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Social Behavior in a Digital Society

Was man dem Volk dreimal sagt, hält das Volk für wahr: Über die Korrektur von Fake-News

20. January 2017 | Johannes Ullrich | Keine Kommentare |

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Von Nicolas Ramer

Bürokraten entscheiden, ob eine Person es wert ist, eine Gesundheitsversorgung zu erhalten. So dramatisch lautete – kurz zusammengefasst – ein Facebook-Eintrag vom 7. August 2009 der ehemaligen Vize-Präsidentschaftskandidatin Sarah Palin, um gegen die geplante Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama vorzugehen. Obwohl diese Behauptung von verschiedenen Quellen eindeutig widerlegt werden konnte, hatte sie sich dennoch wie ein Lauffeuer verbreitet, so dass in kürzester Zeit 86% der Amerikaner von ihr Kenntnis nahmen und ein beachtlicher Teil von ihnen dieses Gerücht für wahr hielt. Laut dem Time Magazine hat der Vorwurf die Reform sogar beinahe zu Fall gebracht. Dies ist nur eines von vielen Beispielen für die Wirkung von Gerüchten. Dieses Problem ist so gewichtig, dass es auch vom Weltwirtschaftsforum (WEF) erkannt und im Jahr 2014 auf die Liste der zehn schwerwiegendsten Probleme gesetzt wurde, die in der Welt zurzeit zu bewältigen sind.

Das Phänomen, dass sich falsche Informationen auch nach ihrer Widerlegung oder Korrektur weiterhin auf die Schlussfolgerungen von Menschen auswirken, beschäftigt seit längerer Zeit auch die Forschung und wird in der Fachliteratur meist als „continued influence effect“ bezeichnet. Welche Rolle hat das Internet bei der Erhaltung von solchen Gerüchten und Falschinformationen?

Das Internet hat die Verbreitung und die Nutzung von Informationen revolutioniert: Nachrichten, Bilder, Videos u.v.m. erreichen innert kürzester Zeit ein riesiges Publikum. Mit der Entwicklung des sogenannten Web 2.0 sind Internetnutzer nicht mehr nur passive Konsumenten von Informationen, sondern sie erstellen und verbreiten selbst aktiv Inhalte auf Internetplattformen wie YouTube, Facebook oder Twitter. Beispielsweise auf YouTube gibt es bereits abertausende Videos, die allerlei Nachrichten und Informationen vermitteln und häufig von mehreren hunderttausend Personen gesehen werden. Statistiken aus dem Jahr 2011 zeigten, dass alleine im Oktober desselben Jahres 1.2 Milliarden Menschen Onlinevideos geschaut haben. Allerdings wird durch das Internet auch die bewusste oder unbewusste Verbreitung von Falschinformationen und Gerüchten erleichtert, da nun jeder Laie Inhalte verbreiten kann, ohne dass sachkundige Fachleute sie vorgängig überprüft haben. Das Netz speichert alle diese (Falsch-)Informationen und Gerüchte, so dass sie auch noch Jahre nach ihrer Veröffentlichung zugänglich sind. Eine Artikelüberschrift in der Zeit Online von 2011 hat dies auf den Punkt gebracht: „Das Internet vergisst nichts“. Somit ist es möglich, die unzähligen Desinformationen im Internet beliebig oft abzurufen bzw. mit ihnen konfrontiert zu werden. Dieser Umstand ist sehr problematisch, wie sich in einer Studie der Forschergruppe um Ullrich Ecker gezeigt hat. Die Befunde der Studie deuten darauf hin, dass die Wiederholung einer Falschinformation viel stärker haften bleibt und nachwirkt, als die Wiederholung einer Richtigstellung der falschen Information. Wenn man sich die damit verbundenen und zum Teil schwerwiegenden individuellen und gesellschaftlichen Folgen vor Augen führt, wird klar, dass dringend Handlungsbedarf besteht.

Doch kann man überhaupt etwas gegen den Einfluss von Falschinformationen und Gerüchten unternehmen? Und wie kann das Internet dazu beitragen?

Eine Möglichkeit, dem Einfluss von Desinformationen und Gerüchten beizukommen, besteht darin, eine plausible Alternativerklärung für das in Frage stehende Ereignis zu liefern. Wird nämlich ein wichtiger Teil der Falschinformation entkräftet, bleibt eine Lücke bestehen, die mit einer Alternativerklärung ausgefüllt werden muss, da Personen sonst auf die falsche Aussage zurückgreifen. Wenn beispielsweise bei einem Hausbrand fälschlicherweise von Brandstiftung ausgegangen wird, könnte ein Defekt in der Stromleitung als Alternativerklärung dienen und die Falschinformation widerlegen. Diese Strategie hat sich als effektiv herausgestellt, ist aber oft sehr aufwändig und nicht immer durchführbar, da häufig eine plausible Alternativerklärung fehlt. Ein anderer, weitaus einfacherer und auf das Internet anwendbarer Ansatz kommt von zwei Forscherinnen aus den USA. Sie haben in einer Studie gezeigt, dass der Einfluss von Falschinformationen und Gerüchten reduziert werden kann – selbst wenn keine Alternativerklärung vorliegt –, soweit die Richtigstellung der Desinformationen von einer vertrauenswürdigen Quelle kommt. Diese Erkenntnis könnte man sich im Netz besonders gut zu Nutze machen, indem man bei der Gegeninformation möglichst viele Angaben zur Vertrauenswürdigkeit der Quelle liefert. Eine einfache Möglichkeit, um dies zu erreichen, wäre, einen Link zum Profil bzw. zum Curriculum des Verfassers der Gegeninformation herzustellen, so dass sich Personen ein Bild über dessen Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit verschaffen können. Ein Arzt ist beispielsweise in Gesundheitsfragen meistens fachkundig und somit auch vertrauenswürdig. Bei Falschinformationen im Gesundheitswesen sollte man in dem Fall normalerweise hervorheben, dass die Quelle der Gegeninformation ärztlich tätig ist. Es muss aber bedacht werden, dass nicht alle Menschen darin übereinstimmen, welche Personen sie als vertrauenswürdig ansehen und welche nicht. Manche Menschen gehen zum Beispiel lieber zum Homöopathen als zum Arzt, um sich behandeln zu lassen. In diesem Fall wäre eine Gegeninformation von einem Schulmediziner nicht wirksam und vielleicht sogar kontraproduktiv. Daher sollte man zuerst überlegen, welche sozialen Gruppen gegen die Korrektur bzw. die Widerlegung von Falschinformationen resistent sind und entsprechend die Quelle für die Gegeninformation auswählen.

Was Heinrich von Kleist schon vor über 200 Jahren bemerkt haben soll, gilt auch heute noch: ‚Was das Volk nicht weiss, macht das Volk nicht heiss. Was man dem Volk dreimal sagt, hält das Volk für wahr.’ Gerüchte und Falschinformationen werden nach häufiger Wiederholung für wahr gehalten und haben dadurch Einfluss auf die Meinungsbildung von Menschen. Dies ist vor allem mit dem Aufkommen von sozialen Medien ein zunehmendes Problem, da nun jeder Internetnutzer aktiv Inhalte verbreiten kann, ungeachtet des Wahrheitsgehalts. Allerdings bietet gerade auch das Internet Möglichkeiten, durch Anführung von vertrauenswürdigen Quellen, Gerüchten und Desinformationen gezielt entgegenzuwirken.

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