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Wie Annäherungs- und Vermeidungsziele das Verhalten im Konfliktgespräch beeinflussen

20. April 2020 | Isabella Bertschi | Keine Kommentare |

Ein Beitrag von Anja Vandersmissen

Stellen sie sich Sarah vor. Sarah ist eine Person, die wie die meisten in einer erfüllten und funktionierenden intimen Beziehung leben will. Um dies zu erreichen, kann Sarah versuchen positive Erfahrungen, wie beispielsweise mehr Intimität und Nähe, mit ihrem Partner zu kreieren. In diesem Fall würde Sarah Annäherungsziele verfolgen. Andererseits kann Sarah ebenfalls versuchen negative Erfahrungen zu vermeiden, welche die Beziehung potenziell bedrohen könnten, wie beispielsweise Uneinigkeiten oder Konflikte. In diesem Fall würde Sarah Vermeidungsziele verfolgen. Annäherungsziele stellen somit eine Bewegung hin zu erwünschten Zuständen dar, wohingegen Vermeidungsziele sich durch Entfernung von unerwünschten Zuständen auszeichnen.

In bisheriger Forschung hat sich gezeigt, dass Menschen mit einer starken Tendenz zu Annäherungszielen mehr Nähe zu ihrem Partner im Alltag haben und dass ihre Beziehungszufriedenheit über die Zeit ansteigt. Menschen mit einer starker Tendenz zu Vermeidungszielen weisen weniger Beziehungszufriedenheit und öfters Gefühle von Einsamkeit auf. Des Weiteren haben sowohl die Annäherungs- wie auch die Vermeidungsziele Einfluss auf kognitive Prozesse wie das Gedächtnis. Beispielsweise können Personen mit starker Tendenz zu Vermeidungszielen sich besser an negative Informationen erinnern als Personen mit schwacher Tendenz zu Vermeidungszielen und ebenfalls achten sie viel stärker auf negative Ereignisse oder Signale. Weitere Studien, welche die Paarkommunikation untersucht haben, fanden, dass Annäherungsziele in einer Partnerschaft mit Verhaltensweisen zusammenhängen, die das Funktionieren der Beziehung fördern, während in potenziell negativen Situationen, wie zum Beispiel Konfliktgesprächen, Vermeidungsziele mit Verhaltensweise zusammenhängen, die die Beziehungsqualität beeinträchtigen. Trotz vielen Studien ist jedoch noch einiges offen. Beispielsweise hat bisher keine Studie die Effekte von sowohl Annäherungs- wie auch Vermeidungszielen auf das Ausdrücken von positiven und negativen Kommunikationsverhaltensweisen im selben Gespräch untersucht. Ebenso ist bisher unklar, wie Annäherungs- und Vermeidungsziele verknüpft sind mit der nonverbalen Kommunikation von Paaren in einem Konfliktgespräch. Die Videoaufnahmen der Konfliktgespräche der Paare der PASEZ Studie bieten die optimale Grundlage diese offenen Fragen genauer zu untersuchen.

Annahmen und Resultate

Beziehungsprobleme, erlebter Stress

Bisher fokussierten sich die meisten Studien, welche Annäherungs- und Vermeidungsziele in Beziehungen untersuchten, auf sehr breite Konzepte wie die Beziehungszufriedenheit. Deshalb ist noch einiges über andere, spezifischere Aspekte des Funktionierens einer Beziehung im Zusammenhang mit den Annäherungs- und Vermeidungszielen ungeklärt. Aus diesem Grund wurde in der durchgeführten Studie der Fokus auf Beziehungsprobleme, schlechte Kommunikation von Stress und mangelhaftes dyadisches Coping gelegt. Dyadisches Coping findet dann statt, wenn beide Partner mit einem Problem umgehen, welches wichtig für das Paar ist. Dies kann zum Beispiel mittels gemeinsamem Problemlösen, Aufteilen von Aufgaben, Solidarität oder Entlasten des Partners geschehen. Beziehungsprobleme, Kommunikation und dyadisches Coping gehören zu den einflussreichsten Faktoren für das Funktionieren einer Beziehung.

Die Studie von Kuster, Backes, Brandstätter, Nussbeck, Bradbury, Sutter-Stickel und Bodenmann (2017) hat gezeigt, dass Personen mit stärkerer Tendenz zu Annäherungszielen weniger Beziehungsprobleme angeben. Da sie positiven Informationen und Gefühlen mehr Gewicht geben als negativen, kann dieses Ergebnis damit erklärt werden, dass in ihrer Wahrnehmung die positiven Eigenschaften des Partners die Beziehungsschwierigkeiten überwiegen. Auch kommunizieren stark Annäherungsmotivierte öfters über empfundenen Stress oder negative Gefühle und unterstützen ihren Partner stärker, wenn dieser von stressreichen Situationen berichtet. Im Gegensatz dazu nehmen stark vermeidungsmotivierte Personen mehr Beziehungsprobleme wahr, vermutlich da ihr Fokus auf Negatives die Wahrnehmung von Beziehungsproblemen begünstigt. Des Weiteren sprechen sie mit ihrem Partner seltener über ihren erlebten Stress. Aus Sicht des Vermeidungsmotivierten könnte das Sprechen über den eigenen Stress sowie denjenigen des Partners eine Bedrohung für die Person sowie die Beziehung sein. Deshalb versuchen vermeidungsmotivierte Personen wahrscheinlich ihren empfundenen Stress zurückzuhalten, um die Stabilität der Beziehung zu beschützen. Die oben berichteten Ergebnisse dieser Studie basieren alle auf Angaben und Einschätzungen der Studienteilnehmenden. Dies bedeutet, dass daraus nicht klar ist, ob die Annäherungs- und Vermeidungsziele auch tatsächlich in verbalem oder nonverbalem Verhalten beobachtbar sind. Die folgenden beiden Studien geben über die Zusammenhänge der Annäherungs- und Vermeidungszielen und beobachtbarem Verhalten Aufschluss.

Negative Kommunikation

Unter der Annahme, dass die Kommunikationsmuster von Paaren die Tendenz der Partner zu Annäherungs- und Vermeidungszielen widerspiegeln, untersuchten Kuster, Bernecker, Backes, Brandstätter, Nussbeck, Bradbury, Martin, Sutter-Stickel und Bodenmann (2015), ob Vermeidungsziele mit beobachtbarer negativer Kommunikation im Partnergespräch zusammenhängen. In die Kategorie der negativen Kommunikation fallen beispielsweise Verhaltensweisen wie das Gegenüber kritisieren, dominieren, unterbrechen, verächtlich sein, eine stärkere Abwehrhaltung oder Streitlust zeigen. Dieser Sachverhalt wurde bisher meistens mit selbstberichteten Angaben untersucht, jedoch nicht in Paargesprächen beobachtet. Dennoch lässt die bisherige Befundlage erwarten, dass Personen mit starken Vermeidungszielen wegen ihrer Sensibilität und Reaktion auf Negatives eher negative Kommunikation anwenden in einem Konfliktgespräch. Für jeden 10-Sekundenabschnitt des 8-minütigen Konfliktgesprächs der teilnehmenden Paare der PASEZ Studie wurde von zwei ausgebildeten Kodierern jeweils kodiert, ob negative Kommunikation stattgefunden hatte oder nicht. Für das Konfliktgespräch bestimmten die Paare ein Thema, welches für Spannungen in der Beziehung führte. Eine Liste mit verschiedenen Vorschlägen wurde als Hilfestellung bereitgestellt, beispielsweise Kommunikation mit dem Partner, Sexualität, Finanzen, Kindern oder störende Angewohnheiten des Partners. Die häufigsten Themen waren Kommunikation mit dem Partner (14.7%), störende Angewohnheiten des Partners (11.7%) und Finanzen (10.4%).Die Ergebnisse zeigten, dass Personen mit starker Tendenz zu Vermeidungszielen eine konstant bleibende Tendenz zu negativer Kommunikation im Verlauf des Konfliktgespräch aufwiesen, wohingegen Personen mit schwacher Tendenz zu Vermeidungszielen eine Abnahme der negativen Kommunikation im Verlauf des Konfliktgesprächs zeigten. Zudem stellte sich heraus, dass Personen mit starker Tendenz zu Vermeidungszielen mehr und mehr zu negativen Kommunikationsverhaltensweisen tendierten, wenn der Partner ebenfalls negative Kommunikationsverhaltensweisen zeigte. Es ist grundsätzlich normal, dass man negative Kommunikationsweisen zeigt in einem Konfliktgespräch. Ein gefundener Unterschied ist, dass bei Personen mit starker Tendenz zu Vermeidungszielen die Negativität über den Verlauf des Gesprächs nicht abflacht. Das heisst, dass keine Versöhnung oder ein gegenseitiges Verständnis zustande kommen kann. Zudem reagieren Personen mit einer starken Tendenz zu Vermeidungszielen sehr stark auf Negativität des Partners, was in einer negativen Kommunikationsspirale enden kann und somit ebenfalls einen positiven, versöhnlichen Ausgang des Gesprächs erschwert. Dies beeinflusst natürlich auch die Erwartung an das versöhnliche Lösen für zukünftige Konflikte und kann die Motivation der Partner verringern mit dem anderen interagieren zu wollen.

Nonverbales Verhalten

Personen mit einer starken Tendenz zu Annäherungszielen sind motiviert, erwünschte Ergebnisse oder Zustände zu erreichen. In einem Konfliktgespräch würde diese Orientierung bedeuten, dass man die Position des anderen verstehen möchte, so Interesse am Partner signalisiert und eine gemeinsame Grundlage findet. Dies resultiert darin, aktiv mit dem Partner zu interagieren. Personen mit starker Tendenz zu Annäherungszielen sollten daher in einem Konfliktgespräch mehr positive, nonverbale Verhaltensweisen zeigen als Personen mit schwacher Tendenz zu Annäherungszielen. Zu diesen positiven, nonverbalen Verhaltensweisen zählen Augenkontakt, Lächeln, Kopfnicken, Nähe, Berührungen und eine dem Gegenüber zugewandte Körperhaltung. Des Weiteren wurde in bisherigen Studien festgestellt, dass Personen mit stärkerer Tendenz zu Vermeidungszielen sensitiver auf soziale bedrohende Situationen reagieren. Dies würde bedeuten, dass solche Personen bereits im Voraus damit rechnen, dass die Konfliktsituation mit dem Partner Kritik und Zurückweisung beinhalten wird und ihnen fällt es deshalb schwerer sich ihrem Partner zu öffnen und so eine Situation von beidseitigem Verständnis für den anderen zu kreieren. Personen mit starker Tendenz zu Vermeidungszielen sollten daher vermehrt negative, nonverbale Verhaltensweisen in einem Konfliktgespräch zeigen als Personen mit schwacher Tendenz zu Vermeidungszielen. Negative, nonverbale Verhaltensweisen, die Vermeidung oder Rückziehen signalisieren, sind zum Beispiel die Vermeidung von Augenkontakt, verschlossene Körperhaltung oder den Kopf abwenden. Unsere Annahmen konnten mit Hilfe der Fragebogendaten und Videoaufnahmen der PASEZ Studie bestätigt werden. Bernecker, Ghassemi und Brandstätter (2019) fanden in ihren Ergebnissen heraus, dass je stärker die Tendenz zu Annäherungszielen ausgeprägt war, desto mehr positives nonverbales Verhalten und desto weniger negatives nonverbales Verhalten wurde im Konfliktgespräch gezeigt. Je stärker die Tendenz zu Vermeidungszielen ausgeprägt war, desto mehr negatives nonverbales Verhalten und desto weniger positives nonverbales Verhalten wurde im Konfliktgespräch gezeigt. Des Weiteren wurde festgestellt, dass mehr positives nonverbales Verhalten während des Konfliktgesprächs mit einer höheren Beziehungszufriedenheit zusammenhängt. Bei den negativen nonverbalen Verhaltensweisen wurde kein Zusammenhang gefunden mit der Beziehungszufriedenheit.

Fazit

Die Ergebnisse der PASEZ Studie und auch bisherige Forschung weisen darauf hin, dass die Unterscheidung zwischen der Ausprägung der Tendenzen zu Annäherungs- und Vermeidungszielen ein relevanter individueller Faktor ist, welcher einen Einblick in die Gründe geben kann, warum gewisse Paare in Konfliktsituationen eine besser funktionierende Kommunikation haben als andere. Dass negative verbale und nonverbale Kommunikation vorkommt in Konfliktgesprächen, ist normal, jedoch kommt es darauf an, wie sich das Gespräch entwickelt, also ob es möglich ist am Schluss auf einen versöhnlichen Kompromiss oder gegenseitiges Verständnis zu kommen.

Die Ergebnisse der durchgeführten Studien haben gezeigt, dass Personen mit starker Tendenz zu Vermeidungszielen mehr Beziehungsprobleme wahrnehmen und weniger mit ihrem Partner über erlebten Stress reden. Umgekehrt nehmen Personen mit starker Tendenz zu Annäherungszielen weniger Beziehungsprobleme wahr und sprechen häufiger über erlebten Stress. Des Weiteren bleibt bei Personen mit starker Tendenz zu Vermeidungszielen negatives Kommunikationsverhalten (wie z.B. Kritisieren, Dominieren, Unterbrechen oder Abwehrhaltung) während des Gesprächs konstant hoch, es nimmt also nicht ab, was somit einen versöhnlichen Ausgang des Gesprächs erschweren kann. Ebenfalls reagieren sie mit mehr Negativität, wenn der Partner ebenfalls negative Kommunikationsweisen zeigt. Zusätzlich konnte mittels den PASEZ-Videos auch festgestellt werden, dass Personen mit starker Tendenz zu Vermeidungszielen mehr negatives, nonverbales Verhalten und weniger positives nonverbales Verhalten im Konfliktgespräch zeigen. Wiederum gilt das Gegenteil für Personen mit starker Tendenz zu Annäherungszielen. Sie zeigen weniger negatives und mehr positives nonverbales Verhalten im Konfliktgespräch. Ironischerweise zeigen Personen mit starker Tendenz zu Vermeidungszielen Verhaltensweisen, die ihrem Ziel, negative Ereignisse zu vermeiden, widerspricht. Obwohl sie versuchen Konflikte zu vermeiden, zeigen sie dann, wenn sie in der Konfliktsituation sind, öfters negative Kommunikationsweisen gegenüber dem Partner, vor allem wenn der Partner ebenfalls negative Kommunikationsverhaltensweisen zeigt.

Die Tendenz zu Annäherungs- und Vermeidungszielen ist abhängig von der generellen neurobiologischen Sensibilität gegenüber positiven respektive negativen Stimuli. Auch basiert die Tendenz auf Erfahrungen, die man gemacht hat. Wer zum Beispiel viel Negativität erfahren hat, neigt eher zu stärkerer Tendenz zu Vermeidungszielen. Im Gegensatz zu grundlegenden Persönlichkeitseigenschaften sind Ziele jedoch offen für Veränderung und deshalb ist dort bei der Formulierung dieser Ziele auch ein therapeutischer Ansatzpunkt in der Paartherapie.

Quellen:

Bernecker, K., Ghassemi, M., & Brandstätter, V. (2019). Approach and avoidance relationship goals and couples’ nonverbal communication during conflict. European Journal of Social Psychology, 49(3), 622–636. https://doi.org/10.1002/ejsp.2379

Kuster, M., Backes, S., Brandstätter, V., Nussbeck, F. W., Bradbury, T. N., Sutter-Stickel, D., & Bodenmann, G. (2017). Approach-avoidance goals and relationship problems, communication of stress, and dyadic coping in couples. Motivation and Emotion, 41(5), 576–590. https://doi.org/10.1007/s11031-017-9629-3

Kuster, M., Bernecker, K., Backes, S., Brandstätter, V., Nussbeck, F. W., Bradbury, T. N., Martin, M., Sutter-Stickel, D., & Bodenmann, G. (2015). Avoidance orientation and the escalation of negative communication in intimate relationships. Journal of Personality and Social Psychology, 109(2), 262–275. https://doi.org/10.1037/pspi0000025

Abgelegt unter: Forschungsergebnisse


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