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Musikwissenschaftliches Institut

Das deutschsprachige Lied in Wien um 1800. Ein Beitrag zur Liedkultur zwischen Aufklärung und Romantik (Ambizione-Projekt des SNF)

Projektverantwortung und -durchführung

Dr. Gundela Bobeth

Finanzierung

Schweizerischer Nationalfonds (Ambizione-Programm)

Projektdauer

1. Januar 2013 bis 31. August 2016

Projektbeschreibung

Ungeachtet der bedeutenden liedgeschichtlichen Beiträge der in Wien tätigen Komponisten Ludwig van Beethoven und Franz Schubert fällt die Wiener Liedkultur in den Dekaden vor und nach 1800 bis heute in eine musikwissenschaftliche Grauzone. Das Projekt nimmt dieses Desiderat auf und verbindet musikhistorische Grundlagenforschung mit genuin kulturwissenschaftlichen Ansätzen, Fragestellungen und Methoden.

Grundlegend ist die geplante Erschliessung des bislang erst teilweise erfassten und kaum ausgewerteten Wiener Liedbestands aus der Zeit zwischen ca. 1755 und 1825. Dabei können durch den Einbezug von liedgeschichtlich bislang unberücksichtigten Quellen insbesondere für die Frühphase der Wiener Liedpraxis Merkmale einer Rezeption aus dem Norden und Süden Deutschlands sowie Wechselwirkungen mit verwandten Gattungen (Bühnenlied, Singspielarie) offengelegt werden, die zum Verständnis der spezifischen Voraussetzungen der Wiener Liedkomposition beitragen. Der bis in die 1820er Jahre führende Untersuchungszeitraum erlaubt neue Aufschlüsse über zeitgenössische Wirkungs- und Rezeptionsweisen der Lieder Schuberts und Beethovens sowie über Liedkonzepte und Kompositionsweisen in deren unmittelbarem Schaffensumfeld.

Im Zentrum der Studie steht zum einen die analytische Auseinandersetzung mit der Vielfalt poetisch-musikalischer Erscheinungsformen des Repertoires, zum anderen dessen kontextuelle Verankerung durch die Rekonstruktion von Entstehungs- und Aufführungsbedingungen, Trägerschichten, Formen des Zusammenwirkens zwischen Dichtern und Komponisten, Berufsmusikern und Dilettanten, Vortragsmodalitäten, Rezeptionsweisen und Verbreitungsmechanismen. Die In-Bezugsetzung beider Ansätze eröffnet zusätzliche Interpretationsebenen. Ausgehend von einem Verständnis, das die Lieder im Gesamtgefüge ihrer poetisch-musikalischen Strukturen, Überlieferungsmedien und Aufzeichnungsmerkmale als Teile eines soziokulturellen Bezugsfeldes auffasst, lassen sich mögliche Aufführungssituationen sowie liedästhetische Positionen weiter differenzieren und bisherige historiographisch festgeschriebene Vorstellungen relativieren. Dies betrifft die bislang behauptete Nichtexistenz einer ästhetischen Diskussion um das "Wiener Lied" ebenso wie die gängige Antithetisierung von "Umgangsmusik" versus "Darbietungsmusik" oder "Gelegenheitslied" versus "Kunstlied", der das Projekt alternative Sichtweisen eines kontextabhängigen "Sowohl – als auch" entgegenstellt. Zu den entscheidendsten Ergebnisperspektiven des Projekts gehört die sich abzeichnende Pluralität von Liedkonzepten, kompositorischen Fakturen und Stilregistern, die dazu beiträgt, die gattungsgeschichtlichen Ausgangsbedingungen, mit denen Schubert und seine Zeitgenossen konfrontiert waren, klarer zu fassen und für eine Neubewertung des tatsächlichen Anteils der Wiener Liedkultur an der weiteren Gattungsgeschichte fruchtbar zu machen.