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Asien-Orient-Institut

Isabel Fassbender, M.A.

 

Isabel Fassbender, M.A.
Kontakt: isabelfassbender@gmail.com
 
Assoziierte Teilnehmerin im HS 2015
Doktorandin an der Fremdsprachenuniversität Tokyo

 

 


Dissertationsprojekt

Der Diskurs zur Familienplanung im kontemporären Japan vor dem Hintergrund des Geburtenrückgangs (Arbeitstitel)

Abstract

Der Ausgangspunkt dieses Projekts ist die Frage, wie sich der Diskurs zum Thema Familienplanung vor dem Hintergrund des Geburtenrückganges im kontemporären Japan gestaltet und welche Interessensgruppen oder Akteure darin mit welchen Strategien und Zielen beteiligt und wie diese vernetzt sind.

Der als den Fortbestand der japanischen Gesellschaft bedrohendes Problem angesehene Geburtenrückgang rückt in Japan seit den 1990er Jahren das Thema Familienplanung zunehmend in das Zentrum politischer und gesellschaftlicher Überlegungen. Aktuell stellt die erhebliche Erhöhung der Geburtenrate nun einen der drei Pfeiler im neuen ökonomischen Maßnahmenpaket „Abenomics“, das im Herbst 2015 vorgestellt wurde, dar. Hierbei wird jedoch nicht das wirtschaftliche und gesellschaftliche Wohl Japans unterstrichen, vielmehr steht der „Wunsch des Individuums eine Familie zu gründen“ im Mittelpunkt. Darüberhinaus wird in aktuellen Maßnahmenpaketen gegen den Geburtenrückgang die Notwendigkeit der Lebensplanung und Wissensaneignung der Einzelperson, um diesen Wunsch erfüllen zu können, hervorgehoben. Dieser Fokus auf das Individuum und dessen Eigenverantwortung ist einer neoliberalen Biopolitik zuzuordnen.

Es hat sich jedoch in meinen bisherigen Untersuchungen bereits gezeigt, dass ein Fokus auf den rein politischen Diskurs, der in der bestehenden Literatur rund um das Problem der Geburtenrate hauptsächlich behandelt wird, nicht ausreichend ist, da besonders die Medien, Vertreter des Gesundheitswesens und der Gesundheitsindustrie entscheidende Rollen in der öffentlichen Narrative zum Thema Familienplanung spielen. Pharmafirmen, die im Bereich der Reproduktivtechnologien aktiv sind, sind verborgen, aber entscheidend beteiligt. Man kooperiert beispielsweise mit diversen Medien, um junge Frauen dazu zu animieren, sich frühzeitig mit Fragen zu Reproduktion und Fruchtbarkeit auseinanderzusetzen und sich Wissen über die Begrenztheit des reproduktiven Alters und Unfruchtbarkeitsbehandlungen anzueignen, was auf großes öffentliches Interesse stößt. Insofern als diese Strategie auch dem Ziel der Erhöhung der Geburtenrate dienlich zu sein scheint, da der Anstieg des durchschnittlichen Alters von Frauen bei der Geburt des ersten Kindes als einer der Hauptgründe für die sinkenden Zahlen eingestuft wird, ist eine neue Tendenz, die Aufklärung und Erziehung über Reproduktion und Fruchtbarkeit als Maßnahme gegen den Geburtenrückgang gezielt einsetzen zu wollen, nun auch auf politischer Ebene zu verzeichnen.

Um ein möglichst umfassendes Bild zu erhalten, muss zusätzlich die Rolle von NPOs im Kontext der Familienplanung und Arbeitgebern als Akteuren im Diskurs bedacht werden. Diese spielen eine weniger zentrale Rolle in der Diskurskonstruktion, aber eine durchaus signifikante in der Verbreitung dessen. Analysen von Stimmen, die sich kritisch gegenüber gewissen pronatalistischen Strategien äußern, dienen darüberhinaus dazu, ein ausbalanciertes Bild der Diskurse und Gegendiskurse zu zeichnen.

Den theoretischen Rahmen sollen besonders die Gender-Studies und Überlegungen bezüglich Gouvernementalität in einem neoliberalen Kontext und Biopower im 21. Jahrhundert liefern. Jedoch sollen Fragen, wie Rollenbilder im Diskurs zur Familienplanung dargestellt werden, ergänzt werden durch Fragen nach nationalistischen und Klassen-Ideologien, die diesen Diskurs durchziehen. Basierend auf der Analyse einschlägiger Quellen im medialen und politischen Bereich, wie z. B. Maßnahmenpakete zur Bekämpfung der niedrigen Geburtenrate oder Magazine und Artikel, die sich mit Fragen zur Familienplanung auseinandersetzen, sowie von qualitativen Interviews mit Vertretern von am Diskurs beteiligten Interessensgruppen, werden nicht nur direkte und indirekte politische pronatalistische Maßnahmen, sondern auch die Positionen und Aktivitäten von NPOs und Bürgergruppen als auch die Rolle von Medien und Wirtschaft in die Überlegungen und die Vernetzungen dieser Akteure miteinbezogen.

Das Projekt sieht nicht vor, Japan als „Spezialfall“ zu betrachten, als vielmehr am Beispiel Japans neoliberale Strategien der Biopolitik, in diesem Fall des Pronatalismus im 21. Jahrhundert, in denen weniger der nationale Rahmen als vielmehr das eigenverantwortlich handelnde Individuum in den Vordergrund gerückt wird, exemplarisch darzustellen und zu analysieren.

Biographie

Bachelor-Studium im Hauptfach Japanologie an der Humboldt-Universität zu Berlin und an der Universität Zürich. Nach 10-monatigem Studienaufenthalt an der Fremdsprachenuniversität Osaka, 2011 Bachelor-Abschluss in Zürich. Danach Wechsel an die Fremdsprachenuniversität Tokyo, Abschluss Master 2014 im Bereich Area Studies mit Schwerpunkt Gender und Gesellschaft im heutigen Japan (Thema: „Gender, Sexualität und Verhütung in Japan“). Seit April 2014 Doktorandin an der Fremdsprachenuniversität Tokyo im PhD-Programm Global Studies. HS 2015 Gastdoktorandin an der Universität Zürich.