HBS Blog

Lehrstuhl für Historische Bildungsforschung und Steuerung des Bildungssystems, Prof. Dr. Lucien Criblez

Spannende Exkursion nach Budapest und Innsbruck

29. September 2015 | Flavian Imlig | Keine Kommentare |

Wie sind aktuelle Bildungsreformen in Ungarn ausgestaltet? Wie funktioniert die Ausbildung von Lehrpersonen in Österreich aktuell? Wie soll sie zukünftig aussehen? Welche Typen von Gymnasien gibt es in Ungarn? Inwiefern sind die aktuellen Veränderungen im ungarischen Bildungssystem Teil machtpolitischer Kalküle?

Mit diesen und vielen weiteren Fragen reiste eine Gruppe rund um Prof. Dr. Lucien Criblez Anfang September nach Budapest und Innsbruck. Die bildungshistorisch und bildungspolitisch interessierten Masterstudierenden, Doktoranden und Post-Docs durften spannende Einblicke in Politik und Praxis der gymnasialen und der Lehrerbildung in Ungarn und Österreich erleben.

Ungarns Gymnasien und die Politik

In Budapest wurde die Exkursionsgruppe sehr herzlich von Prof. Dr. András Németh und Dr. Beatrix Vincze empfangen an der pädagogisch-psychologischen Fakultät der Eötvös-Loránd-Universität. Die beiden hatten ein dichtes Programm mit zahlreichen Referentinnen und Referenten sowie zwei Schulbesuchen organisiert. Bereits in seinem Einstiegsreferat skizzierte András Németh die historischen und aktuellen Spannungslinien der ungarischen Bildungspolitik mit Fokus auf den Gymnasien und der Ausbildung von Lehrpersonen. Spannend waren aus Schweizer Perspektive die markanten historischen Zäsuren im 20. Jahrhundert, zuletzt mit der Wende 1989. Als Abschluss seines Referats widmete sich Németh ausführlich den jüngsten Reformaktivitäten seit 2010 unter der nationalkonservativen Orban-Regierung. Er nahm dabei sowohl die programmatischen Elemente dieser praktisch alle Ebenen des Bildungssystems betreffenden Reformen als auch kritische Positionen dazu auf. Im Bereich der Lehrerbildung liess dabei insbesondere die Abkehr vom zweistufigen System der Abschlüsse gemäss Bologna zurück zu den traditionellen Diplomabschlüssen aufhorchen. Ebenso erstaunte die gemäss Németh politisch relativ explizit formulierte, drastische Forderung, mittelfristig rund die Hälfte der ungarischen Gymnasien zu schliessen.

Die Thematik der politischen Einflussnahme setzte sich in den weiteren Referaten und insbesondere auch während der Besuche in zwei Gymnasien fort. Dabei kamen sowohl Vertreter und Vertreterinnen der neusten Reformen als auch kritische Stimmen zu Wort. Insgesamt entstand der Eindruck einer grossen Dynamik im aktuellen bildungspolitischen Gefüge Ungarns mit ungewissem Ausgang.

Reformeifer in Österreich

Der Besuch Cisleithaniens, dem zweiten Staat der ehemaligen Donaumonarchie, genauer am Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung in Innsbruck, zeitigte imposante Einsichten: Das österreichische Bildungssystem befindet sich derzeit sowohl auf tertiärer (PädagogInnenbildung) als auch auf Primar- und Sekundarschulebene (Volksschule) in einer Phase tiefgreifender Reformvorgänge, die trotz ihrer bekannten resp. erkannten Schwächen emsig vorangetrieben werden. Dieser an Reformwut erinnernde Eifer kann für Aussenstehende nur dadurch begriffen werden, als dass es sich für Österreich – gemäss Ausführungen der Referierenden – im Grunde um die erste weitreichende Neugestaltung der Bildungslandschaft seit Etablierung der allgemeinen Schulordnung 1774 unter Maria Theresia handelt. Somit ist eine gewisse Euphorie seitens der Befürworter nicht von der Hand zu weisen, die darauf gründet, dass überhaupt Bewegung ins österreichische Bildungswesen kommt.

Gruppenbild

Die Exkursionsteilnehmer um Prof. Dr. Lucien Criblez mit Dr. Beatrix Vincze, Ausbildnerin an der Graduiertenschule für Erziehungswissenschaften der ELTE Universität und Dr. Tas Szebedy, Direktor des Városmajor Gymnasiums

Abgelegt unter: LehreVeranstaltungen
Tags:


Keine Kommentare vorhanden

  • Es gibt noch keine Kommentare.

Sie müssen eingeloggt sein, um einen Kommentar zu schreiben.