Digital Religion(s): Der Blog

Grund- und Menschenrechte in einer digitalen Welt

16. August 2021 | Cristina Frei | Keine Kommentare |

Frau K. engagiert sich bei einer Initiative, die Vorurteile gegenüber dem Islam abbauen will. Sie ist auch in den sozialen Medien aktiv und veröffentlicht regelmässig kurze Texte, in denen sie Vorurteile gegenüber Menschen muslimischen Glaubens im alltäglichen Leben aufzeigt. Ihre Postings werden rege kommentiert und geteilt. Einzelne Kommentare sind rassistisch und enthalten Gewaltandrohungen.

Dies ist eines von 17 Fallbeispielen, die in der Publikation „Grund- und Menschenrechte in einer digitalen Welt“ des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte (SKMR) geschildert werden. Das Beispiel diente der Veranschaulichung von Hasskommentaren im Internet. In diesem Blogbeitrag möchte ich die Publikation kurz vorstellen und den Bezug zum UFSP Digital Religion(s) aufzeigen. Verfasst wurde das Buch von Sabrina Ghielmini, Christine Kaufmann, Charlotte Post, Tina Büchler, Mara Wehrli sowie Michèle Amacker. Die Universität Zürich gehört zu den Partneruniversitäten des SKMR. Das universitäre Kompetenzzentrum Menschenrechte (MRZ) ist innerhalb des SKMR zuständig für den Themenbereich Menschenrechte und Wirtschaft. 

SKMR-Publikation mit einem Überblick über die Thematik für ein breites Publikum

Die Digitalisierung kann einerseits zur Stärkung von Grund- und Menschenrechten in verschiedensten Kontexten führen. Beispielsweise erleichtern digitale Hilfsmittel den Zugang zu Informationen und können die freie Meinungsäusserung fördern. Andererseits besteht das Risiko neuer oder verschärfter Formen von Verletzungen dieser Rechte, wenn digitale Technologien eingesetzt werden. Davon ausgehend bietet die SKMR-Publikation einen Überblick über die Auswirkungen der digitalen Technologien auf die Grund- und Menschenrechte im Alltag. 

Unter anderem beleuchten die Autorinnen die Verwendung von digitalen Technologien im Kontext von Wirtschaft, Bildung und Forschung sowie Gesundheit. Die Autorinnen widmen sich einer Vielfalt von Themen und rechtlichen Fragestellungen: Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf das Recht auf Bildung? Wie ist der Einsatz von Big Data und künstlicher Intelligenz in der medizinischen Diagnostik oder bei Anstellungen aus grund- und menschenrechtlicher Sicht zu beurteilen? 

Die Publikation ist in zwei Teile gegliedert:

  • Grundlagen: In diesem Teil werden digitale Technologien mit wesentlichen Auswirkungen auf Grund- und Menschenrechte sowie die relevanten rechtlichen Grundlagen dargelegt. 
  • Fallbeispiele: Mittels fiktiver Beispiele aus unterschiedlichen Alltagssituationen wird den Leserinnen und Lesern nähergebracht, wie durch digitale Technologien Grund- und Menschenrechte gestärkt respektive eingeschränkt werden. 

Verfasst wurde die Publikation für ein breites Publikum – technisches oder juristisches Fachwissen wird nicht vorausgesetzt.

Was hat der UFSP «Digital Religion(s)» damit zu tun? 

„Das Buch gibt nicht nur eine gute Übersicht über die einzelnen Grundrechte und deren Problematik im digitalen Raum, sondern auch Hinweise an den Staat, wo Regulierung nötig ist. Regulierung ist nötig, damit Menschen auf Rechtsstaatlichkeit vertrauen können.“ (Alt Bundesrätin Doris Leuthard)

Was die Alt Bundesrätin und Vorsitzende der Swiss Digital Initiative Doris Leuthard im Vorwort der SKMR-Publikation anspricht, verdeutlicht den Bezug zum UFSP Digital Religion(s). Als eines von zwölf einzelnen Teilprojekten des UFSP beschäftigen wir (Christine Kaufmann, Lorenz Langer und Cristina Frei) uns mit der rechtlichen Regulierung von Religion(en) im digitalen Raum. In unserem Teilprojekt «Religion und der Digital Turn: Neue rechtliche Herausforderungen im Cyberspace» untersuchen wir Fragen der Möglichkeiten und auch der Grenzen eines Schutzes von Religion(en) im digitalen Raum. Der interdisziplinäre Austausch innerhalb des UFSP erscheint dabei als besonders wertvoll.

Hasskommentare im Internet im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie

Kommen wir auf das allgemeine, vereinfachte Fallbeispiel am Anfang des Blogbeitrags zurück und entwickeln wir es für Äusserungen über Religion(en) im digitalen Raum weiter. Die digitale Realität, in der Äusserungen über Religion(en) gemacht werden, ist von komplexen soziopolitischen und religiösen Zusammenhängen geprägt. So ist aktuell die Corona-Pandemie ein starker Treiber für die Verbreitung von Hasskommentaren im Netz, die sich auch gegen Angehörige bestimmter Religionen richten. Ahmed Shaheed, UN-Sonderberichterstatter über Religions- und Weltanschauungsfreiheit, machte in seinem Bericht zur Bekämpfung von Islamophobie/antimuslimischem Hass vom 13. April 2021 auf die Verbreitung von Falschinformationen und Aufrufen zu Gewalt gegenüber muslimischen Gemeinschaften während der Corona-Pandemie aufmerksam. Er berichtete über Hassreden in Sri Lanka, im Vereinigten Königreich und im Speziellen in Indien, wo sich der Hashtag #CoronaJihad schnell auf Twitter verbreitete, nachdem die Regierung hohe Infektionszahlen unter muslimischen Gemeinschaften verkündete. Als technische Verbreitungsmittel dienten insbesondere soziale Medien und Chatplattformen.

Es können zum Beispiel wenige Klicks genügen, damit per Retweet-Funktion eine hasserfüllte Botschaft eine grosse Anzahl weiterer Personen erreicht. Die Verbreitung von Hassreden im Internet geschieht schnell und einfach. Dies ist einer der Gründe, weshalb sich die Wirkung von Hassreden im Internet verstärken kann. In der analogen Welt kann daraus sowohl eine Bedrohung der Sicherheit der betroffenen Religionsgemeinschaft als auch des sozialen Friedens resultieren.

Hinsichtlich Äusserungen über Religion(en) im digitalen Raum stellen sich zahlreiche Fragen. Müsste etwa ein Konzept wie jenes der Hassrede im digitalen Raum anders definiert werden? Braucht es eine Regulierung auf internationaler Ebene und wäre dies angesichts der unterschiedlichen Konzeptionen betreffend Religions- und Meinungsäusserungsfreiheit überhaupt möglich? Wer ist in einem digitalen Raum, der sich nicht an Staatsgrenzen hält, für die Durchsetzung von Verboten der Hassrede zuständig? Über unsere weiteren Fragestellungen, Ansätze und Erkenntnisse werden wir zukünftig in diesem Blog berichten.


Rezension von Cristina Frei, UFSP-Projekt Religion und der Digital Turn: Neue rechtliche Herausforderungen im Cyberspace.

Abgelegt unter: Rezension
Tags: