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An den Zürcher Seminaren Küsnacht, Unterstrass und der Höheren Töchterschule wirkten zwischen 1900 und 1950 zahlreiche Hauswarte und Hausmütter in vergleichbarer und doch diverser Arbeits- und Lebenspraxis. Ihre Untersuchung erlaubt neue Einblicke in vergangene Schulkulturen. Durch ihr individuelles und allgemeines, praktisches und diskursives Handeln bringen diese kaum erforschten Akteur:innen zum Ausdruck, wie der physische Raum und die darin Anwesenden in der Verwobenheit des täglichen Geschehens Schule als bedeutungsvolle gesellschaftliche Organisation formierten.
Die Aufgaben der Hauswarte und Hausmütter umfassten die Regulierung des Zugangs und Takts sowie die Reinigung, Heizung, Beleuchtung und Wartung der Schulanlagen. Ausserdem beaufsichtigten, betreuten und verpflegten sie die Schüler:innen und unterstützten die Lehrer:innen. Omnipräsenz und eine tiefe persönliche Involviertheit ins örtliche Sozialgefüge zeichneten sie aus. Als Verkörperung programmatischer Werte und des Hidden Curriculums wirkten Hauswarte und Hausmütter pädagogisch. Die Studie erzählt zuweilen persönliche Geschichten, zeigt aber vor allem, wie sich gesellschaftliche, häusliche und pädagogische Ordnungen im Schulalltag verknüpften.
Die Entscheidung darüber, ob ein Kind die Volksschule besuchen kann oder in einer besonderen Schule unterrichtet werden muss, ist ein umstrittener Vorgang. Ab Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Umgang mit »schwachsinnigen« Kindern anhand eines sogenannten Aufschreibesystems – Beobachtungsbögen, ärztliche Untersuchungen, IQ-Tests, Gutachten – dokumentiert und organisiert. Bis heute nimmt diese Praxis eine Schlüsselfunktion bei der Entscheidung über den schulischen Verbleib der Kinder ein. Jona Tomke Garz untersucht in seiner interdisziplinär angelegten historischen Studie das sonderpädagogische Aufschreibesystem am Beispiel Berlin mit Fokus auf die damit verbundenen Wissenspraktiken. Dabei zeigt er auf, welche Bedeutung das Beobachten, Schreiben und Verarbeiten für die Formation des Wissens über »Schwachsinn« hat – gerade im Hinblick auf die Institutionalisierung und Professionalisierung der »Schwachsinnigenpädagogik«.
Das Seminar Unterstrass, ein privates Lehrerseminar im Kanton Zürich, stand in seiner über 150-jährigen Geschichte wegen grundlegender Veränderungen im Lehrerbildungssystem mehrfach vor grossen Herausforderungen. Die vorliegende historische Analyse konzentriert sich auf drei Brennpunkte: die Gründungsphase um 1870, die 1930er-Jahre, als im Kanton Zürich eine Tertiarisierung der Lehrer*innenbildung und damit eine Trennung von Allgemein- und Berufsbildung angestrebt wurde, und die 1990er-Jahre, als die schweizerischen Lehrerseminare in pädagogische Hochschulen überführt wurden.
Als private, christliche Lehrer*innenbildungsstätte bewegte sich das Seminar Unterstrass im Kontext bildungspolitischer Einflüsse, kirchlicher Ansprüche und finanzieller Herausforderungen. Die Bildungspolitik definierte die Rahmenbedingungen für private Bildungsinstitutionen, die christliche Gemeinschaft bot finanzielle und personelle Unterstützung. Daneben bestand eine der Hauptsorgen darin, genügend Seminarist*innen aufnehmen und so den Schulbetrieb finanzieren zu können. Der Direktor und der Vorstand des Seminars wandten verschiedene Strategien an, um die Probleme zu bewältigen. Neben Anpassungen im Schulprofil, etwa bei den Aufnahmekriterien oder der religiösen Ausrichtung, gehörten dazu vielfältige Formen des Lobbyings.
Sind Jugendliche nach ihrer Schulzeit hinreichend auf die kommenden gesellschaftlichen Herausforderungen vorbereitet? Ist es an der Zeit, bestimmte Inhalte zugunsten anderer aus den Lehrplänen zu streichen? Und wer soll nach welchen Kriterien die neuen Lehrpläne entwickeln? Ab 1968 widmete sich die Curriculumforschung solchen Fragen und wurde zum prominenten Thema in Diskussionen von Erziehungswissenschaft, Bildungspolitik und Bildungspraxis.
Lukas Höhener legt eine Analyse von lehrplanbezogenen Entwicklungen in der Schweiz zwischen 1968 und 1986 vor. Die umtriebigen, umsichtig geplanten Aktivitäten der von Karl Frey gegründeten Freiburger Arbeitsgruppe für Lehrplanforschung bilden den Ausgangspunkt, um Veränderungen in der Produktion von pädagogischem Wissen an Universitäten, aber auch in der Diffusion und Rezeption von Wissen in Bildungspolitik, -verwaltung und -praxis zu erläutern. So werden Entwicklungen in der Curriculumforschung, Praxisversuche mit Lernzielen in der Unterrichtsvorbereitung und die umfassenden Lehrplanreformen in den 1980er-Jahren in einen Zusammenhang gebracht. Historische Netzwerkanalysen machen zudem die Verflechtungen von Personen aus Forschung und Politik in Gremien und Kommissionen sichtbar. Sie fordern dazu auf, das Bedürfnis der Politik nach Expertise und Beratung als Folge von Reformdruck zu thematisieren. Zugleich geben sie Anlass zur Frage nach den Rückwirkungen politischer Interessen auf die thematische Ausrichtung der pädagogischen Forschung.
Die Diskussion um die Betreuung von Schulkindern wird oft ahistorisch geführt. Doch erste Horte zur Betreuung, Erziehung und Bildung von Kindern gab es in der Schweiz bereits in den 1880er-Jahren. Diese pädagogischen Einrichtungen hatten zunächst den Anspruch, Schule und Familie zu ergänzen, nahmen aber bald fürsorgerischen Charakter an. Wie sie sich durchzusetzen begannen und welchen Wandlungen sie unterworfen waren, beleuchtet der vorliegende Band.
Winterthur, Zürich und St. Gallen waren die ersten Städte in der Deutschschweiz, wo Horte für Schulkinder eingerichtet wurden. Entstanden als private Einrichtungen, gingen die Horte Mitte des 20. Jahrhunderts an die örtlichen Schulgemeinden über. In den Horten sollten vermeintlich gefährdete Kinder in der Zeit zwischen dem Unterrichtsende und dem Arbeitsschluss der Eltern beaufsichtigt und erzogen werden. Das damit verbundene pädagogische Handeln, die Ausbildung der Kinderhortleiterinnen und -leiter und die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure mussten erst erarbeitet werden. Die Prozesse der Institutionalisierung verliefen in den Städten unterschiedlich. Die Untersuchung geht ihnen von der Zeit der Gründung bis zur Kommunalisierung der Horte nach und wirft einen neuen Blick auf aktuelle Diskussionen um Betreuungsangebote für Schulkinder.
In vielen Ländern werden standardisierte Tests eingesetzt, um die Leistungen der Schülerinnen und Schüler an festgelegten Standards zu messen. International vergleichende Leistungsmessungen wie PISA haben diese Entwicklung angestossen und vorangetrieben. Während die Schweiz 2015 noch als Land ohne nationales Testsystem hervorstach, fügt sie sich heute in die Reihe der Länder mit solchen Tests ein. Ist die Schweiz damit Teil eines entstehenden globalen Bildungswesens geworden?
In dieser Studie wird die Schweizer Bildungsstandardisierung in die Geschichte des Schweizer Bildungswesens eingeordnet. In drei Zeiträumen werden Projekte betrachtet, in denen schweizerische und internationale Akteure zusammenarbeiteten und zur Standardisierung beitrugen: die statistischen Bildungsindikatoren Ende der 1980er-Jahre, die erste PISA-Studie im Jahr 2000 und das Schweizer Bildungsmonitoring ab 2009. Als Akteure stehen das Bundesamt für Statistik, die Schweizerische Konferenz der Kantonalen Erziehungsdirektoren und die OECD im Mittelpunkt.
Die Studie leistet einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der jüngeren Veränderungen im Schweizer Bildungswesen und bearbeitet bislang kaum erschlossene Quellen. In theoretischer Hinsicht geht sie über den bereits erforschten Einfluss internationaler auf nationale Geschehnisse hinaus und betrachtet Bildungsstandardisierung als «travelling policy». So lässt sich internationale Bildungsgeschichte als Teil der Schweizer Bildungsgeschichte und Schweizer Bildungsgeschichte als Teil der internationalen Bildungsgeschichte auffassen.
Die Festschrift zu Ehren von Prof. Dr. Lucien Criblez anlässlich seines 60. Geburtstags verbindet theoretische und empirische Reflexionen über die Beschaffenheit von Schul- und Bildungsreformen und versucht, grundlegende, überdauernde, institutionelle und prozedurale Merkmale von und erklärende Faktoren hinter solchen Reformen herauszuarbeiten. Auf der Basis historischer und aktueller Analysen werden Fragen nach der theoretischen Fassbarkeit von Bildungs- und Schulreformen gestellt und Antworten in Richtung einer Theorie der Bildungs- und Schulreform skizziert.
Politik braucht Fakten. Für das zuverlässige Navigieren in der Bildungspolitik ist der geübte Blick auf Daten, Tabellen und Zahlen nach wie vor von hohem Wert. Die Studie widmet sich der Genese und dem Ausbau von Datenerhebungspraktiken in städtischen Schulen der Schweiz seit dem späten 19. Jahrhundert.
Statistik wird als Mittel der politischen Kommunikation untersucht, das nicht nur durch die erhobenen Resultate, sondern durch die Praktiken der Erhebung, der Dissemination und Verwendung von Daten als machtvolle Einflussnahme in politischen Aushandlungsprozessen zu verstehen ist. Die Praktiken der Datenerhebung veränderten die Vorstellungen von der Schule, und sie blieben dabei nicht unberührt vom pädagogischen Kontext, in dem sie initiiert, durchgeführt und verwendet wurden.
Verwalten und regieren verändern sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum Teil grundlegend. Damit verbunden sind sowohl neue Erwartungen gegenüber dem Staat als auch die Transformation staatlicher Aufgaben. Während das politische Mehrebenensystem zunächst noch stabil ist, äussert sich eine gesellschaftliche und kulturelle Reformbereitschaft, die gerade das Verwaltungshandeln nachhaltig prägt.
Der Sammelband «Staatlichkeit im Wandel», herausgegeben von Lucien Criblez, Christina Rothen, Thomas Ruoss handelt von der strukturbildenden Wirkung von Subventionen, von der «Verbetriebswirtschaftlichung» semistaatlicher Aufgabenbereiche sowie von der Wissenschaftspolitik und den Auswirkungen wissenschaftlicher Expertise auf Verwaltung und Politik. Die Beiträge beleuchten darüber hinaus Transformationen in der Bildungspolitik sowie in der Jugend-, der Wirtschafts-, der Migrations- und in der Gesundheitspolitik.
Die Lehrerinnen- und Lehrerbildung hat sich durch die vollständige Integration in den Hochschulbereich seit den 1990er-Jahren grundlegend verändert. An sieben Fallbeispielen – Aargau, Bern, Freiburg, Genf, St. Gallen, Zug und Zürich – und auf der interkantonalen Ebene rekonstruiert der von Lucien Criblez, Lukas Lehmann und Christina Huber herausgegebene Band die Lehrerbildungspolitik für diesen Zeitraum.
Im Zentrum der Analysen stehen die interkantonale und die jeweilige kantonale Lehrerbildungspolitik sowie die wesentlichen Veränderungen der Lehrerbildungsinstitutionen. Die Beiträge thematisieren die Reform der Lehrerinnen- und Lehrerbildung aus einer Makro- und Mesoperspektive. Die Resultate weisen deutlich auf gemeinsame Entwicklungstendenzen hin: Dank der Normen und Prozesse einer gesamtschweizerischen Diplomanerkennung ist eine überkantonale Politik der Lehrerinnen- und Lehrerbildung entstanden. Die vormals sehr zersplitterte Lehrerinnen- und Lehrerbildung ist heute einheitlicher organisiert als vor der Reform. Anderseits weisen die Analysen auch auf eine grosse Varianz und viele regionale Besonderheiten der pädagogischen Hochschulen hin – dies sowohl hinsichtlich der meist nach wie vor kantonalen Reformprozesse als auch hinsichtlich des Ergebnisses der Reform. Und dennoch ist die neue Lehrerinnen- und Lehrerbildung nicht mehr einfach auf die je kantonalen Schulstrukturen und Lehrpläne ausgerichtet. Zwar orientieren sich die pädagogischen Hochschulen immer noch stark am Schulfeld, sind aber neu auch Teil einer an Wissenschaft und Forschung ausgerichteten Hochschullandschaft. Sie haben sich auf diese neuen Herausforderungen einstellen müssen.
Schriftenreihe Historische Bildungsforschung und Bildungspolitikanalyse (HBB)
Die Schriftenreihe HBB wird vom Lehrstuhl HBS des Instituts für Erziehungswissenschaft der Universität Zürich geführt. Sie dient der Veröffentlichung von Arbeiten wissenschaftlicher Mitarbeitender des Lehrstuhls, von hervorragenden studentischen Qualifikationsarbeiten sowie weiterer kürzerer Analysen im Bereich der historischen Bildungsforschung und der Bildungspolitikanalyse.
Sämtliche Beiträge werden in ZORA, dem offenen Repositorium der Universität, publiziert sowie über den Blog des Lehrstuhls angezeigt.
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Inventarisierung der Höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschule, HWV 1968–1999
Von Jennifer Mazzarella, 3. November 2022 Im Rahmen des Projekts «Bildung in Zahlen» ist weiterer einmaliger Datensatz in Bearbeitung, der die historische Entwicklung der Schweizer Höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschulen, HWV aufzeigt. Dies Bedarf noch immer einer grossen Rechercheleistung in diversen Archiven, wie Staats- oder Stadtarchiven, Kantonsbibliotheken, Archiven diverser Universitäten sowie Literatur- und Internetrecherchen wie auch [...] -
Das Technikum Burgdorf, 1892–1980/81
Von Chinenye Deplazes, 7. Oktober 2022 Im Rahmen eines Forschungspraktikums im Projekt «Bildung in Zahlen», das am Lehrstuhl «Historische Bildungsforschung und Steuerung des Bildungssystems» von Lucien Criblez angesiedelt ist, durfte ich bei der Erfassung historischer Statistiken des Technikums Burgdorf im Kanton Bern mitarbeiten. Meine Aufgabe war es, Quellen zu erschliessen beziehungsweise zu scannen und die [...] -
Neuer Beitrag aus der Schriftenreihe «Historische Bildungsforschung und Bildungspolitikanalyse (HBB)»
Seit 2014 gibt der Lehrstuhl für Historische Bildungsforschung und Steuerung des Bildungssystems (HBS) der Universität Zürich eine Schriftenreihe mit Analysen zur Bildungsgeschichte und Bildungspolitik heraus. In der soeben erschienenen, achten Nummer rekonstruiert Kirstin Jäggi-Jorns am Beispiel der Bildung für Nachhaltige Entwicklung für die Schweiz, wie sich nationale Identität in Lehrplänen diskursiv konstruiert. Die im Frühjahrssemester [...] -
Neuerscheinung: „Zwischen Anstalt und Schule. Eine Wissensgeschichte der Erziehung »schwachsinniger« Kinder in Berlin, 1845–1914“
In seiner soeben erschienenen Dissertation „Zwischen Anstalt und Schule. Eine Wissensgeschichte der Erziehung »schwachsinniger« Kinder in Berlin, 1845–1914“ beschäftigt sich Jona Tomke Garz mit den Zuweisungsroutinen und dem damit verbundenen Wissen im Rahmen der Sonderbeschulung von Kindern im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert. Die Publikation ist im transcript Verlag erschienen und kann sowohl als [...] -
Publikation der inventarisierten Bundesstatistiken über die Tätigkeit der Berufsberatungsstellen (1933–1993/94)
Von Jennifer Mazzarella, 23. März 2022 Liebe Forschungslandschaft, endlich ist es soweit und es darf gefeiert werden! Mit 17 historisch aufbereiteten Tabellen, einer Begleitdokumentation und einem graphischen Inhaltsverzeichnis befinden sich nun die inventarisierten Statistiken des Bundesamts für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) über die Tätigkeit der Berufsberatungsstellen zur Einsicht und Nutzung auf dem Datenbrowser des [...] -
Technikum Burgdorf: die erste kantonale Gewerbefachschule im Kanton Bern
Von Wibke Oppermann, 11. Februar 2022 Im Rahmen eines Forschungspraktikums erhielt ich Einblicke ins SNF-Infrastrukturprojekt «Bildung in Zahlen». Dieses Projekt befasst sich mit der Inventarisierung historischer bildungsstatistischer Daten. Meine Aufgabe sollte es sein, bei der Datenaufbereitung im Bereich der höheren technischen Schulen mitzuhelfen. Konkret befasste ich mich mit dem Technikum in Burgdorf, der ersten kantonalen [...] -
Inventarisierung der Bundesstatistik über die Berufsberatung und Lehrstellenvermittlung (1933–1988) II
Von Jennifer Mazzarella, 4. November 2021 Fast genau vor einem Jahr wurde an dieser Stelle über die Inventarisierung der Bundesstatistik über die Berufsberatung und Lehrstellenvermittlung berichtet. Wie angekündigt, stand die im Rahmen des SNF-Infrastruktuprojekts «Bildung in Zahlen» die Inventarisierung der Daten im Vordergrund als auch die Schaffung einer Produktidee, die den Bestand der Statistiken über [...]