Salbei (Salvia) – nicht nur zum Gurgeln

Salbei (Salvia) – nicht nur zum Gurgeln

Beitrag von Florian Derler

Im späten Frühling taucht bei uns der wunderbar bläulich, violett oder rosafarben blühende Wiesensalbei (Salvia pratensis) auf. Wie auch der ‚Gewürzsalbei‚ (Salvia officinalis) aus dem Supermarkt ist er Teil der Pflanzengattung Salvia. In ihr sind fast 1000 Spezies bekannt, welche auf allen Kontinenten, ausser Australien und der Antarktis, von tropischen bis gemässigten Breitengraden vorkommen. Erste Belege für die menschliche Verwendung von ausgewählten Salvia Arten finden sich bereits im ägyptischen und chinesischen Altertum sowie beim Aztekenreich in Amerika.

Wiesensalbei (Salvia pratensis) (Abbildung 1)
Zeichnung des Echten Salbeis (Salvia officinalis) (Abbildung 2)
 

Die Nutzung von Salvia, je nach Spezies, reicht von Kosmetikprodukten, Nahrung/Gewürz, Medizin bis hin zu Ritualpflanzen.[1] Die ‚positive‘ Wirkung für den Menschen der genutzten Salbeiarten entsteht durch sekundäre Pflanzenstoffe.[2] Diese sind für die Pflanzen nicht lebensnotwendig, werden von ihr aber zum Beispiel zur Abwehr von Schädlingen produziert.

In diesem Blog stelle ich vier wichtige Salvia Arten aus dieser äusserst vielfältigen Pflanzengattung vor.

Echter Salbei (Salvia officinalis)

Echter Salbei (Salvia officinalis) (Abbildung 3)
Blatt des Echten Salbeis (Abbildung 4)

Viele Salbeiarten könnten theoretisch in irgendeiner Form in der Nahrung verwendet werden, aber der «Echte Salbei» hat sich durchgesetzt und wird am meisten genutzt. Dieser ursprünglich mediterrane Salbei, auch Küchen- oder Heilsalbei genannt, ist schon seit der Antike in Gebrauch.[3] Neben seiner Verwendung als Gewürz hilft er je nach Region gemäss traditioneller Medizin gegen eine Vielzahl von Beschwerden und Krankheiten.

Tee aus echten Salbeiblättern wurde zum Beispiel in der Schweiz gegen ‚Schwitzen‘, insbesondere Hitzewallungen in der Menopause, eingesetzt. In Österreich liegt der Schwerpunkt bei Mund- und Rachenentzündungen sowie Verdauungsbeschwerden. Es befinden sich je nach Wachstumsort und Verarbeitungsmethode bis zu 80 Inhaltsstoffe im Salbei, was Forschung zu deren Wirkung besonders interessant macht.[4] Durch Tierstudien konnte eine Verbesserung des Erinnerungsvermögens nachgewiesen werden. Eine leichte Verringerung der Symptome der Alzheimerkrankheit, Angst- und Schlafstörungen wurden in klinischen Studien durch Salvia officinalis bestätigt.[4] [5]

Diese Wirkung kommt durch Isorosmanol zustande. Diese Substanz unterdrückt das Enzym Cholinesterase, welches normalerweise das für die Nervenübertragungen wichtige Acetylcholin abbaut. Bei an Alzheimer erkrankten Patienten herrscht ein Mangel an Acetylcholin, somit steht bei der Inaktivierung des Enzymes mehr Acetylcholin im Gehirn der Alzheimerpatienten zur Verfügung.[6]

Nebst der Arznei war im europäischen Mittelalter der Echte Salbei auch ein Haarpflegeprodukt für glänzenderes, dunkleres Haar.[1]

Rotwurzel-Salbei (Salvia miltiorrhiza)

Wurzel des Rotwurzel-Salbeis (Salvia miltiorrhiza) (Abbildung 5)
Beispiel eines verkauften Produkts (Abbildung 6) 

In China und Japan ist der «Rotwurzel Salbei» einheimisch, bei uns auch «China Salbei» genannt. Die Wurzel dieses Salbeis ist seit mindestens 3000 Jahren äusserst wichtig in der traditionellen chinesischen Medizin und wird unter anderem zur Behandlung von Menstruationsbeschwerden, Herzkrankheiten und Durchblutungsstörungen eingesetzt.[7] Die Listen mit angeblichen Anwendungsmöglichkeiten dieser Salbeiwurzel sind lang und Wissenschaftler konnten bisher 200 Inhaltsstoffe isolieren.

Viele Studien haben den Nutzen des Salbeis gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen untersucht, bestätigt wurde dabei zum Beispiel der positive Einfluss von Wurzelsalbei auf Arteriosklerose und Bluthochdruck, allerdings stehen Nebenwirkungen sowie Arzneimittelwechselwirkung in der Diskussion.[8] In Zukunft könnte der Salbei auch zur Behandlung von Diabetes eingesetzt werden, da er gleich an mehreren Orten im Körper (z. Bsp. Leber, Nerven, Hypothalamus) die entstehenden Störungen bekämpft. [9] [10] Auch über die Antimikrobielle Wirkung vom Rotwurzelsalbei gibt es vermehrt Studien, es wird insbesondere untersucht, wie dieser in Kombination mit anderen antimikrobiellen Mitteln wirkt.[11]

Azteken-Salbei (Salvia divinorum)

Azteken-Salbei (Salvia divinorum) (Abbildung 7)
Ihre getrockneten zerriebenen Blätter (Abbildung 8)

Diese bis zu drei Meter hochwachsende Salbeiart, auch Wahrsagesalbei genannt, ist eine Heil- und Zauberpflanze der Azteken. Als Heilpflanze wurde sie unter anderem bei Rheuma, Kopfschmerzen und Ausscheidungsstörungen angewendet.[12] Bis heute führen Mazateken, ein indigenes Volk in Mexiko, traditionelle Zeremonien mit dem Salbei durch, bei dem die Teilnehmenden durch mehrere Bewusstseinszustände geleitet werden. Dafür werden Salbeiblätter gekaut und geschluckt oder als Lösung getrunken.[13] Durch seine psychodelische Wirkung wird der Azteken-Salbei auch als Freizeitbeschäftigung ausserhalb von Mexiko eingenommen, was bei Konsumenten jedoch zu psychischen Störungen, wie zum Beispiel Paranoia, führen könnte.[14] Der Hauptwirkstoff in Salvia divinorum ist ‚Salvinorin A‚ und neben der Forschung über seine psychodelische Wirkung wird er auch als mögliches schmerz- oder entzündungshemmendes Medikament untersucht. [15]

Mexikanische Chia (Salvia hispanica)

Mexikanische Chia (Salvia hispanica) (Abbildung 9)
Ihre Samen (Abbildung 10)

Die etwa zwei Millimeter grossen Chiasamen wurden bereits vor mindestens 5’500 Jahren gegessen und waren eine der wichtigsten Ernährungsquellen der Azteken und Mayas. Sie sind reich an Proteinen, Omega-3/Omega-6 Fettsäuren, Ballaststoffe und Vitamine. Diese gesunde Zusammensetzung kann prophylaktisch gegen Fettleibigkeit und Herzkreislauferkrankungen eingenommen werden.[16] Chiasamen liegen im Trend und werden oft als ‚Superfood‘ bezeichnet. Es ist jedoch umstritten, weil das Omega-3 zu Omega-6 Verhältnis in Chia nicht ideal ist. [17] Und mit den einheimischen Leinsamen haben wir ein gleichwertiges Produkt.

Neben der Verwendung als Nahrungsmittel wurde zur Aztekenzeit aus dem Öl der Chiasamen Körperfarbe hergestellt. Der Status einer Person wurde durch die Körper- und speziell Gesichtsbemalung gekennzeichnet. Chia wurde von den Azteken auch als Arzneisalbe gegen zum Beispiel Schmerzen und Ausschläge verwendet.[1] Aktuell wird wegen steigendem Konsum von Chiasamen, viel über deren mögliche medizinische Wirkung geforscht. Klinische Studien fehlen, jedoch deuten einige In-vitro-Untersuchungen auf mögliche entzündungshemmende, antimikrobielle und blutdrucksenkende Wirkung hin.[18]

Zusammenfassend existieren in der äusserst vielfältigen, fast weltweit vorkommenden Pflanzengattung Salvia einige sehr wichtige Nutzpflanzen mit reichhaltiger Geschichte. Da viele Arten (auch) als Zierpflanzen gesammelt und gezüchtet werden, möchte ich mit einer Collage enden, welche die Vielfalt an farbigen Blüten präsentiert.

Salvia gesneriiflora (Abbildung 11)
Salvia discolor (Abbildung 12)
Salvia greggii (Abbildung 13)
Salvia madrensis (Abbildung 14)
Salvia splendens (Abbildung 15)
Salvia nemorosa (Abbildung 16)

Literaturverzeichnis

[1] Dweck, A. C. (2000). The folklore and cosmetic use of various Salvia species. Kintzios, S.E. (Ed.) (2000). Sage. The genus Salvia14, 1-25.

[2] Georgiev, V., & Pavlov, A. (Eds.). (2017). Salvia Biotechnology. Springer International Publishing. https://doi.org/10.1007/978-3-319-73900-7

[3] Purle, T. (2020, 7. Mai). Salbei. Kräuterbuch. Zugegriffen am 01. Mai 2022. https://www.kraeuter-buch.de/kraeuter/Salbei.html

[4] Akbar, S. (2020). Handbook of 200 medicinal plants: a comprehensive review of their traditional medical uses and scientific justifications.

[5] Dinel, A. L., Lucas, C., Guillemet, D., Layé, S., Pallet, V., & Joffre, C. (2020). Chronic supplementation with a mix of salvia officinalis and salvia lavandulaefolia improves morris water maze learning in normal adult C57Bl/6J mice. Nutrients12(6), 1777. https://doi.org/10.3390/nu12061777.

[6] Sallam, A., Mira, A., Ashour, A., & Shimizu, K. (2016). Acetylcholine esterase inhibitors and melanin synthesis inhibitors from Salvia officinalis. Phytomedicine23(10), 1005-1011. https://doi.org/10.1016/j.phymed.2016.06.014.

[7] Tang, W., & Eisenbrand, G. (1992). Chinese Drugs of Plant Origin : Chemistry, Pharmacology, and Use in Traditional and Modern Medicine. Springer Berlin Heidelberg.

[8] Wang, L., Ma, R., Liu, C., Liu, H., Zhu, R., Guo, S., Tang, M., Li, Y., Niu, J., Fu, M., Gao, S., & Zhang, D. (2017). Salvia miltiorrhiza: A Potential Red Light to the Development of Cardiovascular Diseases. Current Pharmaceutical Design23(7), 1077–1097. https://doi.org/10.2174/1381612822666161010105242

[9] Jia, Q., Zhu, R., Tian, Y., Chen, B., Li, R., Li, L., Wang, L., Che, Y., Zhao, D., Mo, F., Gao, S., & Zhang, D. (2019). Salvia miltiorrhiza in diabetes: A review of its pharmacology, phytochemistry, and safety. Phytomedicine58, 152871. https://doi.org/10.1016/j.phymed.2019.152871

[10] Abd Rashed, A., & Rathi, D.-N. G. (2021). Bioactive Components of Salvia and Their Potential Antidiabetic Properties: A Review. Molecules26(10), 3042. https://doi.org/10.3390/molecules26103042

[11] Moon, K., & Cha, J. (2020). Enhancement of Antioxidant and Antibacterial Activities of Salvia miltiorrhiza Roots Fermented with Aspergillus oryzae. Foods9(1), 34. https://doi.org/10.3390/foods9010034

[12] Gartz, J. (2001). Salvia divinorum: „Die Wahrsagesalbei“. Nachtschatten-Verlag.

[13] Casselman, I., Nock, C. J., Wohlmuth, H., Weatherby, R. P., & Heinrich, M. (2014). From local to global—Fifty years of research on Salvia divinorum. Journal of Ethnopharmacology151(2), 768–783. https://doi.org/10.1016/j.jep.2013.11.032

[14] El-Khoury, J., & Sahakian, N. (2015). The association of Salvia divinorumand psychotic disorders: A review of the literature and case series. Journal of Psychoactive Drugs47(4), 286-292. https://doi.org/10.1080/02791072.2015.1073815

[15] Coffeen, U., & Pellicer, F. (2019). Salvia divinorum: from recreational hallucinogenic use to analgesic and anti-inflammatory action. Journal of Pain Research12, 1069. https://doi.org/10.2147/JPR.S188619

[16] Marcinek, K., & Krejpcio, Z. (2017). Chia seeds (Salvia hispanica): health promoting properties and therapeutic applications-a review. Roczniki Państwowego Zakładu Higieny68(2).

[17] Cassiday, L. (2017, Januar). Chia: Superfood or superfad? AOCS. Zugegriffen am 01. Mai 2022. https://www.aocs.org/stay-informed/inform-magazine/featured-articles/chia-superfood-or-superfad-january-2017?SSO=True

[18] Rabail, R., Khan, M. R., Mehwish, H. M., Rajoka, M. S. R., Lorenzo, J. M., Kieliszek, M., Khalid, A. R., Shabbir, M. A., & Aadil, R. M. (2021). An overview of chia seed (Salvia hispanica L.) bioactive peptides’ derivation and utilization as an emerging nutraceutical food. Frontiers in Bioscience-Landmark26(9), 643-654. https://doi.org/10.52586/4973

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Foto von Armin S. Kowalski unter CC BY-SA 2.0

Abbildung 2: Foto von Walther Otto Müller unter Public Domain

Abbildung 3: Foto von Tangopaso unter Public Domain

Abbildung 4: Foto von Agnieszka Kwiecień, Nova unter CC BY-SA 4.0

Abbildung 5: Foto von ResearchGate unter CC BY-NC 4.0

Abbildung 6: Foto von Nianahsiwgoa unter CC BY-SA 3.0

Abbildung 7: Foto von Carl P. McCall unter CC BY-SA 2.5

Abbildung 8: Foto von Pie4all88 unter Public Domain

Abbildung 9: Foto von Krzysztof Ziarnek, Kenraiz unter CC BY-SA 4.0

Abbildung 10: Foto von Daniel Schwen unter CC BY 3.0

Abbildung 11: Foto von Stan Shebs unter CC BY-SA 3.0

Abbildung 12: Foto von Scott Zona unter CC BY-NC 2.0

Abbildung 13: Foto von Stan Shebs unter CC BY-SA 3.0

Abbildung 14: Foto von I, KENPEI unter CC BY-SA 3.0

Abbildung 15: Foto von Dinesh Valke unter CC BY-SA 2.0

Abbildung 16: Foto von 阿橋 HQ unter CC BY-SA 2.0