Social Psychology @ UZH

Social Behavior in a Digital Society

Raus auf die Strasse: Mit Online Dating bleibt man länger allein

21. February 2017 | Johannes Ullrich | Keine Kommentare |

Von Nadine Meier

Viele Menschen suchen heutzutage ihren Traumpartner im Internet. Die Online Dating Websites ermöglichen uns Zugang zu tausenden Profilen, von welchen eines unserem Traumpartner gehören könnte. Um die Suche zu vereinfachen, präsentieren sie uns eine Auswahl an potenziell passenden Partnern. Dies sind Profile, welche laut den Matching- Algorithmen der Websites zu einem passen.

Unsere heutige Welt lebt im Überfluss. Wir entscheiden uns tagtäglich zwischen dreissig verschiedenen Müslis im Supermarkt oder zwölf unterschiedlichen Kaffees im Starbucks. Ebenso findet man einen Überfluss an potenziell passenden Partnern auf den Online Dating Websites – da sollte uns diese Entscheidung auch nicht viel schwieriger fallen. Doch können wir wirklich so einfach Entscheidungen treffen, wie wir meinen?

In einer amerikanischen Studie blieben die Kunden eines Supermarktes an einem Tisch mit vierundzwanzig Konfitüren doppelt so oft stehen wie an einem Tisch mit sechs Konfitüren. Gekauft wurde jedoch zehnmal mehr von dem Tisch mit der kleineren Auswahl. Des Weiteren waren Kunden zufriedener mit ihrer Schokolade, wenn sie die Schokolade aus einem Set von sechs und nicht dreissig Schokoladen ausgewählt haben.

Auch die grosse Auswahl an Singles auf den Online-Dating Websites zieht uns an. Offline gilt es zuerst einmal herauszufinden, wer noch zu haben ist. Dieser mühsame Prozess fällt im Internet weg. Umso mehr Auswahl aber, desto mehr Informationen sind vorhanden, welche wir vergleichen müssen. Das Durchstöbern von Profilen ist mit einem erheblichen mentalen Aufwand verbunden und kann mit der Zeit anstrengend sein. Dies könnte dazu führen, dass wir nicht mehr motiviert sind, überhaupt eine Entscheidung zu treffen. Halten wir aber durch, kann dies gegenüber dem Offline-Dating einen Vorteil bedeuten. Wir erfahren schon einiges über die Person, bevor es zu einem Face-to-Face-Treffen kommt. So können böse Überraschungen beim ersten Date vermieden werden. Die Wahl haben wir jedoch aus einem grossen Set getroffen, um nochmal auf das Beispiel mit der Schokolade zurück zu kommen. Durch den langen Entscheidungsprozess stiegen auch die Erwartungen, wir haben schliesslich einige Zeit in das Vergleichen der Profile gesteckt. Ist die oder der Auserwählte live dann doch nicht so toll, sind wir von unserer Wahl enttäuscht und die Suche beginnt von vorne. Dass es uns nicht ganz so leicht fällt, Entscheidungen treffen, zeigt ein weiteres Beispiel: Wir Menschen tendieren dazu, uns die Optionen offen zu halten. Mehrere Studien konnten zeigen, dass wir das sogar tun, wenn dies schlussendlich ein schlechteres Resultat bedeutet. Beim Online-Dating wissen wir, dass da immer ein Pool an potenziell passenden Partnern sein wird.

Die Folge davon ist, dass es uns dazu verleitet, uns weniger schnell zu binden. Durch die grosse Auswahl werden wir wählerischer und vergeben weniger zweite Chancen. Ich würde Kandidat XY vielleicht nicht so schnell in die Wüste schicken, wenn ich nicht wüsste, dass da weiterhin zweihundert Single-Profile auf mich warten. Somit verzögert sich das Ende der Suche nach unserem Traumpartner weiterhin. Wir wollen uns nicht festlegen, weil wir die richtige und beste Wahl treffen möchten. Ständig haben wir Angst, dass noch Besseres kommen könnte.

Durch die Globalisierung hat sich unser Dating-Verhalten verändert. Wir haben Zugang zu Singles auf der ganzen Welt, was uns offline verwehrt bleibt. Wie aber die genannten Beispiele gezeigt haben, kann eine Auswahl auch zu gross sein und unser Entscheidungsverhalten damit negativ beeinflussen. Diese Überlastung an Informationen kann zu Unentschlossenheit führen, wir werden anspruchsvoller, weil wir viel Zeit in die Auswahl investieren. Aus Angst, jemand passenderes übersehen zu haben, starten wir den ganzen Prozess von vorne. Natürlich ist die Person, mit welcher wir unser Leben verbringen möchten, nicht dasselbe wie ein Müsli oder eine Schokolade aus dem Supermarkt. In jedem Fall ist es wertvolle Zeit, die wir verlieren. Merken wir, dass die grosse Auswahl nicht zu dem gewünschten Ergebnis führt, gibt es also nur eines: Raus auf die Strasse! Während wir vor dem Computer Profile vergleichen, kauft unser Traumpartner vielleicht gerade in der Migros sein Lieblingsmüsli.

Abgelegt unter: Seminar Blog


Keine Kommentare vorhanden

  • Es gibt noch keine Kommentare.

Kommentar schreiben