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Kunsthistorisches Institut

The Art of the Display

Teilprojekt des NCCR Mediality

Fragestellung

Das Modul The Art of the Display setzt sich zum Ziel, den grundlegenden Zeige- und Schaucharakter von Kunst und Architektur historisch und in ihrem Wechselverhältnis zu erkunden. Das Display ist eine Kulturtechnik des Zeigens und Ausstellens, die für die Visualität von Kunst und Architektur und damit für sie selbst konstitutiv ist und die den unterschiedlichen sakralen und profanen Praktiken und Institutionen vorangeht. Einerseits entwickeln Kunst und Architektur sich historisch wandelnde, selbstreflexive Strategien der je eigenen, medial spezifischen Sichtbarmachung und Ostentation. Andererseits verweisen Kunst und Architektur im Ausstellen aber auch über sich hinaus und verleihen einander Sichtbarkeit und Präsenz. Das Spannungsfeld, die gegenseitige Abhängigkeit und Potenzierung zwischen dem raumgreifenden, ausgestellten Kunstwerk und der bildhaften, zeigenden Architektur schärft den Blick für ästhetische Phänomene, die im Zwischenraum zwischen den Medien stattfinden. Damit trägt das Modul zu einem räumlichen und multimedialen Verständnis der Ostentation bei.

Forschungskontext

Im Rahmen des Projekts sollen Bild- und Architekturmotive sowie Ausstellungsdispositive und Kontexte analysiert werden, um punktuell zur Rekonstruktion eines historischen, das heisst ästhetischen, wissenschaftlichen, sozialen und politischen Diskurses der Ostentation beizutragen (vgl. Grasskamp 1981, Pomian 1988, Hochreiter 1994, Perry u. a. 1999, Sheehan 2000, Haxthausen 2002, Gamboni 2005). Dadurch, dass diese Dispositive und Gesten das Gezeigte präsentieren und konstituieren, dienen sie als Medien der Sinnproduktion. Die kunsthistorische und bildtheoretische Forschung hat sich in jüngerer Zeit vermehrt dem medialen Charakter des Displays zugewandt. Neben den bildsemiotischen, linguistischen und rhetorischen Kategorien (vgl. Wenzel/Jäger 2008, Boehm u. a. 2010) soll hier auch die Ausstellung als paradigmatisches Dispositiv des Zeigens in den Blick genommen werden (Bätschmann 1997, Staniszewski 1998, Cooke/Wollen 1998, Huber u. a. 2002, Noordegraaf 2004, Savoy 2006, John u. a. 2008, Klonk 2009). Visuelle Ostentation – bezogen auf die Ausstellung ebenso wie auf das einzelne Anschauungsobjekt – beruht massgeblich auf räumlichen und architektonischen Figuren des Zeigens und Verbergens, der Betrachterlenkung und des Herstellens von Bezügen durch räumliche Verweissysteme. In der Ausstellung übernimmt das räumliche Dispositiv selbst die Rolle und Funktion des Zeigemediums, es partizipiert wesentlich an der ästhetischen Erscheinung der Objekte, was in der zeitgenössischen kuratorischen Praxis reflektiert wird (Fibicher 1995, Greenberg u. a. 1996, Haacke 1999, Ecker u. a. 2001, Locher 2002, McClellan 2003, 2008). Das Display konstituiert aber auch Ordnung und daher komparatives Wissen, im Fall der frühneuzeitlichen Kunstkammer wie des modernen Museums (Elsner/Cardinal 1994, Bredekamp 1993, Walz/König-Lein 2000, Heesen/Spary 2001, Solkin 2001, Bayard 2007, Gaehtgens/Marchesano 2011). Im Akt der Zurschaustellung schwanken Ausstellungsdispositive historisch zwischen schmuckreicher Aufwertung und Selbstverbergung und weisen verschiedene Formen des Zeigens auf. Sie bleiben jedoch grundsätzlich wertend und können als eine Aussage über den ästhetischen Wert und Kunstcharakter der Gegenstände gelesen werden. Ziel des Projekts ist es daher, visuelle Ostentation besonders auf ihre Räumlichkeit hin zu untersuchen und die verschiedenen Formen räumlichen Displays auf ihre ästhetische Wirksamkeit einerseits und auf ihre historische Bedingtheit hin andrerseits zu beleuchten. Weil das Rahmenmotiv Fläche und Tiefe erzeugt und als Parergon die Illusion stört (Ortega y Gasset 1943, Derrida 1978, Duro 1994), sollen auch Zeigedispositive und Rahmen- und Schwellenmotive untersucht werden, wo sie eine mise en abyme der Rahmung und einen Selbstkommentar des Zeigens vollziehen. Das Augenmerk liegt in allen Fällen auf der bildrhetorischen und räumlich-architektonischen Performanz und Dynamik, auf den Akt des Zeigens, der sich in denjenigen des Schauens überträgt. Dies soll dazu beitragen, visuelle Ostentation auf ihre räumlichen Bedingungen hin zu untersuchen und zugleich letztere in ihrer medialen Verfasstheit zu .

Teilprojekt 1: Nadine Helm

Das erste Teilprojekt zur Ausstellung des frühen 20. Jahrhunderts besteht in einer geplanten, vom NFS Mediality geförderten Dissertation von Nadine Helm (derzeit Graduate Center, City University of New York) mit dem Arbeitstitel: Sehen und Erleben – Zur Bildlichkeit von Ausstellungsarchitekturen im frühen 20. Jahrhundert. Um 1900 wird das Museum als Medium nationaler Identitätsstiftung zum Feld grundlegender Reformschübe (Klonk 2009). Zugleich nimmt die Bedeutung multisensorischer Gegenstandserfahrung durch den Ausstellungsbesucher zu (Staniszewski 1998). Die passive Rezeption wird in eine aktive Teilhabe an der Produktion von Wissen und an der Neuordnung der Gesellschaft transformiert. Dies wird in den Zwischenkriegsjahren zum Merkmal der avantgardistischen Ausstellungsarchitektur in Europa und den USA. Die Ausstellung als Schnittstelle zwischen Kunst und Architektur sowie die Beiträge von Künstlern, Architekten und Kuratoren wie El Lissitzky, Ludwig Mies van der Rohe, Friedrich Kiesler, Herbert Bayer und Alexander Dorner stehen im Mittelpunkt des Projekts, das die ostentative Funktion von Ausstellungsarchitektur in medialer Perspektive untersucht. Dabei rückt insbesondere die Frage in den Blick, wie der architektonisch gestaltete Ausstellungsraum als Dispositiv der Ostentation der präsentierten Objekte funktioniert und wie darüber hinaus der Betrachter adressiert und zu einer aktiven Teilnahme und Sinnkonstitution aufgefordert wird. Einerseits werden Erkenntnisse zur Ausstellung als Medium und Kulturtechnik der Ostentation im frühen 20. Jahrhundert erwartet, dessen Beschreibung und Theoretisierung im Spiegel kulturindustrieller Ansätze (Horkheimer/Adorno 2000, Debord 1995) und wahrnehmungspsychologischer Studien (Arnheim 1954) die oben benannten Reformbewegungen präziser verortet und den bisherigen Forschungsstand erweitert. Andererseits sollen raumtheoretische Konzepte der Geschichte und Theorie der Architektur mit Überlegungen, die der kunstgeschichtlichen Methodologie verpflichtet sind, in einen produktiven Dialog gebracht werden. Im Rahmen des Moduls trägt die Dissertation dazu bei, die Geschichte des Ausstellens im frühen 20. Jahrhundert in eine Geschichte des Zeigens und des teilnehmenden Experimentierens mit Architektur und Raum zu betrachten.

Teilprojekt 2: Daphne Jung

Das zweite Teilprojekt widmet sich den Gemälden des lothringischen Malers Georges de La Tour (1593-1652). Bisher hat sich die kunsthistorische Forschung vergleichsweise wenig um seine Bilder gekümmert: zu unkategorisierbar sind ihre ästhetischen Eigenheiten, zu ungewiss ihr historischer Rahmen – nur zwei Gemälde lassen sich beispielsweise gesichert datieren, viele sind verloren, und auch zu den künstlerischen Wechselbeziehungen, den Auftraggebern, Sammlern und dem weiteren sozialen Umfeld des Malers ist wenig bekannt. Um La Tours Gemälden aus ihrem isolierten Status zu verhelfen, soll jener historischen Kontext in den Blick genommen werden, in dem sie seinerzeit ausgestellt waren, nämlich das Display mobiler Sammlungen des 17. Jahrhunderts (Feigenbaum 2014, Strunck 2010). Die frühneuzeitliche Gemäldesammlung als Bilderwand folgt dabei bestimmten Prinzipien der Auswahl und Zusammenstellung, die spezifisch für die Rezeptionshaltung ihrer Zeit sind (Ganz 2010, Stoichita 1998). Unter anderem haben ihre Ordnungsmuster das vergleichende Sehen als Modus der Kritik maßgeblich hervorgebracht, und somit einen kunsthistorischen Diskurs, der die Ausdifferenzierung der Gattungen, historische und topographische Semantisierungen, sowie Reflexionen über Autorschaft und Stil wesentlich beförderte (Thürlemann 2013). La Tours Gemälde in diesem Kontext zu betrachten, eröffnet neue Freiheiten hinsichtlich möglicher Vergleichsbeispiele: so ist es historisch durchaus legitim und gewinnbringend, seine Gemälde mit Stillleben und Landschaftsmalereien aus einem gesamteuropäischen Kontext zu vergleichen, ja sogar mit antiken Skulpturen und exotischem Geschirr, wie es sich in den Inventaren seiner Sammler findet, sowie ihre Rahmung, die Wandbespannung und die räumliche Situierung der Bilder mitzubedenken. Angesichts der Einbettung von La Tours Gemälden in die plurale Bilderwand wird zudem deutlich, dass seine Eremiten und meditierenden Heiligen immer schon mit einer Masse anderer Bilder sozialisiert waren und den Versuch, sich als möglichst 'gute Nachbarn' zu erweisen, auch auf poetologischer Ebene reflektieren.

Leitung

Prof. Dr. Martino Stierli

Prof. Dr. Tristan Weddigen

Weiterführende Informationen

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