Digital Religion(s): Der Blog

Soul – Der etwas andere Disneyfilm

8. Dezember 2021 | Julia Müller | Keine Kommentare |

Woran denken Sie, wenn Sie das Wort „Disney“ hören? An Prinzessinnen, Märchen, das Gute siegt über das Böse? Das sind immer noch die ersten Assoziationen, wenn ich an dieses Unternehmen denke. Als Kind habe ich gerne diese Filme geschaut, habe mich immer wieder gefreut, wenn eine junge Frau aus den Händen des Bösen gerettet wurde und dann gemeinsam mit ihrem Prinzen in ihr Happy End reitet. Aber das ist schon lange nicht mehr typisch Disney. Die Filme verfolgen nun andere Themen, bilden Geschwisterliebe, komplexe Charaktere ab und beschäftigen sich z. B. auch mit Spiritualität. In diesem Beitrag möchte ich mich mit dem Thema der Spiritualität und Religiosität in Filmen befassen. Dabei betrachte ich vor allem den am 25. Dezember 2020 veröffentlichen Film „Soul“

Darstellungen von Spiritualität in nicht religiösen, populären Medien sind an sich keine Neuigkeit und finden sich in Spielen, in Musik, oder in Büchern. Aber in diesem Film ist mir das Thema besonders ins Auge gesprungen. Für alle, die den Film noch nicht gesehen haben, gebe ich hier eine kurze Zusammenfassung des Plots:

Ein junger Musiklehrer und Jazz-Pianist namens Joa Gardner bekommt endlich seinen heiss erwünschten Auftritt mit einer Band in einem populären Jazz-Club. Am Tag dieses Auftrittes stürzt er allerdings durch einen offenen Kanaldeckel und fällt ins Koma. Nun folgen wir Joe nicht mehr als Menschen, sondern als kleinen blauen Ball: seiner Seele. Diese Seele steht auf einem langen Laufband, das ihn direkt in das „Jenseits“ (dargestellt als eine Art ehrfurchterregendes weisses Licht, in dem andere Seelen verschwinden) bringen soll. Aus Panik zerreisst er die Wand um sich herum, springt durch den Riss und landet so in dem „Davorseits“, einem Ort, an dem die Seelen der ungeborenen Kinder existieren und geformt werden, um darauf hin auf der Erde zu leben. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Seelen im „Davorseits“ ihre Leidenschaften, ihren Funken finden. Joe trifft auf die Seele 22, die absolut kein Interesse hat zu leben und auch ihren Funken nicht findet. Durch verschiedene Umstände landen beide wieder auf der Erde, nur, dass diesmal 22 in Joes Körper lebt. Erst auf der Erde fällt 22 auf, dass es die kleinen Dinge auf der Welt sind, die das Leben lebenswert machen: Pizza essen, Musik, andere zum Lachen bringen. Der Film endet damit, dass 22 sich für ein Leben auf der Erde entscheidet und auch Joe eine zweite Chance bekommt. 

In der heutigen Zeit finden Religion und die Entwicklung einer religiösen Identität nicht mehr ausschliesslich in religiösen Institutionen oder Organisationen statt, sondern werden stark von digitalen Medien geprägt. Über Inhalte auf sozialen Medien, über Filme oder Spiele werden nicht nur Personen erreicht, die ohnehin schon religiös sind, sondern auch jene, die keine Verbindung zu einer institutionalisierten Religion haben. Diese Medien dienen der allgemeinen Bevölkerung als eine Art von Zugang zu Religion oder Spiritualität und prägen auch die Einschätzung der eigenen Religiosität/Spiritualität. In der Forschung rund um Digital Religion(s) beschäftigen sich daher bestimmte Projekte mit der Frage, wie Religion und Spiritualität in Nachrichten, Unterhaltungsmedien oder sozialen Medien abgebildet werden. Filme wie „Soul“ sind ein gutes Beispiel, um zu beobachten, wie religiöse Symbole oder Thematiken (z. B. Leben nach dem Tod, Seele) in den Mainstream übertragen werden können. In diesem Film finden sich verschiedene spirituelle Darstellungen: Ein Jenseits, in das Seelen nach dem Tod hin transportiert werden; ein Bevorseits, in dem ungeborene Seelen wohnen; die Idee des „Sinn im Lebens“, eine Art geometrische Darstellung von Engeln oder Botschaftern, die das Jenseits und das Bevorseits überwachen. Diese Darstellung von religiösen oder spirituellen Ideen wird als Mediatisierung von Religion nach Hepp, Hjarvard und Lövheim bezeichnet. Demnach muss sich Religion der Logik von Medien anpassen und somit treten an die Stelle von religiösen Institutionen Mainstreammedien. Vor allem Unterhaltungsmedien können Träger von religiösen Informationen und Symbolen sein. Zu diesen Medien gehören neben Filmen auch Serien oder Videospiele (z. B. Diablo). Diese religiösen oder spirituellen Inhalte können auch sogenannte spirituelle Emotionen (z. B. Dankbarkeit, Ehrfurcht, Nächstenliebe) und tiefere Reflektionen über das Selbst und die Umwelt auslösen. Dabei helfen sie Individuen, mit oder ohne religiösen Hintergrund, eine religiöse Identität zu bilden oder weiterzuentwickeln. 

Einige Early Careers des UFSPs Digital Religion(s) haben sich gemeinsam diesen Film angesehen und im Anschluss über die Inhalte, den Plot und die religiöse Symbolik gesprochen. Diese Diskussion zeigte deutlich, wie Unterhaltungsinhalte religiöse Identität schaffen können. Unabhängig von dem religiösen Hintergrund (z. B. Islam, Christentum, Atheismus), wurde jede*r von dem Film angesprochen und konnte etwas mitnehmen. Zudem wurde in der Diskussion auch klar, dass die religiösen Symboliken je nach Hintergrund anders interpretiert wurden. 

Falls Sie somit am Ende dieses Jahres 2021 noch nach einem schönen, lustigen und im wahrsten Sinne des Wortes sinnvollen Film suchen, dann schauen Sie doch einmal „Soul“. Vielleicht hilft der Film auch Ihnen einen tieferen Einblick in Ihre Wahrnehmung von Glauben, Religion und Spiritualität zu erhalten.


Beitrag von Julia Müller, UFSP-Projekt P3 Digitale soziale Dynamiken von Spiritualität. Spiritualität und Religiosität im Kontext digitaler Kommunikation.

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