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Lehrstuhl für Historische Bildungsforschung und Steuerung des Bildungssystems, Prof. Dr. Lucien Criblez

Bankengeschichte als Bildungsgeschichte

Thomas Ruoss | truoss@ife.uzh.ch

 

Seit der Finanz- und Bankenkrise 2008 lässt sich als Reaktion weltweit eine Bewegung feststellen, die Bildung als Lösung zur individuellen Bewältigung einer im Grunde systemischen Krise adressiert. Von lokalen Lehrerverbänden bis hin zu supranationalen Organisationen werden unter dem Begriff von „Financial Literacy Education“ empirische Daten zum Wissen von Schülerinnen und Schülern über Wirtschaft erhoben und Konzepte entwickelt zur Förderung von Finanzkompetenzen.

Die Vorstellung über die Vermittlung individueller Kompetenzen zum Umgang mit Geld sowohl die soziale Absicherung einzelner Menschen zu stärken, als auch politische und volkswirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten, ist historisch eng verbunden mit dem Entstehen moderner kapitalistischer Gesellschaften sowie der gesellschaftlichen Vorstellung soziale und gesellschaftliche Probleme über Bildung und Erziehung lösen zu können.

Im Verlaufe des 20. Jahrhunderts haben Banken und Sparkassen ein edukatives Selbstverständnis ausgeprägt und sind dadurch zu zentralen Akteuren in der weltweiten Etablierung von Konzepten der Sparerziehung, der Konsumerziehung, der Verbrauchererziehung oder der Wirtschaftserziehung geworden. Die Geschichte von Banken und Sparkassen als Finanzinstitutionen kann damit auch als eine Bildungsgeschichte verstanden werden.

Das Forschungsprojekt untersucht die aktive und im Laufe der Zeit sich in ihren Zielen und ihren Praktiken verändernde Kinder- und Jugendpolitik der Banken am Beispiel des weltweit grössten Sparkassen- und Retailbankenverbandes, dem WSBI mit Sitz in Brüssel. Damit leistet es eine Historisierung und Theoretisierung gegenwärtiger Bemühungen im Bereich von Financial Literacy Education und fördert darüber hinaus ein Nachdenken über Bildung, die nicht ausschliesslich an schulische Institutionen gekoppelt ist.