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Prof. Dr. Charles Weissmann, Emeritierter Professor für Molekularbiologie

Verstorben am 12. Dezember 2025 im Alter von 94 Jahren.

Der Molekularbiologe Charles Weissmann war einer der Grossen seines Faches. Seine Forschung zum antiviralen Wirkstoff Alpha-Interferon hat ihn weltberühmt gemacht. 

Der 24. Dezember 1979 war ein Freudentag im Leben und in der Karriere von Charles Weissmann. Anlass dazu war ein Telefonanruf aus seinem Labor an der UZH, der ihn in seinen Skiferien in Davos erreichte. Zwei seiner Mitarbeiter berichteten dem Molekularbiologen, sie hätten die ersten Spuren bakteriell synthetisierten Interferons gefunden. «Fantastisch», rief Weissmann ins Telefon und machte sich sofort auf den Weg nach Zürich, um sich selbst ein Bild zu machen. Und tatsächlich: «Als ich die Analysen sah, empfand ich ein Glücksgefühl, wie es sich in einem Forscherleben nur selten einstellt», erinnerte sich Weissmann in einem Beitrag des UZH Magazins von 2008.

Mit ihrer Entdeckung hatten Weissmann und seine Mitarbeitenden in einem weltweiten wissenschaftlichen Wettlauf um das Klonieren von Alpha-Interferon die Nase vorn. Alpha-Interferon, ein Protein unseres Immunsystems mit antiviraler Wirkung, galt damals als potenzielles Wunderheilmittel gegen jede Virusinfektion und gegen mehrere Krebsarten. Der Wirkstoff konnte jedoch nicht in genügenden Mengen hergestellt werden, um weitergehend analysiert und schliesslich klinisch angewendet zu werden. Erst die Resultate aus dem Zürcher Weissmann-Labor machten dies möglich.

Allein, die ursprüngliche Hoffnung auf das breit anwendbare Wunderheilmittel Interferon sollte sich nicht erfüllen. Doch Alpha-Interferon erwies sich als wirksam bei der Behandlung von Hepatitis, einigen Formen der Leukämie und anderen Krebsarten wie dem Nierenkarzinom, dem Melanom und dem Kaposi-Sarkom. Da Charles Weissmann, der 1978 auch das bis heute erfolgreiche Biotechnologieunternehmen Biogen mitbegründete, das Interferon-Patent an die UZH überschrieb, sind seither Lizenzeinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe in die Kasse der Universität geflossen. Zudem ermöglichte die von Weissmann gegründete Ernst-Hadorn-Foundation an der UZH eine Stiftungsprofessur für Molekularbiologe, die zuerst Michael Hengartner innehatte und die heute von Lucas Pelkmans bekleidet wird.

Charles Weissmann war einer der Grossen seines Fachs. «Er war intellektuell brillant, streng und dachte weit voraus», erinnert sich Walter Schaffner, «er war aber auch schlagfertig und humorvoll. Sein Engagement für die Wissenschaft war kompromisslos genauso wie seine Kritik für schlampige Experimente und Argumentationen. Er war morgens der Erste und oft der Letzte, der abends das Labor verliess. Ich habe ihn nie müde gesehen, er schien der sprichwörtliche Mister 100'000 Volt zu sein.» Schaffner, emeritierter Professor für Molekularbiologie an der UZH, ist neben dem UZH-Entwicklungsbiologen Konrad Basler und dem UZH-Neuropathologen Adriano Aguzzi einer von zahlreichen Schülern Charles Weissmanns, die in der Forschung selbst erfolgreich Karriere machten.

Geboren wurde Charles Weissmann 1931 im ungarischen Budapest. Kurz danach zog die Familie nach Zürich und 1940 aus Angst vor dem Dritten Reich nach Brasilien. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Weissmann mit seinen Eltern in die Schweiz zurück. In Zürich besuchte er das Gymnasium und studierte danach an der Universität Zürich zuerst Medizin (Promotion 1957) und danach Organische Chemie. In diesem Fach promovierte er 1961 bei UZH-Nobelpreisträger und Vitaminforscher Paul Karrer. Danach trat Weissmann eine Postdoc-Stelle im Labor von Severo Ochoa, einem weiteren Nobelpreisträger, an der New York University an. 1967 kam er als Assistenzprofessor an die UZH zurück, wo er das Institut für Molekularbiologie gründete. 1970 wurde er dann zum ordentlichen Professor für Molekularbiologie ernannt.

Charles Weissmann machte sich mit seinem Team schon früh international einen Namen. Anfänglich beschäftigte sich der Molekularbiologe mit Bakteriophagen – Viren, die ausschliesslich Bakterien infizieren – und mit dem Rous-Sarkom-Virus, einem Retrovirus, das bei Vögeln Krebs verursachen kann. Und er entwickelte mit dem RNA-Bakteriophagen Qbeta die so genannte reverse Genetik, eine Technik, die es erlaubt, ein Genom präzise zu verändern. Danach wandte sich Weissmann der Interferon-Forschung zu.

Das abschliessende Kapitel im wissenschaftlichen Werk von Charles Weissmann gehörte der Erforschung von Prionenkrankheiten, zu denen tödliche Degenerationserkrankungen wie die Creuzfeldt-Jakob-Krankheit oder Tierleiden wie der Rinderwahnsinn gehören. Verursacht werden diese durch falsch gefaltete Prionproteine. «Ein Durchbruch gelang Konrad Basler, der während seiner Masterarbeit im Labor von Charles Weissmann das für das Prionprotein verantwortliche Gen klonierte», sagt Walter Schaffner, «wenn dieses Gen bei Mäusen eliminiert wurde, blieben diese lebensfähig und fruchtbar und sie waren resilient gegen jede Prionenkrankheit.» Dies war der endgültige Beweis für die zentrale Rolle von Prionproteinen bei der Entstehung solcher Erkrankungen. Die Prionenforschung sollte Charles Weissmann über seine Emeritierung an der UZH hinaus beschäftigen. 1999 ging der erfolgreiche Wissenschaftler von Zürich zuerst nach London und danach an das Scripps Research Institute nach Florida.

Am 12. Dezember 2025 ist Charles Weissmann im Alter von 94 Jahren in Zürich verstorben. Vom berühmten Molekularbiologen überliefert, ist der Ausspruch, die Halbwertzeit seiner Publikationen sei wesentlich kleiner als diejenige seiner erfolgreichen Mitarbeitenden. In diesem Sinne wird das wissenschaftliche Erbe von Charles Weissmann weiter bestehen – in der Arbeit seiner Schüler und ihrer Schülerinnen und Schüler.