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Historisches Seminar

Silvia Bolliger

Studentische Migration an die Universität Zürich in der Zwischenkriegszeit (1919-1939) Ausländische Studierende im Spannungsfeld von Nationalisierung, Fremdenfeindlichkeit und traditioneller Präsenz

Die Universität Zürich blickt mit Stolz auf eine lange Tradition studentischer Migration zurück. Seit ihrer Gründung im Jahre 1833 stellten Ausländer und ab den 1860-er Jahren auch Ausländerinnen einen beträchtlichen Anteil an der Studentenschaft. Währenddem das Ausländerstudium bis zum 1. Weltkrieg bereits relativ gut dokumentiert ist - nicht zuletzt wegen dem hauptsächlich durch Russinnen geprägten und im internationalen Vergleich frühen Frauenstudium - stellt die nachfolgende Zeit noch Forschungsneuland dar. Die bisherige Forschung betont im Verhältnis von Universität und ausländischen Studierenden immer wieder die Liberalität als spezifisches Charakteristikum der Zürcher Hochschule, wobei sich dieses Argument seit den 1920-er Jahren hält und nicht auf einer fundierten Analyse des Sachverhaltes beruht. Hier will ich mit meinem Dissertationsprojekt ansetzen und die studentische Migration an die Universität Zürich sowie das Ausländerstudium einer systematischen Untersuchung unterziehen. Es soll zudem geklärt werden, ob die Zürcher Universität als Eliteinstitution der Gesellschaft im Umgang mit Fremden der Gesamtgesellschaft eher mit gutem oder schlechtem Beispiel voranging. Der gewählte Untersuchungszeitraum lässt aufgrund der damaligen (gesellschafts-) politischen Entwicklungen in Europa eine steigende Brisanz und Spannung auch im Umgang mit Migranten an der Universität erwarten. In Bezug auf die zunehmende Fremdenfeindlichkeit und Nationalisierung in der Schweiz existiert für die Zwischenkriegszeit bereits ein reichhaltiger Fundus an neuerer Literatur, auf den ich zurückgreifen kann.

Ziel meiner Dissertation ist es, anhand mehrheitlich nicht edierter universitätshistorischer Quellen die Situation der ausländischen Studierenden zwischen 1919 und 1939 an der Alma Mater Turicensis zu analysieren und nachzuzeichnen. Die entsprechenden Quellenauswertungen erfolgen nach quantitativen sowie qualitativen Methoden bzw. Inhaltsanalysen. Es gilt erstens herauszufinden, wer damals überhaupt zum Studium nach Zürich migrierte sowie aus welchen Motiven dies geschah. Durch die Berücksichtigung askriptiver Merkmale der zugewanderten Studierenden wird es möglich sein, nicht nur Befunde entlang von Staatsgrenzen zu gewinnen, sondern auch zeitgemässer solche entlang von Konfessions- oder Geschlechtergrenzen. Zweitens ist von Bedeutung, wie die ausländischen Studierenden im universitären Umfeld aufgenommen wurden, welches die offizielle Reaktion der Universität bzw. ihrer Behörden auf die Migranten war und wie sich die Schweizer Mitstudierenden ihnen gegenüber verhielten. Drittens interessiert, wie die Geschichtsschreibung in der Zwischenkriegszeit die Präsenz von ausländischen Studierenden schildert und welche Thesen sie für das Ausländerstudium aufwirft. In theoretischer Hinsicht basiert die Arbeit vor allem auf migrationsgeschichtlichen Ansätzen sowie auf Konzepten der Wissenschaftsforschung, wobei ferner Überlegungen zur sozialen Konstruktion von Fremdheit miteinfliessen sollen.

1. Juni 2005