26. April 1968

Drei SDS-Mitglieder reden vor Zürcher Studierenden

Die Fortschrittliche Studentenschaft Zürich führt im Sommersemester 1968 ein Seminar "Hochschule und Gesellschaft" durch, das sich den aktuellen Hochschulfragen widmet. In einer Pressekonferenz vom 9. April formuliert die FSZ das Ziel der Veranstaltungsreihe folgendermassen: "In diesem Seminar wird auf der Basis von wissenschaftlichen Analysen versucht, das bestehende Unbehagen der Studenten zu artikulieren, um so eine neue Struktur der Universität zu erhalten."
Um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Veranstaltung zu lenken, ist geplant, dass Rudi Dutschke mit einem Vortrag das Seminar eröffnet und über die Politik des anarchischen Flügels im SDS und die Rolle der Hochschule bei der Umwälzung der Gesellschaft spricht. Aufgrund des am 11. April auf Dutschke verübten Attentates kann die Rede jedoch nicht gehalten werden. Alternativ werden drei andere SDS-Mitglieder eingeladen, die am 24. April von der Polizeidirektion des Kantons Zürich eine offizielle Redeerlaubnis erhalten. Die neuen Vortragsthemen der SDS-Vertreter sind "Hochschulreform und Hochschulrevolte" (Bernhard Achterberg), "Intelligenz und Revolution" (Gaston Salvatore) und "der SDS als Teil der ausserparlamentarischen Opposition" (Günter Amendt).
Wegen grossem Andrang findet die Veranstaltung mit Erlaubnis des Regierungsrates Bürgi im Lichthof der Universität Zürich statt. Der Tages-Anzeiger spricht vom ersten legalen Go-in in der Geschichte der Universität Zürich. Nach der eigentlichen Veranstaltung wird die Diskussion am Limmat-Ufer mit Hilfe von Megaphonen fortgesetzt.

Übrigens: Die FSZ sendet am Tag nach dem Attentat auf Rudi Dutschke ein Telegramm an den SDS und bekundet darin ihre Solidarität: "Wir erklären uns mit euch solidarisch in eurem Kampf gegen eine Gesellschaftsform, deren unmenschliche Ideologie ein Attentat auf Rudi Dutschke möglich macht."

Beteiligte: FSZ, Redner des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes SDS: Günter Amendt (Frankfurt), Bernhard Achterberg (Kiel), Gaston Salvatore (Berlin), inoffizielle Redner: Thomas Held (FSZ) und Roland Hammer (Vertreter des Forum Politicum Bern), ca. 1000 Zuhörer.
Quellen: Basler Nachrichten vom 29.4.68; Manuskript "Einleitung zur Pressekonferenz vom 9. April 1968" (SSA, 335/41c, Mappe 2); Landbote vom 29.4.68; National-Zeitung vom 25.4.68 und 29.4.68; Neue Presse vom 27.4.68; Neue Zürcher Nachrichten vom 16.4.68, 26.4.68 und 29.4.68; NZZ vom 29.4.68; St. Galler Tagblatt vom 21.4.68 und 29.4.68; Tages-Anzeiger vom 13.4.68, 25.4.68 und 27.4.68; Vaterland vom 29.4.68; Volksrecht vom 26.4.68; Die Welt vom 29.4.68; Zürcher Woche vom 3.5.68; Züri-Leu vom 2.5.68.
27. April 1968

Grosskundgebung gegen den Vietnamkrieg

Demonstranten verbrennen am Limmat-Ufer eine Vietcong-Puppe mit Napalm und marschieren danach mit Vietcong-Fahnen, Bildern und Spruchbändern (z.B. "Dow verbrennt Kinder") zum europäischen Sitz der Dow Chemical Company, dem Hauptproduzenten von Napalm, wo sie die symbolische Leiche niederlegen.
Ziel der Grosskundgebung sei, die Medien, die bisher zu diesen Themen geschwiegen haben, zur Berichterstattung zu zwingen.

Beteiligte: Mitglieder der Jungen Sektion der Partei der Arbeit (PdA) sowie der "Aktion gegen Kriegsverbrechen", ca. 50 Polizisten, ca. 400 Zuschauer.
Quellen: A-Z Basel vom 1.4.68; National-Zeitung vom 29.4.68; NZZ vom 1.4.68; Tages-Anzeiger vom 29.4.68.
14. Mai 1968

Solidaritätskundgebungen mit den französischen Studierenden

Nachdem in Frankreich in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai die Studentenunruhen eskaliert sind, bezeugen Studierende in Genf, Lausanne und La Chaux-de-Fonds mit Demonstrationen ihre Solidarität mit ihren französischen Kommilitonen.

Beteiligte: Studierende.
Quellen: Häsler, Alfred A. (1976): Das Ende der Revolte. Aufbruch der Jugend 1968 und die Jahre danach. Zürich, S. 68f; NZZ vom 14.5.68; Die Tat vom 15.5.68.
27. Mai 1968

Fackelzug der Zürcher Studierenden – mit Störaktionen der FSZ

Der Kleine Studentenrat (KStR) ruft im Vorfeld des Dies academicus alle Studierenden zur Teilnahme auf und stilisiert den traditionellen Fackelumzug, der am 29.4. wegen Regen um einen Monat verschoben werden musste, zu einem Zeichen der friedlichen Konfliktbeilegung. Nicht zuletzt, da unterdessen in Frankreich die Studentenunruhen eskaliert sind. Auch die Liberale Studentenschaft Zürich möchte mit dem Fackelzug ein Signal für eine gewaltlose, demokratische Studienreform setzen. Mit einem Flugblatt appelliert der KStR an die Kommilitonen und Kommilitoninnen: "Hilf vorbeugen, damit bei der nächsten Kreditvorlage, welche die Universität betrifft, nicht mit einem Nein dem Unwillen Luft gemacht wird, indem Du am diesjährigen Fackelzug und Dies academicus teilnimmst."
Die Fortschrittliche Studentenschaft Zürich kündigt alternativ zu dieser traditionellen Stiftungsfeier einen "Anti-Dies" an und möchte den Fackelumzug eher als eine Solidaritätskundgebung für die Pariser Kommilitonen verstanden wissen. Damit möchte sie ein Statement für die "Selbstverwaltung aller am Bildungs- und Forschungsprozess Beteiligten" setzen. Auf Flugblättern propagiert die FSZ einen Tag der Diskussion: "Wir wollen keinen Dies academicus mit Festreden und jovialem Einverständnis, wir wollen einen nüchternen, kritischen Dies, einen Tag der Diskussion, an dem sich die Universität auf ihre Probleme besinnt. Wir fordern alle Studenten, denen es um die Hochschule und nicht um Folklore geht, auf, am Montagabend, wenn die andern marschieren, in der Mensa der ETH zu diskutieren."

Die Mehrzahl der Studierenden marschiert beim Umzug in geschlossenen Gruppen, gefolgt von der FSZ und ihren Anhängern in lockerer Form und mit ihren teils recht humorvoll gedichteten Transparenten. Auf dem Lindenhof angekommen, gibt es einen Tumult unter konservativen und progressiven Studenten. Die Rede eines Studenten und die Gegenrede des Rektors, die vom KStR als Zeichen der Verständigung zwischen den Konfliktpartnern gedacht sind, werden durch zahlreiche Zwischenrufe und das Absingen von Liedern gestört. Das eher global verstandene Angebot des Rektors, mit den Studierenden zu diskutieren, wird von der FSZ so aufgefasst, dass man sofort und an Ort und Stelle die Gespräche führen solle. Die NZZ berichtet jedoch, die Veranstaltung sei auch des schlechten Wetters wegen schleppend verlaufen.

Im Anschluss an den Fackelumzug zieht eine Gruppe von Studierenden zum französischen Konsulat, um dort ihrer Verbundenheit mit den französischen Kommilitonen Ausdruck zu verleihen.

Beteiligte: Studierende und Dozierende der Universität Zürich, FSZ, KStR, LSZ.
Quellen: Flugblatt "Dies – Tag der Festreden. Dies – Tag der Diskussion" (SSA, Ar.201.35, FSZ: Flugblätter); Flugblatt "Liebe Kommilitonin, lieber Kommilitone" (ebenda); NZZ vom 23.5.68, 25.5.68, 28.5.68 und 29.5.68; Tages-Anzeiger vom 28.5.68; Die Tat vom 27.5.68 und 29.5.68; Volksrecht vom 25.5.68 und 29.5.68; Vorwärts vom 30.5.68; Die Weltwoche vom 31.5.68; Zürcher Woche vom 31.5.68.
29. Mai 1968

Motion zur Nutzung des alten Globus-Provisoriums

Otto Baumann reicht im Gemeinderat eine Motion ein, die bezwecken soll, dass die Jugendlichen das Globus-Provisorium bis zu dessen Neuüberbauung nutzen dürfen. Ausserdem regen Robert Bürgisser und Paul Früh in der Versammlung dazu an, den Central in "Platz der Jugend" umzubenennen.

Beteiligte: Otto Baumann und 30 Mitunterzeichner aus verschiedenen politischen Lagern, Gemeinderäte Robert Bürgisser und Paul Früh.
Quellen: Tages-Anzeiger vom 15.6.68; Volksrecht vom 26.6.68.
31. Mai 1968

Jimi-Hendrix-Konzert mit anschliessendem Krawall

Weil die Jugendlichen nach dem Konzert die Halle offenbar zu wenig schnell räumen, stürzen über 100 Polizisten hinein und treiben die Menge mit Knüppeln ins Freie. Es kommt zu Ausschreitungen, die sich zum Teil in die Innenstadt verlagern und bis in die Morgenstunden dauern. Bereits im Vorjahr ist es am 14. April nach dem Konzert der Rolling Stones im Hallenstadion zu einer Schlägerei zwischen Fans und Polizei gekommen. Anders als noch ein Jahr zuvor steht die Polizei diesmal mit bissigen Hunden bereit.

Die Junge Sektion der PdA verteilt beim Konzert das "1. Flugblatt der Antiautoritären Menschen" und hofft damit, die Anliegen der Jugendlichen in eine etwas mehr gesellschaftspolitische Richtung zu lenken.


Beteiligte: Junge Sektion der PdA, Konzertbesucher, Polizei, Hansruedi Jaggi.
Quellen: Häsler, Alfred A. (1976): Das Ende der Revolte. Aufbruch der Jugend 1968 und die Jahre danach. Zürich, S. 27f.
15. Juni 1968

Erste Vollversammlung der Jugendlichen im Globus-Provisorium und Ultimatum an den Stadtrat

Während der ersten Vollversammlung der Jugendlichen im Globus-Provisorium, die auch als symbolische Besetzung betrachtet werden kann, kommt es gemäss dem Stadtrat zu Beschädigungen im und am Gebäude.
In der Nacht vom 15. auf den 16. Juni gründen die Jugendlichen das "Provisorische Aktionskomitee für ein autonomes Jugendzentrum" und beschliessen ein Ultimatum an den Zürcher Stadtrat. Gefordert wird, dass bis zum 1. Juli 1968 eine Räumlichkeit für die Jugendlichen im Stadtzentrum geschaffen wird. Des Weiteren wird verlangt, dass die Jugend bei den Beratungen bezüglich dieses Jugendzentrums ein gleichwertiges Mitbestimmungsrecht hat und dass das Jugendzentrum unabhängig von der Stadt von Jugendlichen selbst verwaltet sein soll. Für die Verhandlungen mit der Stadt ist das eben gegründete Komitee vorgesehen. Im Falle einer Nichterfüllung des Ultimatums drohen die Jugendlichen mit der Besetzung des Globus-Provisoriums.

Beteiligte: Jugendliche, "Aktionskomitee autonomes Jugendzentrum" (darunter auch ein paar Mitglieder der FSZ).
Quellen: Müller, Hans-Peter und Lotmar, Gerold (1972): Der Bunker von Zürich. Jugend zwischen Rückzug und Revolte. Ein Modellfall. Olten, S. 12; NZZ vom 25.6.68; Volksrecht vom 26.6.68.
15. Juni 1968

Protestdemonstration gegen die Stadtpolizei

Im Vorfeld der Kundgebung werden Flugblätter verteilt, die auf Missstände bei der Polizei aufmerksam machen und an den Fall "Meier 19" sowie den harten Polizeieinsatz beim Jimi-Hendrix-Konzert erinnern. Slogans sind z.B. "Unsere liebe Polizei legt ab und zu ein Ei" oder "Lasst Meinungen sprechen und nicht Fäuste". Die FASS plant, im Rahmen der Kundgebung einen Schauprozess zu veranstalten. Auf einem Flugblatt der FASS heisst es dazu: "Das Volkstribunal wird heute Abend zum ersten Mal zusammentreten und dem unbekannten Polizisten den Prozess machen. […] Das Volkstribunal wird die Vergehen des unbekannten Polizisten feststellen, ihre Gründe und Hintergründe aufweisen und versuchen, ein gerechtes Urteil zu fällen. Es wird einen Beitrag liefern zur Klärung des Verhältnisses zwischen Polizei und Passant."
Die Demonstranten ziehen vom Hirschenplatz im Zürcher Niederdorf zur Hauptwache der Stadtpolizei, wo der Schauprozess stattfindet. Die Kundgebung verläuft ruhig, wegen des regnerischen Wetters sind es weniger Teilnehmer als erwartet.

Anschliessend an den Schauprozess versammeln sich die Demonstranten im Globus-Provisorium (siehe Vollversammlung am 15.6.68).

Beteiligte: FASS (Fortschrittliche Arbeiter, Schüler und Studenten), jugendliche Demonstranten.
Quellen: Flugblatt "Anregungen zur Polizeidemonstration" (StArZ, V.L. 132, Globus-Krawalle (Ereignisse Juni 1968)); NZZ vom 17.6.68 und 14.7.68; Flugblatt "Wir machen dem unbekannten Polizisten den Prozess" (SSA, 335/41c, Mappe 3).
22. Juni 1968

Gespräche des Stadtrates mit den Jugendlichen

Der Stadtrat empfängt Vertreter des Vereins Zürcher Jugendhaus, der "Aktion Bahnhofbrugg" sowie anschliessend Delegationen des "Aktionskomitees für ein autonomes Jugendzentrum", der FASS und anderer Jugendgruppen für ausführliche Gespräche. Er versucht, die Anliegen und Ziele der Jugendlichen kennenzulernen und macht deutlich, dass die Überlassung des Globus-Provisoriums aus verschiedenen Gründen nicht möglich sei. Die Stadt hatte im Übrigen Mitte Juni einen Mietvertrag zur Nutzung des Globus-Provisoriums geschlossen. Dem Verein Zürcher Jugendhaus sichert der Stadtrat für den Neubau des Jugendhauses auf dem Drahtschmidliareal tatkräftige Unterstützung zu. Gegenüber den anderen Organisationen zeigt er seinen Willen, die Bereitstellung einer zusätzlichen Begegnungsstätte zu fördern. Anstelle des Globus-Provisoriums bietet der Stadtrat ein Areal an der Hofwiesen-/Wehntalerstrasse an und billigt Hilfe bei der Inbetriebnahme der Räumlichkeiten zu. Während sich die "Aktion Bahnhofbrugg" mit dem Angebot einverstanden erklärt, wird es vom "Aktionskomitee für ein autonomes Jugendzentrum" abgelehnt.

Die Vertreter der Jugendorganisationen opponieren einstimmig gegen ein herkömmliches Jugendhaus-Modell, wie es vom Verein Zürcher Jugendhaus seit dem 1. Oktober 1967 auf dem Drahtschmidliareal betrieben wird. Sie verlangen, so die NZZ, eine geräumige Gaststätte im Zentrum der Stadt, in der Jugendliche im Alter von 20 bis 30 Jahren Gespräche führen und ihre Geselligkeit pflegen können. Es besteht seitens der Jugendlichen zwar die Bereitschaft, an einer neuen Konzeption des Jugendhauses auf dem Drahtschmidliareal mitzuarbeiten, jedoch fordern sie eine sofortige Lösung.
Es wird vereinbart, dass der Stadtpräsident abklärt, ob allenfalls das alte Klubhaus der Migrosschule oder die leeren Stallungen der Kaserne an der Gessnerallee für ein Jugendhaus in Frage kämen. Die nächste Zusammenkunft von Stadtrat und Jugendvertretern wird auf Samstag, den 29. Juni, festgesetzt.

Beteiligte: U. a. Stadtpräsident Dr. Sigmund Widmer, Stadträte Dr. E. Bieri und Dr. A. Ziegler, Gemeinderäte Otto Baumann und Alfred Messerli, Vertreter der "Aktion Bahnhofbrugg" und des Vereins Zürcher Jugendhaus, des "Aktionskomitees für ein autonomes Jugendhaus" sowie der FASS.
Quellen: NZZ vom 24.6.68 und 14.7.68.
24. Juni 1968

Demonstration gegen Kriegsverbrechen und Waffenlieferungen

Gemäss dem Bericht der NZZ demonstrieren etwa 500 Mittelschüler diszipliniert gegen Kriegsverbrechen in Biafra sowie gegen Waffenlieferungen an Nigeria. Die Kundgebung setzt sich um 19 Uhr in Gang und bewegt sich von der Aula der Kantonsschule Freudenberg zum Stadthaus, wo dem Stadtrat Jakob Baur eine an den Stadtpräsidenten adressierte Petition mit Tausenden von Unterschriften überreicht wird. Sie enthält die Bitte, einen Teil des Erlöses aus einem durchgeführten Jugendfest für Biafra zur Verfügung zu stellen.
Anschliessend begeben sich die protestierenden Mittelschüler vor das britische Generalkonsulat, wo eine zweite Petition verlesen wird. In dieser wird die sofortige Einstellung aller Waffenlieferungen an Nigeria gefordert, um dem Krieg ein rasches Ende zu bereiten. Ebenso teilt der Sprecher mit, dass gleichzeitig in Bern dem Botschafter der Sowjetunion eine Petition gegen Waffenlieferungen überreicht wird.

Beteiligte: Ca. 500 Zürcher Mittelschüler, Stadtrat Jakob Baur, Urs Emmenegger (Sekretär der "Aktion Pro Biafra"), der britische Generalkonsul in Zürich, u. a.
Quellen: NZZ vom 25.6.68.
26. Juni 1968

Warnkundgebung vor dem Globus-Provisorium

Mit dem Ziel, nochmals auf die Wünsche und Ansprüche der Jugendlichen aufmerksam zu machen (Forderung nach einem autonomen Jugendhaus), beteiligen sich ca. 150 bis 200 Teilnehmer an einer unbewilligten Warnkundgebung vor dem Globusprovisorium. Die Demonstration führt – mit einem kleinen Sit-in beim Central – durch das Stadtzentrum und blockiert an verschiedenen Stellen den Abendverkehr. Über ein Megaphon wurden die Jugendlichen vor dem Umzug darüber informiert, wie sie sich beim Auftauchen der Polizei zu verhalten haben. Es gilt vor allem, Ruhe zu bewahren und im Falle von Gewaltanwendung seitens der Polizei sich zu zerstreuen.
Mit der Kundgebung soll einerseits bewiesen werden, dass die Jugend hinter dem "Aktionskomitee autonomes Jugendhaus" steht und andererseits für die "Vollversammlung der Zürcher Jugend" am kommenden Samstag geworben werden. In einem Flugblatt heisst es: "Die ganze Stadt soll sehen, dass wir da sind, dass wir immer wieder kommen, bis wir unser eigenes selbständiges Jugendzentrum haben."
Besonderen Anstoss erregte ein Ausruf aus dem Megaphon, dass der Stadtrat, der am folgenden Tag seine Sitzung über die Jugendhausfrage hält, unter psychischen Druck gesetzt werden soll. Ein Sprecher der Nachmieterschaft für das Globus-Provisorium LVZ (Lebensmittelverein Zürich) erklärt anlässlich der Demonstration, dass der LVZ keinen Einspruch erheben werde, sollte die Stadt von dem bereits vereinbarten Mietvertrag zurücktreten.

Der Stadtrat ist sich sicher, dass die Jugendlichen durch die während der Kundgebung entstandene Unruhe und Verkehrsbehinderung bei der Bevölkerung nur Unwillen erregt haben. Es gibt aber auch Meinungen, nach denen die Jugendlichen nun eine mildere Linie eingeschlagen hätten.

Beteiligte: "Aktionskomitee autonomes Jugendzentrum", ca. 150-200 Teilnehmer, ein Sprecher des Lebensmittelvereins Zürich (LVZ).
Quellen: Häsler, Alfred A. (1976): Das Ende der Revolte. Aufbruch der Jugend 1968 und die Jahre danach. Zürich, S. 31f; Neue Zürcher Nachrichten vom 26.6.68 und 27.6.68; NZZ vom 27.6.68, 28.6.68 und 14.7.68; Tages-Anzeiger vom 27.6.68 und 28.6.68; Volksrecht vom 26.6.68; Volksstimme (St. Gallen) vom 27.6.68.
27. Juni 1968

Rückweisung des Ultimatums

Der Stadtrat ist nicht gewillt, auf die Forderung der Organisationen "Aktion autonomes Jugendzentrum" und "FASS" einzugehen, die darin besteht, dass man den Jugendlichen bis am 1. Juli das Globus-Provisorium oder ein gleichwertiges Gebäude im Zentrum der Stadt zur Verfügung stellt. Wie bereits bei den Gesprächen vom 22. Juni verweist der Stadtrat auf das Angebot, das städtische Grundstück bei der Hofwiesen-/Wehntalerstrasse für eine neue Vollversammlung am kommenden Wochenende, sowie als provisorisches Versammlungszentrum, den Jugendlichen zur Verfügung zu stellen. Im Falle einer Besetzung des Globus-Provisoriums am kommenden Samstag wird polizeiliches Einschreiten angedroht. Eine weitere Besprechung mit den Jugendlichen ist nicht vorgesehen. Der Stadtrat begründet die Entscheidung damit, dass es bei der letzten Veranstaltung von Jugendlichen im Globus-Provisorium zu Beschädigungen am Gebäude gekommen sei. Zudem sei diese Veranstaltung nicht zwecks besserer Zusammenarbeit mit der Stadt genutzt worden, sondern um ein Ultimatum zu stellen und die Stadt damit unter Druck zu setzen. Schließlich sei die Ablehnung des Ultimatums eine Reaktion auf die unerlaubt durchgeführte Demonstration der Jugendlichen am Vortag.

Beteiligte: Zürcher Stadtrat, "Aktionskomitee autonomes Jugendzentrum".
Quellen: Häsler, Alfred A. (1976): Das Ende der Revolte. Aufbruch der Jugend 1968 und die Jahre danach. Zürich, S. 32f; NZZ vom 24.6.68, 28.6.68 und 14.7.68; Tages-Anzeiger vom 28.6.68.
28. Juni 1968

Der Verein Zürcher Jugendhaus stellt seine Pläne vor

Anlass der im provisorischen Jugendhaus Drahtschmidli stattfindenden Veranstaltung ist eine Mitteilung des Stadtrates, dass einem Grundstücktausch mit den SBB beim Drahtschmidli nichts mehr im Weg stehe und dass Projekte für einen Neubau eines Jugendhauses am alten Standort vorgelegt werden dürfen. Der Verein Zürcher Jugendhaus weist darauf hin, dass bereits mehrfach Pläne für ein Jugendhaus bei der Stadt eingereicht wurden.

Beteiligte: Der Verein Zürcher Jugendhaus, als Sprecher vor allem: Konrad Amberg (Leiter des Jugendhauses) und C. Curchod (Präsident des Vereins Zürcher Jugendhaus).
Quellen: NZZ vom 30.6.68; Tages-Anzeiger vom 29.6.68; Volksrecht vom 29.6.68.
29. Juni 1968

Eröffnung des autonomen "Zentrum der Jungen Hof 103"

Das von der Stadt anstelle des Globus-Provisoriums bereitgestellte Grundstück an der Hofwiesen-/Wehntalerstrasse wird von einigen Jugendlichen etwas hergerichtet, damit in den folgenden Tagen in den Lagerbaracken über den Neubau des Jugendhauses diskutiert werden kann. In dem eröffneten "Zentrum der Jungen Hof 103" finden sich etwa 200 Jugendliche zusammen.
Die Mehrheit der Zürcher Jugend lehnt diese Einrichtung jedoch aufgrund der peripheren Lage ab und ist deswegen abwesend (vgl. Globuskrawall).

Beteiligte: Stadtrat, ca. 200 Jugendliche.
Quellen: NZZ vom 1.7.68 und 10.7.68.
29./30. Juni und 1. Juli 1968

Globuskrawall


A) Aufrufe, Vorbereitungen und Vorkehrungen

In der Radiosendung Rendez-vous am Mittag vom 27. Juni erklärt Stadtpräsident Widmer, dass der Stadtrat nach wie vor bereit ist, mit den Jugendlichen eine demokratische Lösung für die Jugendhausfrage zu finden. Nichtsdestotrotz werde die Stadtpolizei, so zitiert die NZZ aus der Sendung, mit Korrektheit, Ruhe und Festigkeit für Ordnung in der Innenstadt sorgen und am Wochenende das Globus-Provisorium mit einem Aufgebot vor einer illegalen Besetzung schützen.

Auf Flugblättern werden die Jugendlichen dazu aufgefordert, sich am 29. Juli vor dem Globus-Provisorium zu versammeln und Baumaterialien wie Hammer, Nägel und Bretter mitzubringen. Anstatt der ursprünglich geplanten Besetzung des Globus-Areals wolle man gemeinsam auf der Sechseläutenwiese ein "Altersheim für die Zürcher Jugend" errichten.

Beteiligte: FSZ, Junge Sektion der PdA, "Aktionskomitee autonomes Jugendhaus", Stadtrat, u. a.

Quellen: Neue Presse vom 28.6.68; NZZ vom 28.6.68.



B) Krawallnächte (29./30.6. und 1.7. 1968)

1. Krawallnacht: Heisse Nacht
Die vom "Aktionskomitee Autonomes Jungendhaus" zur Versammlung aufgeforderten Jugendlichen werden um 18.00 Uhr von Polizeikommandant Bertschi, welcher sich zusammen mit Stadtrat Sieber und Adjunkt Hubatka auf dem Balkon des "Du-Nord"-Hauses installiert hat, mehrmals dazu aufgefordert, den Platz vor dem Globus zu räumen. Nach den erfolglosen Aufforderungen werden Hydranten gegen die Demonstrierenden eingesetzt, worauf die Jugendlichen mit Steinen zurückwerfen. Die sich vergrössernde Menschenmasse bewegt sich durch den Limmatquai zum Bellevue, wo die Kundgebung auf dem Sechseläutenplatz stattfinden sollte. Auf dem Weg kommt es zu Zusammenstössen mit Passanten und Besuchern des Volksfestes der "Tessiner-Woche", der Verkehr wird lahm gelegt und die Polizei gerät zwischen zwei Fronten. Am Bellevue, auf der Bahnhofstrasse und dazwischen kommt es zu schweren Ausschreitungen zwischen über 300 Polizisten und ein paar hundert Demonstranten. Die Krawalle dauern bis in die frühen Morgenstunden und fordern schliesslich gut 40 Verletzte (davon fünfzehn Polizisten, sieben Feuerwehrleute und 19 Demonstranten). Rund 169 Personen werden verhaftet.
Während dem Krawall versammelt sich ein kleines Grüppchen von Jugendlichen vor dem von der Stadtverwaltung zur Verfügung gestellten Jugendhaus an der Hofwiesenstrasse und verurteilt das Verhalten ihrer Altersgenossen im Stadtzentrum.

In der Zeitung Vorwärts vom 18.7. ist nachzulesen, dass während der Ausschreitungen im Globus-Keller seitens der Polizei wild geschlagen worden sei, einige Demonstranten mehrmals und bis zur Bewusstlosigkeit. Andere Jugendliche seien ausgezogen worden und in die Geschlechtsteile geschlagen, was von Ärzten bezeugt sei. Dabei sei Dr. Walter Hubatka, Chef der Kriminalpolizei, bei diesen Schlägereien anwesend gewesen. Der Schaden belaufe sich auf ca. 80.000 CHF und nicht auf, wie zuvor behauptet, das Zehnfache. Stadtpräsident Widmer soll gar den Einsatz von Armee-Einheiten erwogen haben.

Beteiligte: Junge Sektion der PdA, FSZ, "Aktionskomitee autonomes Jugendhaus", ca. 2000 Demonstranten, Polizei mit Kommandant Bertschi, Stadtrat Sieber, Adjunkt Hubatka, im Verlauf involviert: Besucher des Volksfestes der "Tessiner-Woche", Passanten, bekannte Namen: Marco Pinkus, Giorgio Frapolli (Ansager des Pop-Monsterkonzerts im Hallestadion), Rainer Gangl (Präsident der FSZ) , Fritz Hirtzel (ehemaliger "Volksrecht"- und "Zürcher Woche"-Journalist), Thomas Held, André Pinkus, Ester Schwarzer, Walter Ermel, Ruedi Bautz, Emilio Modena (Mitglied der PdA), Roland Gertler.

Quellen: Blick vom 1.7.68; Der Bund vom 2.6.68; Häsler, Alfred A. (1976): Das Ende der Revolte. Aufbruch der Jugend 1968 und die Jahre danach. Zürich, S. 35f; Tages-Anzeiger vom 1.7.68; Die Tat vom 1.7.68, 2.7.68; Volksrecht vom 1.7.68; Zürcher Woche vom 5.7.68.


2. Krawallnacht: Der kleinere Krawall
Sonntagabend ziehen Demonstranten vom Globus-Provisorium zur Polizeihauptwache, wo eine Dreierdelegation des "Aktionskomitees autonomes Jugendzentrum" mit einer Petition die Freilassung der Verhafteten fordert. Als die Abgesandten nach einer halben Stunde noch nicht draussen erscheinen, lassen sich die Demonstranten zu einem Sitzstreik auf der Strasse nieder. Um 23 Uhr beginnt jemand mit ausgerissenen Pflanzen, Erde und Steinen die untätigen Polizisten zu bombardieren. Die Ordnungskräfte reagieren mit Wasserstrahlen. Wiederum kommt es zu einem – jedoch kleineren – Krawall, der bis in die Morgenstunden dauert.

Beteiligte: Demonstranten (darunter Max Dätwyler), Mitglieder der "Aktion autonomes Jugendzentrum", Polizei, Schaulustige.

Quellen: A-Z Basel vom 1.7.68; Basler Nachrichten vom 1.7.68; Zürcher Woche vom 5.7.68.


3. Krawallnacht: Ein friedliches Ende
Die Demonstranten versammeln sich am 1. Juli erneut vor dem Globus-Provisorium, beim Bahnhofplatz und auf der Bahnhofbrücke. An der Ecke Bahnhofquai/Bahnhofplatz fordert Polizeikommandant Bertschi die Protestierenden und Zuschauer um 21.10 Uhr auf, sich zu zerstreuen. Im Namen der FASS schlägt ein Jugendlicher den Demonstranten vor, sich um 22.00 Uhr zu einer Diskussion auf dem Lindenhof einzufinden. Ca. 300 Jugendliche folgen dem Vorschlag und versammeln sich dort, um konstruktiv über eine Lösung der Jugendhausfrage zu diskutieren. Die grosse Mehrheit bleibt aber in der Innenstadt zurück. Da die Polizei diesmal darauf bedacht ist, erst einzugreifen, wenn die Ausschreitungen bedrohlich werden, nimmt der Abend ein friedliches Ende.

Beteiligte: Demonstranten, Polizei mit Kommandant Bertschi und Dr. Walter Hubatka, Chef der Kriminalpolizei.

Quellen: NZZ vom 2.7.68 und 3.7.68; Tages-Anzeiger vom 2.7.68; Volksrecht vom 2.7.68.



C) Offizielle Stellungnahmen und Stimmen zum Globuskrawall

Übers Radio richtet Stadtpräsident Dr. Sigmund Widmer am Sonntagnachmittag um 12.50 Uhr das Wort an die Zürcher Bevölkerung. In der Nacht vom 29. auf den 30. Juni hätten Zuschauer, welche lediglich aus Neugier in die Innenstadt drängten, die Arbeit der Polizei erschwert. Er appelliert an alle Zürcher und Besucher der Stadt, Orte solcher Auseinandersetzungen zu meiden und drückt dabei seine Empörung über die Geschehnisse aus.
Während sich vorerst grosse Teile der Bevölkerung hinter den harten Polizeieinsatz stellen – manche bringen sogar Blumen und Geschenke auf die Polizeiwachen – kommen bald nach der "Heissen Nacht" Stimmen auf, dass die Polizei unverhältnismässig brutal und rücksichtslos auf die Demonstranten reagiert hätte. Die Gewaltanwendung der Polizei wird von einigen Seiten als ebenso verwerflich wie jene der Demonstranten betrachtet. Weiter wird auch das Verhalten von Polizeiinspektor Dr. Bertschi sowie die Abwesenheit von Stadtpräsident Widmer kritisiert. In einer Pressekonferenz vom 1. Juli bestreitet Bertschi nicht, dass Festgenommene nachträglich im Innern des Globus-Provisoriums oder in der Hauptwache Schläge bezogen haben. In der Rundschau vom 10. Juli wird ein Interview mit Dr. Fuchs und Dr. Bertschi ausgestrahlt, in dem beide Polizisten jedoch vorgeben, trotz Anwesenheit im Globuskeller nichts von den Gewalttaten der Kollegen mitbekommen zu haben. Dr. Fuchs erinnert sich lediglich daran, dass sich einige Jugendliche auch nach der Festnahme schlecht benommen hätten.

In den auf den Globuskrawall folgenden Tagen nehmen einzelne Parteien in Grossinseraten oder Zeitungsartikeln Stellung zu den Ereignissen. Die Freisinnigen fordern, dass man die Gespräche und Verhandlungen mit den gewalttätigen Jugendlichen abbricht, hart gegen die Verhafteten vorgeht, beteiligte Schüler und Studenten von den Lehrveranstaltungen verweist, sowie beteiligte Ausländer ausweist. Auch die BGB-Mittelstandspartei verlangt in Zukunft ein härteres Vorgehen gegen die verantwortungslose und verwahrloste Jugend. Ganz anders die Stellungnahme der Christsozialen, die weiterhin das Gespräch mit den Jugendlichen suchen und eine Abklärung der Haltung des Gemeinderatspräsidenten Alfred Messerli fordern. Die PdA macht vor allem die Polizei für die Verhärtung der Situation verantwortlich und zeigt Verständnis gegenüber den Protesten der Jugend. Man begrüsse das Interesse der jungen Generation an politischen Fragen. Die SP Zürich fordert eine Untersuchung der Ausschreitungen vom 31. Mai nach dem Monsterkonzert im Hallenstadion und hält die Jugendlichen gleichzeitig dazu an, einen demokratischen Weg einzuschlagen. Auch die SP möchte die Diskussion um ein Jugendhaus fortführen und bittet die Medien künftig um eine sachliche und neutrale Berichterstattung. Zürichs Jugend selbst distanziert sich von jeglicher Form der Gewaltanwendung.

Beteiligte: Stadtpräsident Dr. Sigmund Widmer, Polizeiinspektor Dr. Bertschi, Dr. Fuchs (persönlicher Adjunkt des Polizeiinspektors, Leiter des Polizei-Zuges in der Krawallnacht), Zürichs Jugend, die Freisinnigen, die BGB-Mittelstandspartei, die Christsozialen, die PdA, die SP Zürich, Einwohner der Stadt Zürich.

Quellen: Basler Nachrichten vom 2.7.68; Häsler, Alfred A. (1976): Das Ende der Revolte. Aufbruch der Jugend 1968 und die Jahre danach. Zürich, S. 38ff; NZZ vom 2.7.68, 3.7.68, 4.7.68, 5.7.68 und 6.7.68; Tagblatt der Stadt Zürich vom 3.7.68 und 6.7.68; Tages-Anzeiger vom 2.7.68 und 3.7.68; Die Tat vom 4.7.68; Vaterland vom 3.7.68; Volksrecht vom 2.7.68 und 6.7.68; Vorwärts vom 18.7.68; Züri Leu vom 18.7.68.



D) Verhaftungen, Untersuchungen, Prozesse

Bereits am 1. Juli sammelt das "Aktionskomitee autonomes Jugendhaus" Material für Strafklagen gegen die Polizei und beauftragt Zürcher Anwälte mit der Verteidigung der Interessen der Demonstranten.
Im Regierungsrat orientiert der zuständige Direktionsvorsteher am 4. Juli in einer Sitzung über die Lage nach den Unruhen des Wochenendes. Er gibt bekannt, dass die Staatsanwaltschaft sowie die Bezirksanwaltschaft zahlreiche Strafuntersuchungen eingeleitet haben. Der Regierungsrat werde zusammen mit den Behörden der Stadt Zürich alle Mittel einsetzen, um die öffentliche Ordnung und die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten. So wird beispielsweise der Veranstalter des Jimi-Hendrix-Konzertes Hansruedi Jaggi wegen Verdachts auf Anstiftung zum Landfriedensbruch in seinem Haus in Rudolfstetten verhaftet und einvernommen, einige Stunden später jedoch wieder freigelassen.
Die Stadtgruppe Zürich des "Landesringes" erklärt am 5. Juli, dass die gemeinderätliche Untersuchungskommission in vier von fünf untersuchten Fällen Unkorrektheiten im Polizeiamt festgestellt habe, die ausschliesslich den leitenden Funktionären zur Last fallen. Dafür trage der freisinnige Polizeivorstand die volle Verantwortung. Man wolle diese Fehler nicht hochspielen, dürfe aber auch nicht davon ablenken. Die Untersuchungskommission sieht sich gezwungen, Massnahmen zur Behebung der Missstände im Polizeiamt vorzuschlagen und alles dafür zu tun, dass diese Forderungen umgesetzt werden.
Der Stadtrat erteilt am 6. Juli dem Präsidenten des Geschworenengerichtes Dr. Gut den Auftrag, die Strafanzeigen der Bezirksanwaltschaft gegen Polizisten. Für die Bearbeitung der Vorfälle im Globus-Provisorium und im Hallenstadion wird ein Untersuchungsgremium einberufen, dem neben Dr. Gut auch Vertreter der Bezirksanwaltschaft und der Polizei angehören. Der Regierungsrat versichert im Kantonsrat, dass die verhafteten Jugendlichen schnell abgeurteilt werden und stellt in Aussicht, Disziplinarmassnahmen gegen straffällige Schüler und Studenten durchzuführen sowie ausländische Randalierer auszuweisen.
Mitte Juli werden die letzten Verhafteten freigelassen, während die Untersuchungen weiterlaufen und nach wie vor Beteiligte vorgeladen werden. Diese Massnahmen werden von der SP Zürich, die unter anderem auch die Entlassung des Hilfslehrers Thomas Held kritisiert, verurteilt.
Weitere Details zu den Strafanzeigen erfährt die Öffentlichkeit am 14. August. Es kommt heraus, dass insgesamt 200 Strafanzeigen gegen Teilnehmer des Globuskrawalls eingegangen sind, während 28 Polizisten angezeigt worden sind. In der folgenden Woche wird bekannt, dass im Zusammenhang mit dem Globuskrawall bisher vier Ausweisungen von Ausländern ohne gerichtliche Untersuchung vollzogen worden sind. Am 11. Dezember findet im Gemeinderat eine siebenstündige Debatte über die "Zürcher Unruhen" statt. Diese von den Medien als "Monsterdebatte" bezeichnete Diskussion bringt jedoch nur wenig konkrete Ergebnisse hervor. Ende Dezember wird die Strafuntersuchung gegen Demonstranten abgeschlossen, die Untersuchungen gegen Polizisten laufen noch weiter.

Die Dokumentationsstelle der Arbeitsgruppe "Zürcher Manifest" ruft am 16. Juli zwecks Erstellung eines umfassenden und unabhängigen Berichtes über die Krawallnacht Zeugen auf – insbesondere Ärzte, Journalisten und Anwälte –, über die Ereignisse zu informieren und gegebenenfalls Personenbeschreibungen zu liefern.

Beteiligte: "Aktionskomitee autonomes Jugendhaus", Zürcher Anwälte, Regierungsrat, zuständige Direktionsvorsteher, verhaftete Demonstranten, Stadtgruppe Zürich des "Landesringes", Zürcher Kantonspolizei, Gemeinderat, Hansruedi Jaggi, Thomas Held, Dr. Hans Gut (Stadtrat und Präsident des Geschworenengerichts), Gremium aus Vertretern der Bezirksanwaltschaft und der Polizei, Dokumentationsstelle der Arbeitsgruppe "Zürcher Manifest", u. a.
Quellen: Basler Nachrichten vom 8.7.68; National-Zeitung vom 6.7.68 und 9.7.68; NZZ vom 5.7.68, 6.7.68, 8.7.68, 10.7.68, 14.8.1968, 21.8.68 und 13.12.68; Tagblatt der Stadt Zürich 16.7.68; Tages-Anzeiger vom 6.7.68, 9.7.68, 10.7.68, 14.8.68 und 30.12.68; Die Tat vom 8.7.68; Volksrecht vom 2.7.68, 6.7.68, 11.07.68 und 22.8.68; Vorwärts vom 18.7.68.
30. Juni 1968

Entwurf des "Zürcher Manifests"

Rund 20 anerkannte Persönlichkeiten entwerfen zur Vermittlung zwischen den Konfliktpartnern beim Streit um das Jugendhaus das "Zürcher Manifest". Die Unterzeichner rufen die Bevölkerung und alle Beteiligten des Jugendhauskonfliktes zur Besinnung auf und konstatieren mit Verweis auf ähnliche Auseinandersetzungen im Ausland, dass die Ereignisse in Zürich nicht isoliert von den mangelhaften Gesellschaftsstrukturen zu betrachten sind. Überdies müsse man bedenken, dass gesellschaftliche Umwälzungen stets von Minderheiten ausgegangen seien.

Folgende Forderungen werden festgehalten:
- Bereitstellung eines zentral gelegenen, autonom verwalteten Diskussionsforums für Jung und Alt
- Verzicht auf Sanktionen gegen Studierende, Schüler und Ausländer, sofern nicht schwerwiegende Delikte vorliegen
- Wiederherstellung des verfassungsmässigen Demonstrationsrechts
- Fortsetzung der Gespräche mit allen Minderheiten
- Einladung zur Meinungsäusserung aller Konfliktparteien
- Unverzügliche Bildung einer wissenschaftlichen Arbeitsgruppe mit dem Auftrag, die tieferen Ursachen des Konflikts zu erforschen und praktische Vorschläge auszuarbeiten

Ein paar Tage später beschliessen einige Unterzeichner in einer Sitzung die weitere Verbreitung ihres Manifests. Man wird ausserdem eine öffentliche Kundgebung gegen das Demonstrationsverbot organisieren und überlegt, mit der "Aktion Bahnhofbrugg" zusammenzuarbeiten.

Beteiligte: 21 Persönlichkeiten, darunter Max Frisch, Professoren Burla, Rich, Biäsch, von Fischer, Huber, Specker, Staub u. a.
Quellen: NZZ vom 4.7.68; Volksrecht vom 5.7.68; Tages-Anzeiger vom 5.7.68; St. Galler Tagblatt vom 5.7.68, Volksrecht vom 11.7.68; Zeit-Dienst vom 9.8.68.
1. Juli 1968

Verhängung des Demonstrationsverbotes

Der Zürcher Stadtrat verbietet mit einem Gesetz, das am 2. Juli ab 12 Uhr in Kraft tritt, jegliche "Ansammlungen demonstrativen Charakters".
In einer Stellungnahme vom 12. Juli schildert der Stadtrat die Ereignisse um den Globuskrawall aus seiner Sicht und erklärt, dass das Demonstrationsverbot verhängt worden sei, um die öffentliche Ruhe und Sicherheit zu gewährleisten. Da Kundgebungen ohnehin eine Bewilligung erfordern, sei das Gesetz nicht verfassungswidrig. Sobald sich die Situation in Zürich beruhigt, werde das Verbot wieder aufgehoben.

Beteiligte: Zürcher Stadtrat.
Quellen: NZZ vom 2.7.68, 3.7.68 und 14.7.68; Tagblatt der Stadt Zürich vom 2.7.68; Volksrecht vom 15.7.68.
1. Juli 1968

Strafklagen gegen die Polizei

Das Aktionskomitee autonomes Jugendhaus reicht Strafklagen wegen Körperverletzung oder Tätlichkeiten gegen die Zürcher Stadtpolizei ein und beauftragt Anwälte mit der Aufgabe, die Interessen der Demonstranten zu wahren. Das Aktionskomitee richtet einen eigenen Rechtsdienst ein, bei dem sich betroffene Jugendliche melden können.
Die Strafanzeigen werden am 4. Juli an die Bezirksanwaltschaft weitergeleitet.

Beteiligte: "Aktionskomitee autonomes Jugendhaus", Zürcher Anwälte, Stadtpolizei, Bezirksanwaltschaft, Staatsanwaltschaft.
Quellen: NZZ vom 5.7.68 und 6.7.68; Tages-Anzeiger vom 5.7.68; Volkrecht vom 2.7.68 und 6.7.68.
5. Juli 1968

Hungerstreik für Biafra

Bereits am 24. Juni hat ein Mittelschüler nach der Demonstration gegen Kriegsverbrechen in Biafra das Vorhaben einiger Jugendlichen mitgeteilt, während einer Woche nichts zu essen, um die Öffentlichkeit aufzurütteln und Bereitschaft für Opfer zu Gunsten der Notleidenden zu zeigen. Der Antrag für einen Hungerstreik gegen eine Gesellschaft, die Elend und Gewalttätigkeiten zulässt, wird am 2. Juli gestellt und trotz des allgemeinen Demonstrationsverbots offiziell bewilligt. Er findet im Keller eines Gebäudes beim Bahnhof Stadelhofen statt, da der Paradeplatz oder das Bellevue den Streikenden nicht zugesprochen wurde. Das Sit-in darf von sechs Uhr morgens bis um sieben Uhr abends durchgeführt werden. Die protestierenden Jugendlichen verzichten auf eine öffentliche Kundgebung in der Hoffnung, ihre Botschaft werde durch die Medien verbreitet. Nach Beendigung des Hungerstreiks dankt das Organisationskomitee allen Helfern und Spendern und bittet, künftige Spenden an das Aktionskomitee "Pro Biafra" oder an eine der Hilfsorganisationen zu richten.

Beteiligte: Stadtrat, Hungerstreikende: 12 Mittelschüler, 1 Student, 1 Lehrling.
Quellen: NZZ vom 25.6.68, 4.7.68 und 8.7.68; Tages-Anzeiger vom 5.7.68; Die Tat vom 5.7.68, Volksrecht vom 6.7.68.
5. Juli 1968

Kundgebung gegen das Demonstrationsverbot

Der Demonstrationsmarsch führt um 19 Uhr vom Strandbad Mythenquai vor das Stadthaus. In den Stadthausanlagen konfisziert Polizeiadjunkt Dr. Walter Hubatka die mitgeführten Plakate. Polizei in Uniform tritt jedoch nicht auf, steht jedoch an der Hauptwache bereit. Die Teilnehmerzahl wächst während des Marsches von etwa 50-100 auf rund 200 Teilnehmer an. Vor dem Stadthaus fordert der sozialdemokratische Kantonsrat Dr. Hansjörg Braunschweig in einer Rede zur Diskussion auf, die jedoch gleich polizeilich verboten wird. Daraufhin erlassen die Demonstranten einstimmig eine Resolution, in der auf das verfassungsmässige Versammlungsrecht, sowie auf das Fehlen einer legalen Opposition in Zürich hingewiesen wird. Ferner fordert man die Freilassung der verhafteten Demonstranten, die sofortige Aufhebung des Manifestationsverbots, die Untersuchung der Gewalttaten der Polizei, die Wiederaufnahme der Gespräche mit den Jugendlichen, sowie die Errichtung eines Jugendzentrums. Ziel der Kundgebung ist es, auf die illegalen Massnahmen des Stadtrates aufmerksam zu machen und zu zeigen, dass Demonstrationen auch friedlich verlaufen können. Die Teilnehmer werden aufgefordert, keine Gewalt anzuwenden und sich notfalls ohne Widerstand verhaften zu lassen. Als die Demonstranten von Hubatka gebeten werden, sich zu zerstreuen, folgen sie dieser Aufforderung.

Beteiligte: Ein ad hoc gegründetes Komitee unter Mitwirkung der sozialistischen Jugendgruppe Zürich, "Aktion für Bürgerrechte in Zürich", 200 Teilnehmer, aus dem Kreis der Jungsozialisten und der SP: Hans Steiger, Peter Gasser (kantonaler Beamter), Kantonsrat Dr. H. Braunschweig, u. a., Jugendliche, Polizei in Zivil, Dr. Walter Hubatka (Chef der Kriminalpolizei).
Quellen: Blick vom 6.7.68; Frankfurter Allgemeine vom 6.7.68; Der öffentliche Dienst vom 12.7.68; National-Zeitung vom 6.7.68 und 8.7.68; NZZ vom 7.7.68; Tages-Anzeiger vom 6.7.68; Die Tat vom 8.7.68; Züri-Leu vom 11.7.68.
8. Juli 1968

Diskussion im "Hof 103"

Stadtpräsident Widmer inspiziert am Vortag das "Zentrum der Jungen Hof 103" und erlaubt dort für Montagabend eine größere Diskussion, für die er als besonderes Entgegenkommen der Stadt Lautsprecher und Mikrophone zur Verfügung stellen will. Trotz Flugblättern, mit denen die Jugendlichen auf die Veranstaltung hinweisen, folgen nur wenige der Einladung. Die Jugendlichen beantragen deswegen bei der Stadtpolizei, mit Megaphonen für die Veranstaltung werben zu dürfen, jedoch vergebens. Gemäss der NZZ verläuft die Diskussion zum Thema "Provisorium Hofwiesenstraße – ja oder nein?" daraufhin zäh und ziellos. Während des Abends werden unter den Teilnehmern Fragebögen verteilt, auf denen die persönlichen Vorstellungen, Wünsche und Vorschläge im Bezug auf den "Hof 103" notiert werden können.
Die Organisatoren sind enttäuscht über das kleine Interesse am "Zentrum der Jungen Hof 103" und teilen in einem Flugblatt nochmals klar ihre Ziele mit. Die Zürcher Jugend hätte hier die Gelegenheit, zu beweisen, dass sie mit wenig Mitteln und grossem Einsatz etwas erreichen könne. Sollte sich dieses provisorische Jugendhaus bewähren, könne es wegweisend für ein autonomes Jugendzentrum im Stadtinnern sein. Zurzeit werde im "Hof 103" bereits eifrig an Umbauplänen und Veranstaltungsvorschlägen gearbeitet. Die Organisatoren laden deswegen alle zur nächsten Grossdiskussion im "Hof 103" am 13. Juli ein.

Beteiligte: Ca. 40 Jugendliche, Stadtpräsident Dr. Sigmund Widmer.
Quellen: Flugblätter "Einladung an alle" und "Mitteilungsblatt 1" (SSA, 335/41c, 17.M2); NZZ vom 10.7.68.
8. Juli 1968

Diskussion im Gottlieb-Duttweiler-Institut

Im Gottlieb-Duttweiler-Institut in Rüschlikon findet am Nachmittag unter dem Motto "Die Zürcher Unruhen – eine sachliche Aussprache" eine ausgiebige Diskussion über grundsätzliche Probleme der gegenwärtigen Situation statt. Eröffnet wird die Veranstaltung mit drei einleitenden Referaten über juristische, historische und soziologische Aspekte der Unruhen um den Globus. Während es im ersten Beitrag um das Demonstrationsrecht geht, handelt der zweite von der historischen Notwendigkeit revolutionärer Bewegungen. Der dritte Vortrag erläutert eine Studie des Soziologischen Institutes, in der Zeitungsberichte über die Unruhen inhaltlich analysiert worden sind.
An der Veranstaltung beteiligen sich Vertreter aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Armee, Polizei sowie anderer betroffener Kreise. Polizeiinspektor Bertschi und Thomas Held schildern beispielsweise die Ereignisse vom 29. Juni aus ihrer je eigenen Sicht. Trotz grundsätzlichen Spannungen ist die Debatte im Gottlieb-Duttweiler-Institut im Bezug auf die Unruhen eine der ergiebigsten.

Beteiligte: Ca. 400 Zuhörer, Diskussionsteilnehmer: u. a. Rudolf Suter (Nationalrat), Eduard Zellweger (Rechtsanwalt), Prof. Marcel Beck (Mediävist), Prof. Peter Heintz (Soziologe), Rolf Bertschi (Polizeiinspektor), Thomas Held (FSZ), Rolf Balsinger und Ulrich Pfister (Gemeinderäte), Hans Jürg Braunschweig (Kantonsrat), Otto Schütz (Nationalrat), August E. Hohler (Chefredaktor der Weltwoche), Fritz König, Rolf Gamper (Oberstleutnant).
Quellen: National-Zeitung vom 8.7.68; Tages-Anzeiger vom 12.7.68.
13. Juli 1968

Vollversammlung der Zürcher Jugend für ein autonomes Jugendzentrum

Der Antrag für eine öffentliche Vollversammlung des "Aktionskomitees autonomes Jugendzentrum" wurde am 6. Juli vorerst abgelehnt. Nach einigem Bemühen gelingt es den Unterzeichnern des "Zürcher Manifests", für die Versammlung der Jugendlichen am Samstag um 18 Uhr den Grossen Saal im Volkshaus zu sichern. Gemäss den Organisatoren werde sich die Zusammenkunft mit dem Globuskrawall, der Jugendhausfrage und der Neuwahl des Komitees befassen. Neben Gruppendiskussionen soll auch die Möglichkeit bestehen, Wandzeitungen zu gestalten.
Trotz heftiger Kritik an der Polizei wirft der Abend bei den Jugendlichen auch Selbstkritik auf. Es wird mangelnde Organisation bei der Demonstration vom 29. Juli eingestanden und es herrschen gespaltene Meinungen über den Nutzen des Ultimatums. Nichtsdestotrotz wird das Demonstrationsverbot als illegal empfunden und man beschliesst die Annahme einer Resolution, die unter anderem die Rückweisung der Vorwürfe des Stadtrates beinhaltet und die Polizei für die Vorfälle um den Globuskrawall verantwortlich macht.
Nach der Sperrstunde um 23 Uhr verlassen die Jugendlichen widerstandslos das Gebäude.

Beteiligte: "Aktionskomitee für ein autonomes Jugendzentrum", Unterzeichner des "Zürcher Manifests" (u. a. Gottfried Honegger-Lavater (Maler), Walter M. Diggelmann und Franz Schumacher (Rechtsanwalt)), ca. 700-1000 jugendliche Teilnehmer, Unterhaltung: Les Sauterelles.
Quellen: National-Zeitung vom 13.7.68, 15.7.68; NZZ vom 7.7.68, 15.7.68; Tages-Anzeiger vom 6.7.68, 13.7.68, 15.7.68; Die Tat vom 15.7.68; Volksrecht vom 15.7.68; Vorwärts vom 18.7.68.
15. Juli 1968

Aufhebung des Demonstrationsverbotes

Der Stadtrat hält Aussprache zum Demonstrationsverbot und beschliesst aufgrund der Beruhigung der Lage, das Gesetz zum 16. Juli 12 Uhr aufzuheben. Weiterhin muss der Stadtrat für Kundgebungen um Erlaubnis gebeten werden, wobei diese nur erteilt wird, wenn die Organisatoren bereit sind, Ausschreitungen zu vermeiden. Diese Bewilligungspflicht wird vor allem von linken Kreisen als Einschränkung der Meinungsbildung empfunden und kritisiert.

Beteiligte: Stadtrat.
Quellen: Neue Zürcher Nachrichten vom 17.7.68; NZZ vom 16.7.68; Tagblatt der Stadt Zürich vom 16.7.68; Tages-Anzeiger vom 16.7.68; Vorwärts vom 18.7.68.
16. Juli 1968

"Teach-in für alle" an der Universität Zürich

Die Akteure des Globuskrawalls diskutieren über Legalität und Legitimität der Zürcher Demonstrationen und kommen zum Schluss, dass auch Legales nicht immer zwangsläufig legitim sein muss, weil Legitimität schlussendlich von der Sichtweise abhängt. Demonstrationen seien generell wichtig und eine zu scharfe Selbstkritik seitens der Demonstranten dabei unangemessen.

Beteiligte: FSZ, Studenten, Karl Kränzle (Redakteur der National-Zeitung Basel), Dr. Fritz Heeb (Rechtsanwalt), Dr. Konrad Farner, Peter Bichsel (Schriftsteller), u. a.
Quellen: National-Zeitung vom 17.7.68.
19. Juli 1968

Stadtrat empfängt Vertreter des "Zürcher Manifests"

Der Stadtrat empfängt um 10 Uhr eine Delegation des "Zürcher Manifests".
Zuvor hatte er am 6. Juli ein Gespräch mit Vertretern der Jugendlichen abgelehnt, da diese darauf bestanden, nur gemeinsam mit Vertretern der "Aktion für ein autonomes Jugendzentrum" anzutreten.

Die Arbeitsgemeinschaft "Zürcher Manifest" verteilt Unterschriftsbögen in allen Teilen der Stadt, um ihrer demokratischen Selbsthilfeaktion Nachdruck zu verleihen.

Beteiligte: "Zürcher Manifest", Stadtrat.
Quellen: NZZ vom 19.7.68; Tages-Anzeiger vom 8.7.68 und 20.7.68; Volksrecht vom 20.7.1968; Vorwärts vom 18.7.68.
26. Juli 1968

Podiumsgespräch im "Hof 103"

Im "Hof 103" findet eine Podiumsdiskussion zum Thema "Haben wir Jungen ein Recht zu fordern?" statt. Die Diskussion endet vorzeitig, als René Keller das Podium verlässt.

Beteiligte: Podiumsteilnehmende: Dr. Walter Früh, Chef der Zürcher Kantonspolizei, Pfarrer Ernst Sieber, Rainer Gangl und René Keller vom "Komitee autonomes Jugendzentrum", Mittelschüler Max Seelhofer, Rita Ruffner als Gesprächsleiterin.
Quellen: National-Zeitung 29.7.68; NZZ vom 29.7.68; Tages-Anzeiger vom 29.7.68.
1. August 1968

Gegenveranstaltung zur offiziellen 1. August-Feier

Das "antiautoritäre Komitee 1. August" veranstaltet um 19 Uhr in der Bürkliplatzanlage eine Diskussion. Im Musikpavillon erscheinen etwa hundert Personen, die mitverfolgen wie ein junger Mann in Zylinder und schwarzem Mantel die 1. August-Rede von Bundesrat Celio persifliert. Nach einer zweiten Ansprache eines Mitglieds des "Aktionskomitees autonomes Jugendhaus" werden die Zuhörer zur freien Diskussion aufgefordert.

Beteiligte: "Antiautoritäres Komitee 1. August", ca. 100 Zuschauende.
Quellen: NZZ vom 2.8.68; Volksrecht vom 7.8.68.
4. bis 9. September 1968

Veranstaltung sechs Tage "Zürcher Manifest"

A) Marathondiskussion Das Centre le Corbusier steht während sechs Tagen jeweils von 12 Uhr Mittags bis spät nachts für Besucher als eine Art Jugendhaus offen. Die einzelnen Abende sind im Voraus vom "Zürcher Manifest" nur grob geplant, unverbindliche Diskussionsthemen zu aktuellen Problemen reichen von Fragen zum Unrecht im Rechtsstaat über Erziehungsfragen, Sexualität oder die Rolle der Gewerkschaften bis zur Alternative zwischen Kultur oder Scheinkultur; latente Thematik sind die Krawalle des Vorsommers. Über die Diskussionen hinaus gibt es die Möglichkeit, seine Ansichten, Forderungen oder Ideen in Form von Wandzeitungen kund zu tun. Bereits am zweiten Abend sind die Wände des Hauses mit unterschiedlichsten Mitteilungen behangen.
Gemäss der NZZ haben die mehrstündigen, meist sehr sachlichen, Diskussionen keine neue Erkenntnisse gebracht, herauszuheben sei jedoch der Erfahrungsaustausch der Jugendlichen an sich sowie die gegenseitige Toleranz und Offenheit.

Beteiligte: Unterzeichner des "Zürcher Manifests", täglich ca. 200-600 Besucher.
Quellen: National-Zeitung vom 11.9.68; NZZ vom 5.9.68, 9.9.68, 10.9.68, 11.11.68 und 18.11.68; Tages-Anzeiger vom 7.9.68 und 9.9.68; Volksrecht vom 4.9.68, 7.9.68 und 11.9.68, Züri-Leu vom 12.9.68.
B) Auswertung des "Sechstagerennens" in der AG "ZM" (11.7.68) Die Organisatoren der sechstägigen Dauerveranstaltung halten im Hotel Pfauen Rückblick über das Happening. Da das Experiment von hohen Erwartungen getragen worden ist, fällt die Selbstkritik heftiger aus als die Beurteilung in der Tagespresse. Zur Missstimmung trägt die Tatsache bei, dass von den bekannten Erstunterzeichnern nur wenige bei der Dauerveranstaltung anwesend waren. Man plant unter der Leitung von Dr. Hans-Rudolf Hility eine Tagung über die Weiterexistenz des "Zürcher Manifests".

Beteiligte: Unterzeichner des "Zürcher Manifests".
Quellen: NZZ vom 12.9.68.
20. September 1968

Veröffentlichung der "Dokumentation I"

Die Arbeitsgemeinschaft "Zürcher Manifest" veröffentlicht in dem Band "Dokumentation I" auf über neunzig Seiten Zeugenaussagen zum Globuskrawall, die ein höchst negatives Bild der Polizei zeichnen und die breite Öffentlichkeit regelrecht schockieren. Die Publikation enthält neben Auszügen aus Aussagen von Demonstranten beispielsweise auch einen Teil der Pressekonferenz der Stadtpolizei vom 20. Juni.

Die Dokumentationsstelle der Arbeitsgruppe "Zürcher Manifest" hatte am 16. Juli zwecks Erstellung eines umfassenden und unabhängigen Berichtes über die Krawallnacht Zeugen aufgerufen – insbesondere Ärzte, Journalisten und Anwälte –, über die Ereignisse zu informieren.


Beteiligte: "Zürcher Manifest".
Quellen: National-Zeitung vom 23.9.68; NZZ vom 22.9.68 und 26.9.68; Tagblatt der Stadt Zürich vom 16.7.68; Tages-Anzeiger vom 21.9.68 und 25.9.68; Volksrecht vom 23.9.68 und 25.9.68; Züri-Leu vom 26.9.68.
23. September 1968

Vertreter des "Zürcher Manifests" beim Regierungsrat

Einige Erstunterzeichner des "Zürcher Manifests" werden von einer Delegation des Regierungsrates empfangen. Wie bereits im Entwurf des Manifests vom 30. Juni fordern sie Zurückhaltung bei Massnahmen gegen Schüler, Lehrlinge und Studenten, die bei den Ausschreitungen um den Globus dabei waren, und schlagen vor, das Soziologische Institut der Universität Zürich mit einer wissenschaftlichen Untersuchung der Ereignisse zu beauftragen.
Unter anderem befürchtet man, dass die Strafverfahren gegen die Stadtpolizei nicht mit dem gleichen Elan geführt werden wie gegen die jugendlichen Demonstranten.

Beteiligte: Unterzeichner des "Zürcher Manifests" (Kantonsrat Ernst Rosenbusch und H. Braunschweig, Gottfried Honegger-Lavater, Leitung: Prof. Dr. Hermann Mohler), eine Delegation des Regierungsrats (Dr. Urs Bürgi, Dr. W. König und Dr. A. Bachmann).
Quellen: NZZ vom 23.9.68; Volksrecht vom 16.10.68.
27. September 1968

Demolierung des "Zentrum der Jungen Hof 103"

Jugendliche demolieren innert wenigen Stunden die Räumlichkeiten des vom Stadtrat zur Verfügung gestellten Jugendzentrums "Hof 103". Der Schaden des nun unter Einsturzgefahr stehenden Gebäudes wird im Tages Anzeiger auf 40'000 Franken geschätzt. In der Woche zuvor wurde den sich mit dem Ausbau des Hauses beschäftigten Jugendlichen mitgeteilt, dass sie kein Baumaterial mehr bestellen dürfen und dass keine weiteren Änderungen mehr am Bau vorgenommen werden sollen. Nach eigenen Aussagen der Jugendlichen, habe man ihnen auf Nachfragen eröffnet, dass das Jugendzentrum wegen sittlichen Bedenken bis Ende September geräumt werden müsse.

Beteiligte: Jugendliche.
Quellen: Landbote vom 30.9.68; National-Zeitung vom 3.10.68; NZZ vom 1.10.68; Tages-Anzeiger vom 28.9.68; Die Tat vom 3.10.68; Volksrecht vom 30.9.68.
28. September 1968

Störung einer Dichterlesung im Stadthaus

Im Stadthaus wird eine Dichter-Lesung mit Max Gertsch, Walter Vogt und Max Schmid veranstaltet, die durch das jugendliche Publikum immer wieder gestört wird und bald in einer offenen Diskussion endet.

Am 20. Oktober findet im Stadthaus erneut eine literarische Veranstaltung statt, diesmal unter dem Leitmotiv "Pro-Testfall". Die eingeladenen Lyriker sind Silvio Riccardo Baviera, Clemens Mettler und Urban Gwerder.

Beteiligte: Verwaltungsabteilung des Stadtpräsidenten, Max Gertsch, Walter Vogt und Max Schmid.
Quellen: National-Zeitung vom 30.9.68; NZZ vom 30.9.68 und 21.10.68.
2. Oktober 1968

Kundgebung des "Zürcher Manifests"

Nachdem das "Zürcher Manifest" am Vortag im Börsensaal eine Veranstaltung zur "Repression in der Demokratie" organisiert hat, findet am 2. Oktober unter demselben Motto eine Kundgebung statt.

Etwas mehr als einen Monat später hält die Arbeitsgruppe "Zürcher Manifest" am 16. November eine zweitägige Arbeitstagung unter dem Titel "Bilanz und Perspektiven". Bei diesem Anlass werden folgende Themenkreise bearbeitet: Repression in der Demokratie, Polizei und Armee im Rechtsstaat, die Junge Generation in der autoritären Gesellschaft sowie Alternativen in der Konkordanzdemokratie. Gefordert wird unter anderem eine Neuformulierung des Demonstrationsrechts.

Beteiligte: "Zürcher Manifest", Teilnehmer aus verschiedenen Kreisen.
Quellen: Neue Zürcher Nachrichten vom 2.10.68, 18.11.68; Volksrecht vom 5.10.68; Vorwärts vom 3.10.68.
18. Dezember 1968

Bewilligung der Anschaffung von Wasserwerfern

Der Gemeinderat beschliesst in einer lebhaften Sitzung mit knapper Mehrheit den Ankauf von zwei Wasserwerfern im Wert von 300'000 Franken. Der Stadtrat hatte zuvor den Gemeinderat mit einer Dringlichkeitsklausel umgangen und die Wasserwerfer bereits bestellt.

Am selben Abend findet parallel eine Vollversammlung der Arbeitsgruppe "Zürcher Manifest" statt. Als die Teilnehmer im Laufe der Veranstaltung erfahren, dass der Gemeinderat den Ankauf von Wasserwerfern befürwortet hat, wird gemäss der Zeitung Volksrecht eine gewisse Resignation spürbar.

Beteiligte: Gemeinderat.
Quellen: Wisler, Dominique (1996): Drei Gruppen der Neuen Linken auf der Suche nach der Revolution. Zürich; Volksrecht vom 21.12.68.
16. April 1968

Eklat beim "Zürcher Manifest"

Aufgrund von Differenzen innerhalb der Arbeitsgruppe "Zürcher Manifest" zieht ein Teil der Alten Garde aus. Die Zukunft der Gruppe ist ungewiss.

Beteiligte: "Zürcher Manifest".
29. April 1969

Dies academicus ohne Studierende: Reformprozesse an den Hochschulen

Den Teilnehmern des Dies academicus wird der Text einer nichtgehaltenen Rede eines Studentenvertreters sowie die Begründung der Abwesenheit des KStR überreicht. Auf einem Flugblatt, das über die Probleme an den Hochschulen informiert, wird gefordert, dass man den Dies Academicus künftig in lebendigem Kontakt zwischen Bevölkerung und Hochschule führt.


Zum Universitätsgesetz

Ende Juli 1968 veröffentlicht die Erziehungsdirektion des Kantons Zürich den Entwurf eines neuen Universitätsgesetzes, welcher vor allem aus Sicht der FSZ mangelhaft sei. Die Diskrepanzen zwischen den Fortschrittlichen, die darauf ein eigenes Reformmodell entwickeln, und der Bevölkerung können jedoch nicht überwunden werden. Der Reformprozess der Universität nimmt Jahre in Anspruch.

Übrigens: Als Reaktion auf eine abgelehnte Fakultätsreform tragen am 24. Februar 1969 ca. 100 Studenten der Phil I Fakultät der Uni Zürich in einer symbolischen Begräbnisfeier die traditionelle Auffassung der Universität zu Grabe. Der Trauerzug führt vor das Zimmer der Fakultätssitzung, wo eine Rede gehalten wird.

Am 9. Juli 1969 entzieht das Studentenparlament dem KStR das Vertrauen, worauf dieser bis zum Monatsende zurücktreten will. In der Presse werden die Vorgänge als Niederlage der Progressiven, als "Rechtsrutsch" oder als Pluralisierung der Studierenden-Exekutive gedeutet, wobei Christoph Blocher als Drahtzieher fungiert haben soll.


Zum ETH-Gesetz

Am 11. Oktober 1968 veröffentlicht der Bund ein neues ETH-Gesetz, gegen das ausgehend von der FSZ und dem VSETH ein Referendum beschlossen wird. Bemängelt wird zum Beispiel das ungenügende Mitbestimmungsrecht der Studenten. Im Dezember stellen sich alle Studentenorganisationen der ETH hinter das Referendum und erhalten sogar Unterstützung aus dem Umfeld des Zürcher Manifests. Das "Komitee ETH-Gesetz" sammelt bis zur Frist am 1. Januar 1969 genügend Unterschriften. Die Abstimmung wird auf den 1. Juni festgesetzt, scheitert schliesslich jedoch vor dem Volke. Die FSZ leidet immer stärker an inneren Spannungen und distanziert sich noch während des Wahlkampfes von dem Komitee, das sich in seinen Aktionen zu sehr an das bestehende demokratische System anbiedere.

Beteiligte: KStR (Kleiner Studentenrat), Studenten.
Quellen: Huber, Martina (2006): 1968. Fortschrittliche Studenten in Zürich. Universität Zürich (unveröffentlichte Lizentiatsarbeit), S. 32ff und 63ff; Landbote vom 10.7.69, National-Zeitung vom 11.7.69; NZZ vom 11.7.69, 12.7.69 und 18.7.69; Tages-Anzeiger vom 11.7.69; Die Tat vom 26.2.69 und 11.7.69; Volksrecht vom 29.4.69.
Ende 1969

Globusprozess in Winterthur

In Winterthur kommt es zum Globusprozess, bei dem während sieben Wochen Strafklagen gegen Beteiligte des Globuskrawalls verhandelt werden. Mit einer Ausnahme werden gegen die Angeklagten nur bedingte Strafen verhängt, die längste Strafe von vier Monaten erhält André Chanson.

Beteiligte: Stadtpolizei, Demonstranten, u. a.
Quellen: Wisler, Dominique (1996): Drei Gruppen der Neuen Linken auf der Suche nach der Revolution. Zürich, S. 73.