Schenkungen im Bibliotheksalltag: Zwischen Emotionen, Bewertungskriterien und Ressourcengrenzen

Schenkungen im Bibliotheksalltag: Zwischen Emotionen, Bewertungskriterien und Ressourcengrenzen

Die jüngste Schenkung der UB Skandinavistik ist ein gutes Beispiel, was Schenkungen in Bibliotheken auslösen können: Der Nachlass des Island-Liebhabers Werner Schutzbach ist viel zu gross, um alles aufzunehmen. Doch er birgt auch Schätze, die zeithistorisch wertvoll sind und die Sammlung auf einzigartige Weise bereichern. So etwa seine Fotografien vom isländischen Alltag über dreissig Jahre hinweg.


Der Begriff «Schenkung» löst im Bibliotheksalltag – ganz im Gegensatz zum alltäglichen Gebrauch – nicht nur Glücksgefühle aus. Im Bibliothekskontext müsste man wohl eher von einem Gefühlsspektrum sprechen, das eine Schenkung erzeugen kann. Hinter dem Begriff kann sich ein unwillkommener Entsorgungsberg, eine überlebensnotwendige Bestandsaufwertung, ein bestandsergänzendes Geschenk oder eine richtige Goldgrube verbergen – und manchmal ist es alles in einem.

In den meisten Fällen müssen Bibliotheken sehr genau abwägen, ob sie Schenkungen grundsätzlich annehmen können und zu welchen Bedingungen. Die Bearbeitung der Materialien, das Ordnen, Inventarisieren, Erschliessen und schlussendlich die langfristige Aufbewahrung ist finanziell aufwändig. Neben den personellen und finanziellen Ressourcen bestimmt auch der Sammlungsauftrag oder das Bestandsprofil einer Institution über die Annahme von Schenkungen. Trotz dieser begrenzenden Faktoren können Schenkungen interessante und bestandsbereichernde Objekte enthalten, die einmalige Schätze für eine Bibliothek darstellen können.


Eine Schenkung vor und nach der Bearbeitung: Das Ordnen, Inventarisieren und Erschliessen ist aufwändig.

Oft beschenkt: Die UB Skandinavistik

Die UB Skandinavistik kennt das vielfältige Spektrum der Auswirkungen von Schenkungen mittlerweile sehr gut. In den letzten rund zwanzig Jahren wurde die Bibliothek der Skandinavistik immer wieder mit Schenkungen und Nachlässen beschenkt. Forschende und Skandinavien affine Privatpersonen übergaben der Bibliothek unterschiedliche Medien, vor allem skandinavistische Fachpublikationen und Primärliteratur in skandinavischen Sprachen. Die Schenkungen haben den Bibliotheksbestand ergänzt. Schwerpunkte konnten vertieft oder gar neu geschaffen werden, einiges wurde aussortiert und weggegeben, da es nicht in das Bestandsprofil passte oder bereits vorhanden war.

Gerade in einem Fach wie der Skandinavistik, in dem sich die Personen persönlich und teilweise über viele Jahre kennen, sind Schenkungen auch eine persönliche und emotionale Angelegenheit. Die meisten Buchübergaben fanden persönlich statt, oft begleitet durch Geschichten zu den geschenkten Objekten. Gerade diese persönliche Note, die Schenkende durch ihre Medien «übergeben», sind für eine Fachbibliothek eine bestandshistorisch schöne Nuance.

Einblick in die jüngste Schenkung der UB Skandinavistik: Fotos aus dem Nachlass des Island-Liebhabers Werner Schutzbach (1934-2017)

Der persönliche Blick eines Island-Liebhabers

Die jüngste Schenkung, der Nachlass des Island-Liebhabers Werner Schutzbach (1934 – 2017), erfüllt diese Aspekte vollumfänglich: Die Menge und Vielfalt an Materialien übersteigt die vorhandenen Ressourcen der Bibliothek bei weitem. Doch es lassen sich einige aussergewöhnliche Funde ausmachen, die sich erst nach einer (tieferen) Beschäftigung zeigten.

Der Nachlass ist durchzogen vom umfassenden Blick Schutzbachs, mit dem er sich Island genähert hat: Geologie, Naturwissenschaft, Flora und Fauna, kultur-, literatur- und sprachwissenschaftlicher Zugang, wie auch Island als Ort der Reise zeichnen sich in seiner Handbibliothek wie auch in seiner fotografischen Annäherung an die Menschen und Landschaften Islands ab.


Aufnahmen von Werner Schutzbach: In der Mitte sind mehrere isländische Staatsmänner zu sehen.


Als ausgebildeter Repro-Fotograf, hat Werner Schutzbach während seiner Aufenthalte auf Island Schwarz-Weiss-Fotografien aufgenommen, die Momentaufnahmen der isländischen Lebensweise über knapp drei Jahrzehnte abbilden. Aus heutiger Sicht stellen die Fotografien der 1950er bis in die 1980er-Jahre interessante zeithistorische Dokumente dar. 

Der Nachlass Werner Schutzbach befindet sich momentan in den Magazinräumen der UB Zürich. Die Fotografien konnten in den konservatorisch stabileren Archivräumen der ZB Zürich untergebracht werden. Die vielfältigen Objekte werden aktuell inhaltlich gesichtet und ein Erschliessungskonzept erarbeitet.  


Die Landschaftsaufnahmen von Werner Schutzbach sind interessante zeithistorische Dokumente: Auf dem Bild oben links wird Eis gestochen, auf weiteren wird Fisch verarbeitet.

Der Umgang mit Schenkungen professionalisiert sich

Der Umgang mit Schenkungen hat sich in den letzten Jahren professionalisiert. Gerade im Bereich der rechtlichen Aspekte sind die Verantwortlichen sensibilisierter geworden, setzen klare Regelungen fest und stellen praktikable Rahmenbedingungen für die eigene Institution sicher, zum Beispiel die Option auf Ausscheidung nicht passender Objekte. Dennoch finden immer wieder viele Schenkungen Eingang in Bibliotheken, da so spannende, einzigartige und vielleicht zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht absehbaren wertvollen Sammlungsgegenstände und Forschungsobjekte dadurch für die Nachwelt erhalten bleiben.

Ulrike Marx, Liaison Librarian Skandinavistik
Nora Jäggi, Wissenschaftliche Bibliothekarin i. A. / Fachreferat Religionswissenschaft / Informationskompetenz