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#Follow Jesus – Wie Christfluencer:innen auf sozialen Medien wahrgenommen werden

1. Juli 2023 | Julia Müller | Keine Kommentare |

Das Phänomen Christfluencer:innen

Der Aufstieg der sozialen Medien hat eine neue Art von Werbetreibenden hervorgebracht: Influencer:innen. Diese Influencer:innen nutzen ihre Beliebtheit, um für Markenprodukte zu werben und beeinflussen die Einstellung ihrer Follower:innen zu diesen Produkten sowie deren Kaufabsichten. Sie tun dies, indem sie regelmäßig Inhalte auf Social-Media-Plattformen veröffentlichen1. In den letzten Jahren sind vermehrt Influencer:innen aufgetaucht, deren Schwerpunkt nicht darauf liegt, eine Marke oder ein Produkt zu bewerben, sondern vielmehr einen bestimmten Lebensstil oder eine bestimmte Ethik zu repräsentieren2. Insbesondere im religiösen Bereich sind solche Influencer:innen weit verbreitet und relevant3. In der christlichen Religion sind diese religiösen Influencer:innen als sogenannte „Christfluencer:innen“ bekannt. Diese religiösen Influencer:innen sind Social-Media-Nutzer:innen mit einer bestimmten Anzahl von Follower:innen (Makro-, Mikro-, Nano-Influencer:innen), die regelmäßig über ihren eigenen religiösen Glauben und Lebensstil auf Social-Media-Plattformen posten und dadurch versuchen, die Einstellung ihrer Follower:innen zu Religion und Glauben beeinflussen4. Ihr Ziel ist es nicht unbedingt, eine große Anhängerschaft zu erreichen, sondern ihrer „göttlichen Berufung“ zu folgen, für ein religiöses Leben einzutreten und ihre Anhänger von ihren eigenen religiösen Einstellungen zu überzeugen5. Religiöse Influencer:innen interagieren eng mit ihren Anhänger:innen, um Netzwerke und Gemeinschaften aufzubauen6. Einige von ihnen verfügen über eine religiöse Ausbildung oder arbeiten sogar in diesem Bereich (z. B. Prediger:innen). Sie können jedoch auch Einzelpersonen sein, die keine spezifische religiöse Bildung oder Ausbildung besitzen7. Die von ihnen veröffentlichten Inhalte über Glauben und Religion können religiösen Jugendlichen und jungen Erwachsenen bei ihrer Suche nach Verständnis und Orientierung helfen8. Sie können als eine neue Art der religiösen Autorität angesehen werden. Obwohl religiöse Influencer:innen immer populärer werden, fokussierte sich die vergangene Forschung vor allem auf die Inhalte, die Influencer:innen teilen, sowie die Einstellungen und Einschätzungen der Influencer:innen selbst. Um allerding mehr über die Wahrnehmung von religiösen Influencer:innen zu erfahren, haben wir in unserer Studie Nutzer:innen von Influencer:innen befragt. 

Eckdaten zur Studie

In unserer Studie untersuchten wir Christ:innen in Deutschland, der Schweiz und Österreich in evangelischen, katholischen und freikirchlichen Kirchgemeinden. Über einen Zeitraum von Dezember 2022 bis März 2023 wurden insgesamt 639 Personen ab 14 Jahren befragt. Von diesen gaben 356 Personen an, christlichen Influencer:innen zu folgen. Die Ergebnisse zeigen, dass je religiöser und spiritueller eine Person ist, desto eher schauten sie sich religiöse Influencer:innen an.

Die befragte Gruppe hatte ein Durchschnittsalter von 22 Jahren, wobei 67% Frauen waren. Von den Befragten waren 41% reformiert, 43% freikirchlich und 15% katholisch. Ein Grossteil (42%) stammte aus Deutschland, gefolgt von 14% aus der Schweiz und 5% aus Österreich. Die meisten Befragten befanden sich entweder noch in der Schule, an der Universität oder in einem Beschäftigungsverhältnis. Fast alle besuchten regelmäßig eine Kirche oder Gemeinde und 80% von ihnen nahmen auch an einer Jugendgruppe teil. 

Wer sind die Influencer:innen?

Die Studie untersuchte die Eigenschaften der Influencer:innen, denen die Teilnehmenden folgten. Es wurde festgestellt, dass das Geschlechterverhältnis der Influencer:innen nahezu ausgeglichen war, wobei der Männeranteil leicht höher war. Das Durchschnittsalter der Influencer:innen lag bei 32 Jahren und sie hatten einer breite Spanne von Follower:innen, von 0 bis zu mehreren Millionen. Die Befragten begegneten den Influencer:innen primär auf Instagram und YouTube. In einer offenen Nennung nannten die befragten Personen verschiedene Influencer:innen, darunter Jana Highholder, Johannes Hartl, O’Bros, Seligkeitsdinge, Liebe zur Bibel, Tobias Teichen und The Real Life Guys. Diese Liste ist nur eine kleine Auswahl, da viele weitere Influencer:innen aufgezählt wurden. Es zeigte sich auch, dass die Befragten eher Influencer:innen folgten, die eine ähnliche Glaubenseinstellung hatten wie sie selbst.

Die Teilnehmer:innen dieser Studie berichteten, dass sie die christlichen Influencer:innen entweder auf digitalen Plattformen entdeckt haben oder sie ihnen von anderen Christ:innen empfohlen wurden. Interessanterweise kannten lediglich 12% der Befragten die Influencer:innen bereits aus einem Offline-Kontext, bevor sie ihnen online begegneten. Das zeigt, dass diese Influencer:innen wirklich primär im digitalen Raum agieren und wenig im eigenen privaten Umfeld. Diejenigen, die Inhalte von religiösen Influencer:innen häufiger sehen, gaben an, dass diese eine größere Bedeutung für ihr spirituelles Leben haben. Die Inhalte der Influencer:innen wurden als moderat relevant für ihren Glauben empfunden.

Die Inhalte, die von christlichen Influencer:innen geteilt wurden, deckten einen breiten Themenbereich ab. Die meistgesehenen Inhalte umfassten Bibelwissen, Informationen über den Glauben, persönliche Zeugnisse und Andachten. Hingegen wurden christliche Memes vergleichsweise selten von den Influencer:innen gepostet.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass christliche Personen, die Influencer:innen auf sozialen Medien begegneten, überwiegend männlichen Influencer:innen im Durchschnittsalter von 32 Jahren folgten. Diese Influencer:innen verfügten über eine unterschiedliche Anzahl an Follower:innen und teilten ihre Inhalte vor allem auf Plattformen wie Instagram und/oder YouTube. 

Was lösen Christfluencer:innen in ihren Follower:innen aus?

In unseren Untersuchungen haben wir festgestellt, dass Influencer:innen den Befragten vor allem dabei halfen, eine tiefere Verbindung zu ihrem Glauben herzustellen. Die Inhalte der Influencer:innen erinnerten sie an Jesus, unterstützten sie dabei, eine persönliche Beziehung zu Gott aufzubauen und halfen ihnen, im Glauben zu wachsen. Somit scheinen die Inhalte eine gewisse Relevanz für den Glaubensweg von Christ:innen zu haben. Darüber hinaus konnten wir auch einen unterhaltenden Einfluss der Influencer:innen-Inhalte zeigen: Beim Betrachten dieser Inhalte konnten sich die Befragten entspannen, sie fühlten sich unterhalten und wurden von ihrem Alltag abgelenkt. Somit scheinen die Inhalte der Influencer:innen auch unterhaltend zu sein.

Interessanterweise zeigte sich in unseren Ergebnissen, dass die Influencer:innen den Befragten am wenigsten dabei halfen, neue Beziehungen zu anderen Christ:innen aufzubauen. Trotz des Versuchs von Influencer:innen eine Community herzustellen, scheinen weniger Follower:innen soziale Gratifikationen aus der Nutzung zu ziehen. 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Influencer:innen einerseits dabei halfen, eine tiefere Verbindung zum eigenen Glauben herzustellen und andererseits eine unterhaltsame Komponente in das Leben von Christ:innen gebracht haben. Die Inhalte inspirierten, erinnerten an Jesus und unterstützten im Glaubenswachstum. Gleichzeitig boten sie eine willkommene Ablenkung und ermöglichten Momente der Entspannung. Die Rolle der Christfluencer:innen scheint somit vielschichtig und kann zur spirituellen und emotionalen Bereicherung im Leben der Christ:innen beitragen.

Wie werden Christfluencer:innen von ihren Follower:innen wahrgenommen?

Zudem haben wir uns mit der Wahrnehmung von Influencer:innen durch Christ:innen beschäftigt. Wir haben die Teilnehmer:innen gefragt, ob sie die Influencer:innen als christliche Meinungsführer:innen betrachten, ob sie ihnen Glaubwürdigkeit zuschreiben und, ob sie religiöse Sinnquellen darstellen.

Die Ergebnisse haben gezeigt, dass die Influencer:innen tatsächlich als Meinungsführer:innen angesehen wurden. Insbesondere in Bezug auf ihre Beeinflussungskraft waren die Befragten der Überzeugung, dass Influencer:innen andere Menschen und auch sie selbst beeinflussen konnten. Sie waren dabei der Ansicht, dass Influencer:innen in der Lage sind, andere von ihrem Glauben zu überzeugen. Dabei spielte der individuelle Glaube eine Rolle: Je stärker der Glaube an Gott ist, desto eher betrachteten die Nutzer:innen die Influencer:innen als Vorbilder und Einflussnehmer:innen. Hiermit konnten wir zeigen, dass Influencer:innen ihrem Namen alle Ehre machten: Sie wurden als Beeinflusser:innen wahrgenommen, nicht nur für die Follower:innen selbst, sondern auch darüber hinaus im Bezug auf andere Menschen.

Auch wurden die Influencer:innen als glaubwürdig gesehen und vor allem als vertrauenswürdig wahrgenommen. Dabei wurden sie als Expert:innen in Fragen des christlichen Glaubens wahrgenommen.

Obwohl sie als glaubwürdig und als Meinungsführer:innen betrachtet wurden, schienen die Influencer:innen weniger als christliche Sinnquelle wahrgenommen zu werden. Hier spielte insbesondere das Alter eine Rolle: Je älter die Person ist, desto weniger betrachtete sie die Influencer:innen als Quelle für religiösen Sinn. In diesem Bereich schienen persönliche Kontakte wie Familie, Freund:innen und die kirchliche Gemeinschaft eine zentralere Rolle zu spielen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Influencer:innen als Meinungsführer:innen wahrgenommen wurden und hohe Glaubwürdigkeit genossen. Allerdings fungierten sie seltener als Sinnquelle. Die persönlichen Beziehungen schienen hierbei eine größere Bedeutung zu haben. 

Fazit dieser ersten Ergebnisse der Studie

Schlussendlich zeigte sich, dass Influencer:innen einen hohen Status bei den Befragten hatten. Sie wurden als Meinungsführer:innen bezeichnet, als Expert:innen für den christlichen Glauben und als vertrauenswürdig. Allerdings zeigte sich besonders im Hinblick auf Sinnstiftung, dass andere Einflüsse, wie die Familie oder Freund:innen oder sogar die Kirchgemeinde, als relevanter für das christliche Leben wahrgenommen wurden. Nichtsdestotrotz konnten wir einen tieferen Einblick in die Rolle von Influencer:innen im Leben von christlichen Personen, vor allem Jugendlichen und jungen Erwachsenen, geben. Mit unserer Studie haben wir Erkenntnisse in die Beziehung zwischen Influencer:innen und Nutzer:innen gewonnen. Wir konnten herausfinden, welche christlichen Influencer:innen besonders beliebt sind, welche Bedürfnisse sie bei den Nutzer:innen erfüllen und wie sie wahrgenommen werden. Diese Erkenntnisse helfen uns, die Dynamik zwischen Influencer:innen und Nutzer:innen besser zu verstehen und zeigen, dass sie eine wichtige Rolle im Glaubensleben vieler Christ:innen spielen können. Hierbei geht unsere Studie erste Schritte zu tieferen Erkenntnisse. Weitere Forschung sollte sich auf mögliche Medieneffekte untersuchen, die Influencer:innen auf ihre Follower:innen haben könnten. Unsere Studie kann neben Forschungsimplikationen auch nützliche Informationen für Kirchenleiter:innen, Jugendleiter:innen sowie Eltern haben. Vor allem für diese Gruppen ist es zentral zu verstehen, wie Influencer:innen wahrgenommen werden und welchen Einfluss sie auf christliche Jugendliche haben können.


Beitrag von Julia Müller, UFSP-Projekt P3 Digitale soziale Dynamiken von Spiritualität. Spiritualität und Religiosität im Kontext digitaler Kommunikation


(1) Jahnke, 2021
(2) Jahnke, 2021
(3) Novak et al., 2022; Smith et al., 2021; Zaid et al., 2022
(4) Jahnke, 2021; Krain & Mößle, 2020; Novak et al., 2022; Smith et al., 2021
(5) Krain & Mößle, 2020; Smith et al., 2021
(6) Novak et al., 2022
(7) Novak et al., 2022; Zaid et al., 2022
(8) Krain & Mößle, 2020; Novak et al., 2022; Zaid et al., 2022

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