Quelle: Georg Reisch, Aepitoma omnis phylosophiae. alias Margarita Phylosophica tractans de omni genere scibili, Freiburg 1503.
Reprint der Ausgabe Basel 1517, mit einem Vorwort, einer Einleitung und einem neuen Inhaltsverzeichnis von Lutz Geldsetzer, Düsseldorf: Stern-Verlag Janssen & Co. 1973.
Kapitelübersicht in: http://www.enzyklopaedie.ch/liste/portrait/reisch.htm
Jägerin | Logica |
Hifthorn | sonus, vox |
……daraus entspringen zwei Rosen | praemissae |
der das Horn haltende Arm | argumenta |
[auf der Brust] im Herzen [?] | conclusio |
Waidmesser | syllogismus |
Bogen | quaestio |
Beine | praedicabilia & praedicamenta |
am Boden liegende Steine | fallaciae |
schöner / hässlicher Jagdhund | veritas / falsitas |
gejagtes Wild (Hase) | problema |
Kraut | parva logicalica |
Gestrüpp | insolubilia & obligatoria |
Wald | [silva] opinionum |
Bäume | Occamistæ, Scotistæ, Thomistæ, Albertistæ |
am Boden kauert | Parmenides |
und betrachtet vier Berge | omnis / nullus / quidam / quidam non |
Um die Allegorie genauer zu verstehen, müsste man sich kundig machen, was in der frühneuzeitlichen Logik praedicabilia & praedicamenta und insolubilia & obligatoria bedeuteten und ob die als Bäume dargestellten Occamistæ, Scotistæ, Thomistæ, Albertistæ Spott oder Lob meinten.
Hinter der Jägerin guckt in nachdenklicher Haltung ein Mann hervor; vor ihm liegt ein großer Stein. Es ist der griechische Philosoph Parmenides (angeschrieben Permenides), von dem das Mittelalter wusste, dass er die Städte und Gesellschaft der Menschen floh und sich lange Zeit auf einem Felsen aufhielt, wo er die Dialektik ersann (Hugo von Sankt Viktor; Didascalicon II, 3) – mitten unter den allegorischen Jagdgeräten, Hunden und Hasen eine reale Gestalt. Er betrachtet vier Berge: omnis / nullus / quidam / quidam non; das sind die vier Begriffe, die das sog. logische Quadrat bilden.
Werkstatt des Martin Schongauer, »Die mystische Jagd«, um 1475/80. (Zähmung des Einhorns durch eine Jungfrau, linke Bildhälfte.) Aus dem Zyklus der 24 Bildtafeln vom Hochaltar der Dominikanerkirche in Colmar:
Die vier Jagdhunde haben die Namen der Tugenden von Ps. 84 (85),11: misericordia et veritas, iustitia et pax.
Jörg Jochen Berns verweist auf den zu Reisch etwa gleichzeitigen Gobelin »The Hunt of the Frail Stag« im Metropolitan Museum of Art NY:
Vanity Sounds the Horn and Ignorance Unleashes the Hounds Overconfidence, Rashness, and Desire; Date: ca. 1500–1525
http://www.metmuseum.org/collection/the-collection-online/search/468327
Sickness Spears the Stag and Death Sounds His Horn; Date: ca. 1495–1510
http://www.metmuseum.org/collection/the-collection-online/search/468698
und J.J. Berns verweist auf die Jagd des Erzengels Michael auf das Einhorn aus Pinder, Ulrich / Schäufelein, Hans Leonhard / Baldung Grien, Hans: Der beschlossen gart des rosenkrantz marie, Nürmberk 1505, Band 2, Blat ix verso
> http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00022493/image_26
Der Holzschnitt von REISCH wurde wieder verwendet in: Thomas Murner, Logica memorativa. Chartiludium logice, sive totius dialectice memoria …, Straßburg: Grüninger 1509
> http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00009762/image_16
Vgl. weitere Jagd-Allegorien
321