Social Psychology @ UZH

Social Behavior in a Digital Society

Unternehmen können die Einstellung ihrer Kunden gegenüber Selektionsalgorithmen zu ihrem Vorteil nutzen

5. December 2016 | Johannes Ullrich | Keine Kommentare |

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Von Myriam Ebinger

Hast du dich schon einmal darüber gewundert, dass in deinem Facebook bei den Neuigkeiten plötzlich eine Werbung steht zu einem Produkt, welches du kürzlich auf Google gesucht hast? Dann bist du Zeuge des Ergebnisses eines Selektionsalgorithmus geworden. Was genau ist jedoch solch ein Selektionsalgorithmus?

Ein Algorithmus ist die Beschreibung des Vorgehens zur Lösung eines Problems. Also wie die Anleitung eines IKEA-Möbels, welche einem Schritt für Schritt beschreibt, wie es zusammengesetzt werden soll. Ein Selektionsalgorithmus ist somit eine Anweisung an das System, nach welchen Kriterien Inhalte ausgewählt werden sollen. Zu dieser Art der Algorithmen gehören zum Beispiel Such-, Aggregations-, Überwachungs- und Empfehlungsapplikationen. Es gibt also bereits eine grosse Auswahl an Algorithmen alleine für die Selektion von Daten. Im Allgemeinen spricht man im Kontext von Webseiten meist von Such- und Empfehlungsalgorithmen, wie sie Unternehmen wie Google, Facebook und Netflix nutzen.

Viele Menschen wissen über diese Algorithmen nicht oder nur ungenügend Bescheid. Deshalb sind sie diesen eher feindlich oder zumindest kritisch gesinnt. Denn viele Menschen haben das Gefühl, überwacht oder manipuliert zu werden, wenn ein Unternehmen wie zum Beispiel Facebook massgeschneiderte Kaufvorschläge unterbreitet. Welche Rolle spielt die Einstellung gegenüber diesen Algorithmen für die Sympathie respektive Antipathie gegenüber einem Unternehmen?

In der Psychologie wird eine Einstellung folgendermassen beschrieben: die Bereitschaft eines Individuums ein Objekt positiv oder negativ zu bewerten, was sich in Gedanken, Gefühlen und Verhalten ausdrücken kann. Es wäre denkbar, dass die negative Einstellung gegenüber den erwähnten Selektionsalgorithmen auf ein ganzes Unternehmen ausstrahlt und daraus ein negatives Image resultiert. Umgekehrt ist dieser Prozess auch als Chance zu sehen: eine Person mit einer positiven Einstellung gegenüber Selektionsalgorithmen nimmt auch eine positive Einstellung gegenüber dem Unternehmen ein, welches damit wirbt, solche Algorithmen zu verwenden. Somit wäre es für das Unternehmen von Vorteil, die anfängliche negative Einstellung in eine positive umwandeln zu können. Dies wäre dank der sogenannten evaluativen Konditionierung möglich. Dabei werden Argumente und daraus resultierende positive Emotionen mit dem Unternehmensnamen gekoppelt und auf das Unternehmen übertragen. Dies könnte beispielsweise durch gezielte Werbung erreicht werden. Denn sachlich gesehen benutzen wir im Alltag, das heisst in der «Offline-Welt», auch viele Algorithmen (z.B. wenn wir auf der Suche nach einer Wohnung sind und eine Maklerin mit unseren individuellen Suchkriterien anfragen). Und genau so könnte man die Menschen bei den Emotionen packen und ihnen zeigen, wie praktisch und effizient es ist, verstanden zu werden und genau das zu kriegen, das man will.

Eine bleibende negative Einstellung gegenüber Selektionsalgorithmen ist für ein Unternehmen schlecht. Wie sollen diese Firmen nun mit der negativen Einstellung umgehen? Sie können diese zu ihren Gunsten nutzen und ihre Taktik ändern, indem sie den Kunden die Möglichkeit bieten, die Selektionsalgorithmen auf ihrer Website auszuschalten. Dadurch können sie sich von anderen Konkurrenten differenzieren und neue Kunden akquirieren, die Selektionsalgorithmen gegenüber eher negativ eingestellt sind.

Was viele Menschen vor allem an den Selektionsalgorithmen stört, ist nicht in erster Linie das Was, sondern vielmehr das Wie und insbesondere auf welcher Datenbasis diese Auswahlkriterien beruhen. Denn damit die Algorithmen optimal funktionieren, benötigt das Unternehmen Informationen in Form von Daten. Diese Informationen erhalten sie oftmals ohne das Wissen der Benutzer der Webseiten. Und genau damit haben viele Menschen ein Problem, denn der Datenschutz und die Privatsphäre könnten dabei verletzt werden. Dies ist neben der Manipulation der Konsumenten einer der prominentesten Gründe für die Unzufriedenheit der Kunden mit den Algorithmen. Vielen Konsumenten ist jedoch nicht klar, welche weiteren sozialen Risiken existieren. Der Medienwissenschaftler Michael Latzer erwähnt beispielsweise auch eine Verringerung der Auswahl, soziale Diskriminierung und eine Beschränkung der Meinungsfreiheit. Nimmt das Wissen über die mit Algorithmen verbundenen sozialen Risiken zu, würde das Image von Unternehmen, die sich dieser Algorithmen bedienen, leiden.

Ein Unternehmen, welches dieses Problem bereits erkannt hat, entwickelte die Suchmaschine DuckDuckGo, welche ganz ohne Speicherung persönlicher Daten auskommt und damit wirbt, sich nicht dem Nutzungsverhalten anzupassen, neutral zu bleiben und ungefilterte Informationen zu liefern. Diese Webseite bearbeitet täglich mehrere Millionen Suchanfragen und ist ein Beweis dafür, dass dieses Angebot einem Bedürfnis entspricht. Selbstverständlich verwendet DuckDuckGo ebenfalls Algorithmen, jedoch ohne die Komponenten der Speicherung persönlicher Daten und der Manipulation.

Es ist in der heutigen Zeit bei der vorherrschenden enorm grossen Datenmenge praktisch unmöglich, bei Webseiten auf Algorithmen zu verzichten. Unternehmen können jedoch die Einstellung der Kunden gegenüber Selektionsalgorithmen nutzen und zu ihren Gunsten verwenden, indem sie entweder die positive Einstellung gegenüber Algorithmen mit ihrem Unternehmen koppeln oder die Bedenken der Kunden berücksichtigen und ihnen eine „light“ Version der Algorithmen anbieten, die Datensicherheit und die Privatsphäre schützen. Diese Möglichkeit der Wahlfreiheit ist heutzutage besonders wichtig, da es sowohl Kunden gibt, die es geniessen, auf sie zugeschnittene Ergebnisse zu erhalten, aber ebenso auch andere Kunden, bei denen die Wahrung ihrer Privatsphäre im Vordergrund steht.

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