PASEZ-Blog

Just another UZH BLOGS site

„Ich“, „Du“ oder „Wir“ – Gebrauch von Pronomen in Konfliktgesprächen

23. April 2019 | Isabella Bertschi | Keine Kommentare |

Ein Beitrag von Stephan Vonschallen und Mona Neysari

Die Art und Weise, wie wir mit unseren Mitmenschen kommunizieren, spielt für unsere Gesundheit eine zentrale Rolle. Einer der wichtigsten Faktoren, die es braucht, um eine glückliche Beziehung aufrechtzuerhalten, ist der Umgang mit Konflikten. Je besser man streitet, also mit Streit umgehen kann, umso weniger Stress und umso mehr Ressourcen stehen zur Verfügung, um andere Probleme zu bewältigen.

Pronomen als Spiegel unseres Denkens

Im Rahmen der PASEZ-Studie haben wir uns das Ziel gesetzt, die Kommunikation von Paaren in Konfliktsituationen zu untersuchen. Dabei haben wir uns auf die Verwendung von Pronomen bezogen. „Ich“-Wörter (z.B. auch „mein“, „mich“ etc.) werden genutzt, um eigene Gedanken und Gefühle auszudrücken. Bei Paaren deutet der vermehrte Gebrauch von „Ich“-Wörtern auf mehr Selbstoffenbarung hin. „Du“-Wörter (z.B. auch „dein“, „dir“, etc.) werden mit Abgrenzung vom anderen oder Schuldzuweisungen in Verbindung gebracht und werden verwendet, wenn eine Konfrontation gesucht wird. „Wir“-Wörter (z.B. auch „unser“, „uns“) sagen hingegen etwas über Zusammenhalt und ein Gefühl der Zugehörigkeit aus. Eine vermehrte Nutzung von „Wir“-Wörtern ist nicht nur mit einer besseren Konfliktlösungsfähigkeit, sondern auch mit mehr psychischen und physischen Wohlbefinden von Paaren assoziiert. Damit verbunden sind z.B. ein besserer Umgang mit Alkohol, Rauchen oder Herzerkrankungen.

Drei Phasen in Konfliktgesprächen

Gottman (1979) fand heraus, dass Konfliktgespräche in unterschiedlichen Phasen verlaufen. In der ersten Phase (Zielsetzungsphase) muss ein Problem erstmal erklärt und definiert werden; es werden Gefühle gegenüber dem Partner geäussert und man versucht, die Gefühle des anderen zu verstehen. In der zweiten Phase (Argumentationsphase) herrscht offene Uneinigkeit; die verschiedenen Standpunkte und unterschiedlichen Sichtweisen werden klargestellt. Bei der dritten Phase (Verhandlungsphase) handelt es sich um einen Problemlösevorgang; wenn diese Phase gut verläuft, findet hier ein Übereinkommen statt, während bei einem schlechten Verlauf derselbe Streit wiederholt wird.

Unsere Annahme

Wir gehen davon aus, dass sich die Verwendung von Pronomen während eines Konfliktgesprächs entsprechend der drei Phasen von Gottman verändert. Zu Beginn und am Ende des Gesprächs sollten mehr „Wir“-Wörter verwendet werden, da dort das Problem gemeinsam betrachtet und gelöst wird. Ich“ Wörter müssten vor allem in der zweiten Phase genutzt werden, da dort die eigenen Standpunkte klargestellt werden. Die Verwendung von „Du“-Wörter müsste im Verlaufe des Gesprächs abnehmen,  weil am Anfang mehr Konflikte gesucht werden.

Ergebnisse

Die teilnehmenden Paare haben sich in der PASEZ-Studie über einen Punkt in ihrer Beziehung unterhalten, über den sie sich uneinig waren. Folgende Erkenntnisse konnten wir daraus gewinnen:

Geschlechtsunterschiede: Wir fanden, dass sich Frauen und Männer in der Verwendung von Pronomen unterscheiden. Während Frauen insgesamt häufiger „Ich“ und „Du“ verwenden, verwenden Männer im Durchschnitt häufiger „Wir“. Dass könnte damit zu tun haben, dass Frauen Konflikte häufiger direkt ansprechen als Männer.

Altersunterschiede: Unsere Daten zeigten, dass sowohl Frauen als auch Männer mit zunehmendem Alter weniger „Ich“ und Frauen weniger „Du“ verwenden. Ältere Männer verwendeten „Wir“ gleichmässiger als junge Männer über die drei Phasen des Gesprächs verteilt. Das deutet darauf hin, dass ältere Personen Beziehungskonflikte öfters als gemeinsames Problem betrachten. Unterschiede im Gesprächsverlauf: Die Verwendung von Pronomen verändert sich während des Streitgesprächs. Am Anfang und am Ende, wenn das Problem angesprochen und verhandelt wird, wird häufiger „Wir“ verwendet, als in der Mitte des Gesprächs, wo häufiger „ich“ verwendet wird. Die Verwendung von „Du“ nahm von der ersten bis zur dritten Phase ab.

Fazit

Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Verwendung von Pronomen bei Paaren in Konfliktsituationen ungefähr mit den drei Phasen von Gottman (1979) übereinstimmt. Dabei fällt älteren Paaren das Bewältigen von Beziehungskonflikten im Durchschnitt leichter. Das könnte daran liegen, dass sie Probleme weniger aus unterschiedlichen Standpunkten betrachten („Du“ – „Ich“), sondern gemeinsam verhandeln („Wir“).

Originalquelle

Neysari, M., Bodenmann, G., Mehl, M. R., Bernecker, K., & Nussbeck, F. W., Backes, F., Zemp, M., Martin, M., & Horn, A. B. (2016). Monitoring pronouns in conflicts: Temporal dynamics of verbal communication in couples across the lifespan. Geropsych, 29 (4), 201–213. https://www.doi.org/10.1024/1662-9647/a000158

Abgelegt unter: Forschungsergebnisse


Keine Kommentare vorhanden

  • Es gibt noch keine Kommentare.

Kommentar schreiben