktiv mit dem Partner zu interagieren. Personen mit starker Tendenz zu Annäherungszielen sollten daher in einem Konfliktgespräch mehr positive, nonverbale Verhaltensweisen zeigen als Personen mit schwacher Tendenz zu Annäherungszielen. Zu diesen positiven, nonverbalen Verhaltensweisen zählen Augenkontakt, Lächeln, Kopfnicken, Nähe, Berührungen und eine dem Gegenüber zugewandte Körperhaltung. Des Weiteren wurde in bisherigen Studien festgestellt, dass Personen mit stärkerer Tendenz zu Vermeidungszielen sensitiver auf soziale bedrohende Situationen reagieren. Dies würde bedeuten, dass solche Personen bereits im Voraus damit rechnen, dass die Konfliktsituation mit dem Partner Kritik und Zurückweisung beinhalten wird und ihnen fällt es deshalb schwerer sich ihrem Partner zu öffnen und so eine Situation von beidseitigem Verständnis für den anderen zu kreieren. Personen mit starker Tendenz zu Vermeidungszielen sollten daher vermehrt negative, nonverbale Verhaltensweisen in einem Konfliktgespräch zeigen als Personen mit schwacher Tendenz zu Vermeidungszielen. Negative, nonverbale Verhaltensweisen, die Vermeidung oder Rückziehen signalisieren, sind zum Beispiel die Vermeidung von Augenkontakt, verschlossene Körperhaltung oder den Kopf abwenden. Unsere Annahmen konnten mit Hilfe der Fragebogendaten und Videoaufnahmen der PASEZ Studie bestätigt werden. Bernecker, Ghassemi und Brandstätter (2019) fanden in ihren Ergebnissen heraus, dass je stärker die Tendenz zu Annäherungszielen ausgeprägt war, desto mehr positives nonverbales Verhalten und desto weniger negatives nonverbales Verhalten wurde im Konfliktgespräch gezeigt. Je stärker die Tendenz zu Vermeidungszielen ausgeprägt war, desto mehr negatives nonverbales Verhalten und desto weniger positives nonverbales Verhalten wurde im Konfliktgespräch gezeigt. Des Weiteren wurde festgestellt, dass mehr positives nonverbales Verhalten während des Konfliktgesprächs mit einer höheren Beziehungszufriedenheit zusammenhängt. Bei den negativen nonverbalen Verhaltensweisen wurde kein Zusammenhang gefunden mit der Beziehungszufriedenheit.

Fazit

Die Ergebnisse der PASEZ Studie und auch bisherige Forschung weisen darauf hin, dass die Unterscheidung zwischen der Ausprägung der Tendenzen zu Annäherungs- und Vermeidungszielen ein relevanter individueller Faktor ist, welcher einen Einblick in die Gründe geben kann, warum gewisse Paare in Konfliktsituationen eine besser funktionierende Kommunikation haben als andere. Dass negative verbale und nonverbale Kommunikation vorkommt in Konfliktgesprächen, ist normal, jedoch kommt es darauf an, wie sich das Gespräch entwickelt, also ob es möglich ist am Schluss auf einen versöhnlichen Kompromiss oder gegenseitiges Verständnis zu kommen.

Die Ergebnisse der durchgeführten Studien haben gezeigt, dass Personen mit starker Tendenz zu Vermeidungszielen mehr Beziehungsprobleme wahrnehmen und weniger mit ihrem Partner über erlebten Stress reden. Umgekehrt nehmen Personen mit starker Tendenz zu Annäherungszielen weniger Beziehungsprobleme wahr und sprechen häufiger über erlebten Stress. Des Weiteren bleibt bei Personen mit starker Tendenz zu Vermeidungszielen negatives Kommunikationsverhalten (wie z.B. Kritisieren, Dominieren, Unterbrechen oder Abwehrhaltung) während des Gesprächs konstant hoch, es nimmt also nicht ab, was somit einen versöhnlichen Ausgang des Gesprächs erschweren kann. Ebenfalls reagieren sie mit mehr Negativität, wenn der Partner ebenfalls negative Kommunikationsweisen zeigt. Zusätzlich konnte mittels den PASEZ-Videos auch festgestellt werden, dass Personen mit starker Tendenz zu Vermeidungszielen mehr negatives, nonverbales Verhalten und weniger positives nonverbales Verhalten im Konfliktgespräch zeigen. Wiederum gilt das Gegenteil für Personen mit starker Tendenz zu Annäherungszielen. Sie zeigen weniger negatives und mehr positives nonverbales Verhalten im Konfliktgespräch. Ironischerweise zeigen Personen mit starker Tendenz zu Vermeidungszielen Verhaltensweisen, die ihrem Ziel, negative Ereignisse zu vermeiden, widerspricht. Obwohl sie versuchen Konflikte zu vermeiden, zeigen sie dann, wenn sie in der Konfliktsituation sind, öfters negative Kommunikationsweisen gegenüber dem Partner, vor allem wenn der Partner ebenfalls negative Kommunikationsverhaltensweisen zeigt.

Die Tendenz zu Annäherungs- und Vermeidungszielen ist abhängig von der generellen neurobiologischen Sensibilität gegenüber positiven respektive negativen Stimuli. Auch basiert die Tendenz auf Erfahrungen, die man gemacht hat. Wer zum Beispiel viel Negativität erfahren hat, neigt eher zu stärkerer Tendenz zu Vermeidungszielen. Im Gegensatz zu grundlegenden Persönlichkeitseigenschaften sind Ziele jedoch offen für Veränderung und deshalb ist dort bei der Formulierung dieser Ziele auch ein therapeutischer Ansatzpunkt in der Paartherapie.

Quellen:

Bernecker, K., Ghassemi, M., & Brandstätter, V. (2019). Approach and avoidance relationship goals and couples’ nonverbal communication during conflict. European Journal of Social Psychology, 49(3), 622–636. https://doi.org/10.1002/ejsp.2379

Kuster, M., Backes, S., Brandstätter, V., Nussbeck, F. W., Bradbury, T. N., Sutter-Stickel, D., & Bodenmann, G. (2017). Approach-avoidance goals and relationship problems, communication of stress, and dyadic coping in couples. Motivation and Emotion, 41(5), 576–590. https://doi.org/10.1007/s11031-017-9629-3

Kuster, M., Bernecker, K., Backes, S., Brandstätter, V., Nussbeck, F. W., Bradbury, T. N., Martin, M., Sutter-Stickel, D., & Bodenmann, G. (2015). Avoidance orientation and the escalation of negative communication in intimate relationships. Journal of Personality and Social Psychology, 109(2), 262–275. https://doi.org/10.1037/pspi0000025

Abgelegt unter: Forschungsergebnisse

„Ich“, „Du“ oder „Wir“ – Gebrauch von Pronomen in Konfliktgesprächen

23. April 2019 | Isabella Bertschi | Keine Kommentare

Ein Beitrag von Stephan Vonschallen und Mona Neysari

Die Art und Weise, wie wir mit unseren Mitmenschen kommunizieren, spielt für unsere Gesundheit eine zentrale Rolle. Einer der wichtigsten Faktoren, die es braucht, um eine glückliche Beziehung aufrechtzuerhalten, ist der Umgang mit Konflikten. Je besser man streitet, also mit Streit umgehen kann, umso weniger Stress und umso mehr Ressourcen stehen zur Verfügung, um andere Probleme zu bewältigen.

Pronomen als Spiegel unseres Denkens

Im Rahmen der PASEZ-Studie haben wir uns das Ziel gesetzt, die Kommunikation von Paaren in Konfliktsituationen zu untersuchen. Dabei haben wir uns auf die Verwendung von Pronomen bezogen. „Ich“-Wörter (z.B. auch „mein“, „mich“ etc.) werden genutzt, um eigene Gedanken und Gefühle auszudrücken. Bei Paaren deutet der vermehrte Gebrauch von „Ich“-Wörtern auf mehr Selbstoffenbarung hin. „Du“-Wörter (z.B. auch „dein“, „dir“, etc.) werden mit Abgrenzung vom anderen oder Schuldzuweisungen in Verbindung gebracht und werden verwendet, wenn eine Konfrontation gesucht wird. „Wir“-Wörter (z.B. auch „unser“, „uns“) sagen hingegen etwas über Zusammenhalt und ein Gefühl der Zugehörigkeit aus. Eine vermehrte Nutzung von „Wir“-Wörtern ist nicht nur mit einer besseren Konfliktlösungsfähigkeit, sondern auch mit mehr psychischen und physischen Wohlbefinden von Paaren assoziiert. Damit verbunden sind z.B. ein besserer Umgang mit Alkohol, Rauchen oder Herzerkrankungen.

Drei Phasen in Konfliktgesprächen

Gottman (1979) fand heraus, dass Konfliktgespräche in unterschiedlichen Phasen verlaufen. In der ersten Phase (Zielsetzungsphase) muss ein Problem erstmal erklärt und definiert werden; es werden Gefühle gegenüber dem Partner geäussert und man versucht, die Gefühle des anderen zu verstehen. In der zweiten Phase (Argumentationsphase) herrscht offene Uneinigkeit; die verschiedenen Standpunkte und unterschiedlichen Sichtweisen werden klargestellt. Bei der dritten Phase (Verhandlungsphase) handelt es sich um einen Problemlösevorgang; wenn diese Phase gut verläuft, findet hier ein Übereinkommen statt, während bei einem schlechten Verlauf derselbe Streit wiederholt wird.

Unsere Annahme

Wir gehen davon aus, dass sich die Verwendung von Pronomen während eines Konfliktgesprächs entsprechend der drei Phasen von Gottman verändert. Zu Beginn und am Ende des Gesprächs sollten mehr „Wir“-Wörter verwendet werden, da dort das Problem gemeinsam betrachtet und gelöst wird. Ich“ Wörter müssten vor allem in der zweiten Phase genutzt werden, da dort die eigenen Standpunkte klargestellt werden. Die Verwendung von „Du“-Wörter müsste im Verlaufe des Gesprächs abnehmen,  weil am Anfang mehr Konflikte gesucht werden.

Ergebnisse

Die teilnehmenden Paare haben sich in der PASEZ-Studie über einen Punkt in ihrer Beziehung unterhalten, über den sie sich uneinig waren. Folgende Erkenntnisse konnten wir daraus gewinnen:

Geschlechtsunterschiede: Wir fanden, dass sich Frauen und Männer in der Verwendung von Pronomen unterscheiden. Während Frauen insgesamt häufiger „Ich“ und „Du“ verwenden, verwenden Männer im Durchschnitt häufiger „Wir“. Dass könnte damit zu tun haben, dass Frauen Konflikte häufiger direkt ansprechen als Männer.

Altersunterschiede: Unsere Daten zeigten, dass sowohl Frauen als auch Männer mit zunehmendem Alter weniger „Ich“ und Frauen weniger „Du“ verwenden. Ältere Männer verwendeten „Wir“ gleichmässiger als junge Männer über die drei Phasen des Gesprächs verteilt. Das deutet darauf hin, dass ältere Personen Beziehungskonflikte öfters als gemeinsames Problem betrachten. Unterschiede im Gesprächsverlauf: Die Verwendung von Pronomen verändert sich während des Streitgesprächs. Am Anfang und am Ende, wenn das Problem angesprochen und verhandelt wird, wird häufiger „Wir“ verwendet, als in der Mitte des Gesprächs, wo häufiger „ich“ verwendet wird. Die Verwendung von „Du“ nahm von der ersten bis zur dritten Phase ab.

Fazit

Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Verwendung von Pronomen bei Paaren in Konfliktsituationen ungefähr mit den drei Phasen von Gottman (1979) übereinstimmt. Dabei fällt älteren Paaren das Bewältigen von Beziehungskonflikten im Durchschnitt leichter. Das könnte daran liegen, dass sie Probleme weniger aus unterschiedlichen Standpunkten betrachten („Du“ – „Ich“), sondern gemeinsam verhandeln („Wir“).

Originalquelle

Neysari, M., Bodenmann, G., Mehl, M. R., Bernecker, K., & Nussbeck, F. W., Backes, F., Zemp, M., Martin, M., & Horn, A. B. (2016). Monitoring pronouns in conflicts: Temporal dynamics of verbal communication in couples across the lifespan. Geropsych, 29 (4), 201–213. https://www.doi.org/10.1024/1662-9647/a000158

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Klarheit über die Gefühle Anderer

8. Oktober 2018 | Isabella Bertschi | Keine Kommentare

Zu wissen, was andere fühlen, hilft bei der gemeinsamen Stressbewältigung

Ein Beitrag von Anne Milek

Erfolgreiche gemeinsame Stressbewältigung – oder „dyadisches Coping“, wie es im Fachjargon genannt wird – ist ein wichtiger Indikator für eine gut funktionierende, stabile Partnerschaft. Dyadisches Coping beschreibt, wie sich Paare bei erlebtem Stress gegenseitig unterstützen: ob sie Probleme gemeinsam analysieren, sich gegenseitig beruhigen, sich helfen, die Situation in einem anderen Licht zu sehen oder einander Mut machen. In der PASEZ-Studie wurde untersucht, ob Partner, die sich über Gefühle anderer im Klaren sind, erfolgreicher Stress gemeinsam bewältigen können.

Die „Klarheit über Gefühle anderer“ ist die emotionale Fähigkeit zu „wissen“, wie sich andere Personen fühlen. Zu wissen, was der andere fühlt, ein Verständnis für den erlebten Stress des anderen zu haben, sich emotional in ihn hineinversetzen zu können, all dies sind nach der Systemisch-Transaktionalen Stresstheorie von Bodenmann (2000) zentrale Voraussetzungen um gezielt auf Bedürfnisse des Partners bzw. der Partnerin eingehen und sie/ihn in stressigen Zeiten besser unterstützen zu können. Verschiedene Querschnittsstudien fanden bereits, dass höhere emotionale Kompetenzen in der Tat mit besserem dyadischen Coping zusammenhängen. Es wurde bisher jedoch noch nicht getestet, ob die Klarheit über Gefühle anderer auch zukunftsbezogen gemeinsame Stressbewältigung im Paar vorhersagen kann. Auf Grund der Stresstheorie kann angenommen werden, dass Personen, die im Vergleich zu anderen über eine höhere Klarheit über Gefühle anderer berichten (a) von ihren Partnern als bessere Unterstützer wahrgenommen werden und (b) besser in der Lage sind, eine unterstützende dyadische Bewältigung auf lange Sicht aufrechtzuerhalten.

Beide Annahmen konnten bestätigt werden. Mithilfe von Daten aus der PASEZ-Studie zeigten Lorena Leuchtmann und ihre Kollegen, dass Personen mit einer höheren Klarheit über Gefühle anderer von ihren Partnern/ Partnerinnen als unterstützender wahrgenommen werden. Zudem zeigte sich, dass bei Paaren, in denen Männer (auch) über eine hohe Klarheit über Gefühle anderer verfügen, langfristig beide Partner profitieren und sich in Belastungssituationen stärker voneinander unterstützt fühlen. Partnerinnen von Männern mit geringerer Klarheit über Gefühle anderer hingegen fühlten sich über einen Zeitraum von zwei Jahren hinweg immer weniger von ihrem Partner unterstützt.

Dabei fanden sich Geschlechtsunterschiede zwischen den Partnern zu fast allen Messzeitpunkten: Frauen hatten höhere Werte in Bezug auf die (selbstberichtete!) Klarheit über Gefühle anderer als Männer. Diese wiederum fühlten sich von ihren Partnerinnen stärker unterstützt. Diese Geschlechtsunterschiede könnten dafür verantwortlich sein, dass nur die Klarheit über Gefühle anderer der Männer, nicht aber die der Frauen, dyadisches Coping beider Partner langfristig vorhersagte. Zudem sollten weitere Studien testen, ob die auf selbstberichteten Aussagen basierenden Ergebnisse nicht vielleicht auch ein Ausdruck von geschlechtsstereotypen Einstellungen sind. Immer wenn Gefühle ins Spiel kommen wird traditionsgemäss Frauen eine grössere Kompetenz zugesprochen. Mehr und mehr Beobachtungsstudien zeigen aber, dass sich Männer und Frauen in konkreten Situationen gar nicht so sehr in ihrer Wahrnehmung von Gefühlen anderer und der gezeigten Unterstützung unterscheiden…

Aus diesen Ergebnissen folgt, dass durch eine gezielte Förderung des gegenseitigen emotionalen Verständnisses langfristig die Stressbewältigung im Paar gestärkt und somit zu einer zufriedeneren und stabileren Partnerschaft beigetragen werden kann. Paartherapeutische Angebote und partnerschaftliche Präventionsprogramme greifen diese Idee bereits auf. So werden beispielsweise bei paarlife, einem Stresspräventionsprogramm für Paare, die Partner dabei angeleitet, wie man in Stresssituationen nicht nur über die Sachaspekte, sondern vor allem über die damit verbundenen Gefühle reden kann. Denn Wissen über die Gefühle anderer zu haben, scheint von Vorteil für die zwischenmenschlichen Fähigkeiten zu sein, Stresserleben in Partnerschaften langfristig zu regulieren.

 

Originalquelle:

Leuchtmann, L., Zemp, M., Milek, A., Nussbeck, F. W., Brandstätter, V. und Bodenmann, G. (2018), Role of clarity of other’s feelings for dyadic coping. Personal Relationships, 25(1), 38-49. https:/doi.org/10.1111/pere.12226

Abgelegt unter: Forschungsergebnisse