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Lehrstuhl für Historische Bildungsforschung und Steuerung des Bildungssystems, Prof. Dr. Lucien Criblez

Technikum Burgdorf: die erste kantonale Gewerbefachschule im Kanton Bern

11. Februar 2022 | Stefan Kessler | Keine Kommentare |

Von Wibke Oppermann, 11. Februar 2022

Im Rahmen eines Forschungspraktikums erhielt ich Einblicke ins SNF-Infrastrukturprojekt «Bildung in Zahlen». Dieses Projekt befasst sich mit der Inventarisierung historischer bildungsstatistischer Daten. Meine Aufgabe sollte es sein, bei der Datenaufbereitung im Bereich der höheren technischen Schulen mitzuhelfen. Konkret befasste ich mich mit dem Technikum in Burgdorf, der ersten kantonalen Gewerbefachschule in Bern. Als Arbeitsgrundlage dienten mir zum einen die Rechenschaftsberichte des Kantons Bern, zum anderen die Jahresberichte des Technikums.

Die Rechenschaftsberichte zeichnen den Start des Technikums Burgdorf nach und zeigen auf, wie sich die Institution in ihren Inhalten und Zielen allmählich festigte. 1890 beschloss der Kanton Bern, in Burgdorf eine höhere Gewerbeschule einzurichten. Neben Burgdorf als Standort für diese neue Schule standen auch Bern und Biel zur Auswahl. 1891 entschied sich der Grosse Rat in zwei Wahlgängen für den Standort Burgdorf. Bereits ein Jahr später starteten 29 Studenten eine Ausbildung in der Abteilung für Baugewerbe, Maschinen-Technik, Elektrotechnik oder Chemie-Technik. Zehn Jahre später ist die Gesamtzahl der Studierenden auf insgesamt 364 angestiegen (gerechnet von Student 1 im Jahr 1893 bis zum Student 364 im Jahr 1903). Jedes Jahr meldeten sich mehr Interessierte für die Aufnahmeprüfungen an. Besonders im Wintersemester stiegen die Aufnahmen am Technikum durch Aufnahmeprüfungen an (siehe Abbildung 1). Das Wintersemester begann jeweils im Oktober, das Sommersemester im April.

Abb. 1: Total Studierende und neuaufgenommene Studierende am Technikum Burgdorf, 1894/95–1903/04

Das Technikum Burgdorf verzeichnete von Beginn an stetig steigende Schülerzahlen und erfreute sich einer breiten Beliebtheit. Aus allen Kantonen der Schweiz kamen Interessierte nach Burgdorf, um sich dort zum Bauingenieur, Maschinentechniker, Elektrotechniker oder Chemiker ausbilden zu lassen. Sogar aus Russland, Ägypten, Rumänien oder Bulgarien nahmen immer wieder Studierende den weiten Weg in die Schweiz auf sich, um sich am Technikum ausbilden zu lassen.

Diese Informationen stammen aus den Jahresberichten des Technikums. In den Rechenschaftsberichten gibt es teilweise Widersprüche, etwa wenn die Gesamtstudierendenzahl des einen Jahres sich nicht mit der Nennung des vorhergegangenen Jahres deckt. Demgegenüber waren die Jahresberichte inhaltlich weitaus detaillierter. Die Daten, die ich aus den ersten zehn Jahresberichten des Technikums erfassen konnte, zeigen folgendes Bild. Zum Beispiel wurden die Stundentafeln und Inhalte der einzelnen Fächer detailliert aufgelistet. Alle Lernenden wurden namentlich erfasst mit Herkunftsort, Vorbildung und Alter. Die Zahlen zeigen, dass der durchschnittliche Student des Technikums eine Mittelschule besucht hat und zwischen 18–20 Jahre alt war.

Die Entwicklung des Technikums kann mithilfe der Jahresberichte ebenfalls nachverfolgt werden. So sind zu Beginn des Institutsgeschichte darin noch viele unterschiedliche Paramater enthalten, wie das Total der Lehrkörper, jegliche Informationen rund um die Schülerschaft sowie die Mutation der Studierenden (Neuaufnahmen, Austritte, Übertritte aus vorangehenden Kursen). Bei Einblicken in Jahresberichte aus den 1940er-Jahren ist eine deutliche Verschlankung der Datenmenge auszumachen. Ein Vergleich mit Berichten aus den nächsten Jahrzehnten wäre nun interessant: Welche neuen Daten werden noch genannt? Was hat interessiert? Wie verändert sich die Darstellung der Daten? Und welche Daten werden nicht weiter ausgewiesen? Seit 1997 gliedert sich das Technikum Burgdorf dem Departement Technik und Informatik der Berner Fachhochschule an und ist damit Teil einer umfassenden Ausbildungsinstitution. 2018 verliess das Technikum seinen Standort in Burgdorf im Gsteig und bezog ein neues Gebäude. Aus dem mehrfach erweiterten und denkmalgeschützten «Tech»-Gebäude soll nun ein Bildungscampus entstehen.

Abb. 2: Kantonales Technikum in Burgdorf. Erbaut 1893—1894 von Otto Dorer und Adolf Füchslin. Fotografie von Hermann Völlger (1855–1930). Quelle: Wikimedia Commons.

Dieses Praktikum hat mir Einblicke in ein spannendes Projekt ermöglicht, das sich mit der Aufbereitung von Statistiken mit Fragen auseinandersetzt, die sich vermutlich jeder einmal in seinem Forschungsprojekt stellt: Wo finde ich die relevanten Quellen? Was sagen mir diese Quellen? Was möchte ich wissen? Finde ich in anderen Quellen weitere hilfreiche Informationen? Wie stelle ich die in den Quellen enthaltenen Informationen dar? Ich stehe am Anfang meines eigenen Forschungsprojektes. Dank des Praktikums im SNF-Projekt «Bildung in Zahlen» konnte ich mich bereits mit all diesen Fragen an einem konkreten Beispiel auseinandersetzen und nehme diese Erfahrung gerne mit, wenn es darum geht, mich mit «meinen» Quellen auseinanderzusetzen.

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