Bücherregal mit Zeitschriften und Büchern

Projekt zur Verankerung eines Zweitveröffentlichungsrecht in der Schweiz

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In der Schweiz gibt es kein gesetzlich verankertes, unabdingbares Zweitveröffentlichungsrecht für Autor:innen von wissenschaftlichen Zeitschriftenbeiträgen. Das von swissuniversities geförderte Projekt «Zweitveröffentlichungsrecht und Open Access als regulatorische Herausforderung» hat zum Ziel, Lösungsvorschläge zur Verankerung eines Zweitveröffentlichungsrechts, wie es in anderen europäischen Ländern bereits existiert, für das Schweizer Recht zu erarbeiten.

Aktuelle Praxis der Zweitveröffentlichung

Publizieren Forschende einen Artikel oder ein Buch, müssen sie in der Regel Autorenverträge unterschreiben, die den Verlagen die exklusive Nutzung ihrer wissenschaftlichen Arbeiten zusichert. Falls die Autor:innen ihre Publikationen trotzdem in einem Forschungsnetzwerk, auf einem Repositorium wie ZORA oder auf einer eigenen Website veröffentlichen wollen, verstossen sie möglicherweise gegen die von ihnen unterschriebenen Verträge.


Unterschiedliche Verträge

Die Autorenverträge variieren von Verlag zu Verlag. Die meisten enthalten inzwischen das Zugeständnis, dass Zeitschriftenartikel und Monografien mit unterschiedlichen Embargofristen [1] und zumeist nur in Form des so genannten «author accepted manuscript» (AAM) [2] auf einem Repositorium hinterlegt und publiziert werden dürfen. Der Begriff der Zweitveröffentlichung bezieht sich dementsprechend auf Dokumente, die bereits in einem Verlag bzw. einer Zeitschrift erschienen sind und die zusätzlich auch über ein Open Access-Repositorium veröffentlicht werden.

Dass die Verlage die Selbstarchivierung erlaubten, ist auch den im Zuge der Open-Access-Bewegung aufkommenden institutionellen Publikationsrepositorien zu verdanken. In der Schweiz initiierte die Universität Zürich – als eine der ersten – im Jahr 2008 ein Repositorium und ermunterte ihre Forschenden, Publikationen im Rahmen der geltenden Schrankenrechte des Urheberrechts (für betriebsinternen Gebrauch sowie zum Zweck der Archivierung) und gemäss den gültigen Autorenverträgen zu hinterlegen.


Der Druck auf die Verlage steigt

National und international erhöhten in den letzten Jahren auch Forschungsförderer den Druck auf die Verlage, Zweitveröffentlichungen zuzulassen. So verpflichtet der Schweizerische Nationalfonds (SNF) die Forschenden, die Resultate der von ihm geförderten Projekte in frei zugänglichen Publikationsorganen zu veröffentlichen. Falls dies nicht möglich ist, da in einer subskriptionsbasierten Zeitschrift publiziert wird, sollen Autor:innen den Text selbstarchivieren.

Laut den neue Open Access Richtlinien des SNF (gültig für alle neuen Anträge eingereicht nach dem 1.1.2023) soll das «author accepted manuscript» (AAM) von Zeitschriftenartikeln sofort in Open Access und mit einer CC-BY-Lizenz [3] versehen auf einem Repositorium veröffentlicht werden. Für Bücher und Buchkapitel gelten diese Anforderungen noch nicht.


Projekt und Projektziele

Viele europäische Länder haben in ihren gesetzlichen Grundlagen ein Zweitveröffentlichungsrecht verankert, darunter z. B. Spanien, Deutschland, die Niederlande und Belgien. Für die Schweiz gibt es bis anhin keine vergleichbare gesetzliche Bestimmung.

Ziel des Projekts «Zweit­ver­öffentlichungsrecht und Open Access als regulatorische Herausforderung» ist es, Lösungsvorschläge für die Verankerung eines Zweitveröffentlichungsrechts im Schweizer Recht aufzuzeigen. Dafür arbeiten Rechtsspezialistinnen und Rechtsspezialisten aus der ganzen Schweiz zusammen, auch SWITCH, CCdigitallaw, ein Service der von der Università della Svizzera italiana angeboten wird [4], und die UB Zürich sind involviert. Geleitet wird das Projekt von Prof. Florent Thouvenin von der Universität Zürich. Das Projekt, das von swissuniversities gefördert wird, läuft noch bis Herbst 2023.


Ob und wie auf Basis der erarbeiteten Lösungsvorschläge in der Folge eine Umsetzung geplant werden kann, ist offen. Denn ob nach Projektabschluss tatsächlich ein Zweitveröffentlichungsrecht in der Schweiz gesetzlich verankert werden kann, ist vor allem vom (hochschul-)politischen Willen abhängig, eine solche Regelung zugunsten der Wissenschaft und der Öffentlichkeit gesetzlich zu verankern.


Weitere Informationen

Im Rahmen des Projekts führt das Kompetenzzentrum für Digitales Recht (CCdigitallaw) drei Workshops zur Information zu bestehenden rechtlichen Grundlagen an verschiedenen Schweizer Universitäten durch. In der deutschsprachigen Schweiz findet der Workshop an der Universität Zürich am 12. Juni von 13:30­–16:30 Uhr im Raum KOL-H-317 statt. Anmelden kann man sich über https://www.ccdigitallaw.ch/training-registration/.


[1] Embargo- oder Sperrfrist bezeichnet den Zeitraum, nach dem es Verlage den AutorInnen erlauben, den Volltext der Publikation zweitzuveröffentlichen. Siehe dazu auch open-access.network: Open Access Glossar (eingesehen am 9.5.2023).

[2] Als «author accepted manuscript» wird die Version eines Texts verstanden, die bereits begutachtet und zur Veröffentlichung angenommen wurde, allerdings noch nicht im Layout des Verlags vorliegt. Siehe zum Begriff «postprint» bzw. «author accepted manuscript» open-access.network: Open Access Glossar (eingesehen am 9.5.2023).

[3] Eine Lizenz bezeichnet im Publikationskontext einen Vertrag, mit dem RechteinhaberInnen Nutzungsrechte an Dritte einräumen. Verbreitet sind und gewissermassen als Standard durchgesetzt haben sich in Wissenschaft und Forschung die Creative Commons Lizenzen. Siehe dazu auch open-access.network: Open Access Glossar (eingesehen am 9.5.2023).

[4] Siehe dazu auch die Website: German | CCdigitallaw (eingesehen am 9.5.2023).

Andrea Malits, Open Science Services UB