Blutbuche: die purpurrote Mutation

Blutbuche: die purpurrote Mutation

Ein Beitrag von Sara Reiff

Die Blutbuche (Fagus sylvatica f. purpurea) unterscheidet sich von der normalen Rotbuche (Fagus sylvatica) allein durch die Färbung ihrer Blätter. Anstatt grün erscheinen sie nämlich in einem dunklen Purpurrot. Auch im Botanischen Garten der Universität Zürich steht – wie in vielen Gärten als Zierpflanze – eine grosse 140 Jahre alte Blutbuche. Obwohl sie damit noch nicht ihre Altersgrenze erreicht hat, neigt sich ihr Leben leider bereits dem Ende zu.

Blutbuche im Botanischen Garten UZH (Abbildung 1)

Herkunft der Blutbuche

Die Blutbuche ist durch eine natürliche einzelne Mutation aus der Rotbuche entstanden. Diese Mutation ist dafür verantwortlich, dass dem Baum ein Enzym fehlt, das normalerweise in der Epidermis der Blätter sogenannte Anthocyane abbauen würde. Anthocyane sind Pigmente, die eine starke Rotfärbung verursachen und dadurch das Grün des Chlorophylls in den Blättern überdecken können.[1]

Diese Mutation ist sehr selten, trat aber mehrmals unabhängig voneinander auf. Die bekannteste, jedoch nur zweitälteste Blutbuche stand in einem Wald nahe des Ortes Sondershausen; das liegt ungefähr in der Mitte Deutschlands. Aufgrund ihrer imposanten Färbung wurde sie als Zierpflanze in vielen Gärten weit verbreitet. Die meisten heutigen Blutbuchen stammen von der Blutbuche nahe Sondershausen ab, sie wird deswegen sogar als «Mutterblutbuche» bezeichnet. Mutmasslich entstand sie Ende des 17. Jahrhunderts.[2] Es gibt jedoch eine zweite, noch ältere Blutbuche, und sie befand sich hier ganz in der Nähe! Von ihr stammt auch die Blutbuche im Botanischen Garten Zürich ab. In der Gemeinde Buch am Irchel im Kanton Zürich stand nämlich seit 1680 die älteste in Europa bekannte Blutbuche. Sie ist auf dem Wappen der Gemeinde abgebildet und um sie herum entstanden mehrere düstere Sagen. Eine davon erzählt von einem Brüderpaar, das sich in einer Hungersnot beim Streit um eine einzelne Maus gegenseitig umbringt. Ihr Blut floss zu der jungen Buche und färbte ihre Blätter rot.[3]

Blutbuche im Botanischen Garten der UZH (Abbildung 2)
Blutbuche im Botanischer Garten Zürich von unten (Abbildung 3)

Über die Buchen

Allgemein ist die Rotbuche, von der sich die Blutbuche wie gesagt nur in der Blattfarbe unterscheidet, weit in Europa verbreitet. Sie kommt vom Süden Skandinaviens bis in die nördlichen Gebiete Italiens und Griechenlands und von der Atlantikküste bis Russland vor. In Europa und der Schweiz ist sie eine der häufigsten Baumarten.[4]

Eines ihrer wichtigsten Erkennungsmerkmale ist die glatte, silbergraue Rinde. Daher kommt auch bei Gewittern das Sprichwort «Buchen sollst du suchen, Eichen sollst du weichen». Es wurde nämlich geglaubt, dass die Buche aufgrund ihrer glatten Rinde im Gegensatz zu der Eiche mit ihrer zerfurchten rissigen Rinde besser Blitze ableiten kann. Das ist jedoch nur Volksglaube und fand keine Bestätigung.

Die männlichen Blüten der Buche sehen aus wie kleine wuschelige gelbe Köpfchen an einem langen Stiel. Die Bucheckern sind die Früchte der Buche. Diese stammen von den weiblichen Blütenständen.

Blatt einer Blutbuche (Abbildung 4)
Männliche Blüte einer Rotbuche (Abbildung 5)
Buchecker einer Rotbuche (Abbildung 6)

Bei guten Bedingungen können Buchen im Durchschnitt 250 bis 300 Jahre alt werden, manchmal erreichen sie sogar ein Alter von bis zu 500 Jahren. Zum Tod kommt es oft durch Stammfäule.[5] Buchen können bis zu 45 Metern hoch werden.

Im Alter besitzt die Buche eine blattreiche Krone, die nur spärlich Licht durchlässt. Deswegen können sich auf dem Boden darunter nur Frühblüher durchsetzen Sie blühen, bevor das Blattdach zu dicht ist, um noch Licht durchzulassen.

Das Holz der Rotbuche hat eine rötliche Färbung, daher kommt auch der Name Rotbuche – im Gegensatz zum «Blut» in der Blutbuche, das von der Blätterfarbe herrührt. Viele Tiere, wie beispielsweise Eichhörnchen, Eichelhäher oder Mäuse sammeln die Bucheckern. Wenn sie nicht alle aufessen, tragen sie damit zur Verbreitung der Buche bei.[6]

Die jungen Buchen nutzen im Frühling im Wald das Licht und treiben vor den älteren Buchen aus. Es scheint so, dass die Mutterbäume für ihren Nachwuchs sorgen.[4]

Zweig einer Blutbuche (Abbildung 7)

Nahrhafte Bäume

Fagus sylvatica lautet der wissenschaftliche Name der Rotbuche. Fagus kommt aus dem Griechischen, wo die Buche «Phegos» genannt wurde. Das wiederum kommt von «phagein» und bedeutet «essen».[5] Sylvatica leitet sich von Sylvanus ab, dem römischen Gott der Hirten und Wälder.[4] Übersetzt bedeutet der Name der Buche also mehr oder weniger «Essen im Wald». Die Buche diente in früheren Zeiten als wichtige Nahrungsquelle für die Menschen. Sowohl die Blattknospen als auch Frühlingsblätter ergaben eine leckere Mahlzeit, und die Nüsse in den Bucheckern sind äusserst kalorienreich. Aus Letzteren kann sogar Öl hergestellt werden. Auch amerikanische Ureinwohner ernährten sich von Bucheckern – jedoch von der Grossblätterigen Buche (Fagus grandifolia). Cherokee aus dem Südosten der USA plünderten sogar die Vorräte von Streifenhörnchen, um sich das mühsame Sammeln zu ersparen.

Zweig einer Blutbuche (Abbildung 8)
Blutbuche im Botanischen Garten der UZH (Abbildung 9)

Später wurden in Europa die Blätter der Buche vor allem noch als Tierfutter verwendet. Die reichhaltigen Nüsse sind das traditionelle Mastfutter für Schweine. Bis ins 19. Jahrhundert wurden Schweine im Herbst in Buchen- und Eichenwälder geschickt, um sich dort gründlich vollzufressen.[5]

Die Bucheckern enthalten schwach giftige Stoffe namens Fagin und Oxalsäure, die in grösseren Mengen Bauchschmerzen , Nieren- und Leberschäden verursachen können. Durch kurzes Rösten kann Fagin abgebaut werden, manche Menschen vertragen Bucheckern aber auch so problemlos. Für viele Tiere sind Bucheckern ungefährlich und ein wichtiges Nahrungsmittel, allerdings können sie bei Weidetieren (Pferde und Kühe) in grösseren Mengen tödlich enden.[4]

Historische und medizinische Bedeutung

Die Buche ist desinfizierend, entzündungshemmend als auch allgemein kühlend und wurde dafür in europäischer Tradition und auch bei den amerikanischen Ureinwohnern verwendet.[5] Die Rinde der Buche kann fiebersenkend, hustenstillend und auswurffördernd wirken. Sie enthält vor allem viel Gerbstoffe. Aus dem Holz der Buche, kann durch Destillation Teer hergestellt werden. Er wirkt innerlich eingenommen ebenfalls auswurffördernd, äusserlich soll er gegen Hauterkrankungen sowie Zahnschmerzen helfen. Allerdings wird er kaum noch verwendet, da ihm eine krebserregende Wirkung nachgesagt wird. Die Asche der Buche ist entzündungshemmend und kann auf Geschwüre und Wunden aufgetragen werden. Bei Geschwüren kann man auch frische Blätter auflegen. Die Blätter der Buche enthalten Vitamin C, Flavonoide und Saponine – also ebenfalls antimikrobielle und entzündungshemmende Stoffe.[7] [8]

Nach der letzten Eiszeit breitete die Buche sich grossflächig in Europa aus. Die Kelten und Germanen lebten also in Buchenwäldern.[9] Die Keltenstämme haben sogar mutmasslich zur Verbreitung der Buche beigetragen, indem sie die alten Wälder rodeten. Auf den zurückgebliebenen Rodungsflächen konnte sich die Buche am besten gegen die anderen Baumarten durchsetzen und eroberte den Platz für sich.[4]

Es ist seltsam, dass die Buche trotz ihrer weiten Verbreitung und wichtigen Nahrungsbedeutung im Gegensatz zu anderen bekannten Baumarten kaum in Volksglauben oder Mythologie vorkommt. Einträge zu Buchen in entsprechenden Werken sind entweder sehr kurz oder meistens gar nicht vorhanden.

Stamm einer Blutbuche (Abbildung 10)

Für die Kelten bedeutete die Buche Folgendes: Zu Samain (Allerheiligen) buken die Kelten schwarzmehlige Seelenbrote, auf Deutsch hiessen sie «Bücheln» und enthielten Bucheckern. Sie galten als Speise für die Verstorben. Aus der Asche der Buche stellten die Kelten zusammen mit Fett Seife her. Jede Baumart hatte bei den Kelten eine Gottheit. Fagus war der Buchengott aus den Pyrenäen. Die Kelten glaubten, dass beim Tod eines Menschen sein erster Schritt in einen Baum führte. Dieser wird für ihn zum Weltenbaum und seine Äste zu Sprossen der Himmelsleiter, auf der er in die Götterwelten steigt. Auch die ersten Menschen wurden aus Bäumen geboren.[9] Blut galt bei den Kelten nicht nur als Lebenssaft, sondern auch als Träger des Geistes. Blut war das beste Opfer für die Götter. Vieles, unter anderem Bäume, wurden mit Blut selbst oder blutrotem Ocker eingerieben. Hätten die Kelten eine Blutbuche gekannt, hätten sie ihr dann eine wichtigere mythologische Bedeutung eingeräumt als der normalen Rotbuche?[9]

In der Eisenzeit begannen germanische Stämme, Runen auf Holzstäbe oder Holztäfelchen zu schreiben. Auch Buchenholz wurde dafür verwendet. Unser Wort «Buchstabe» bedeutet eigentlich «Buchenstäbe». Als die Germanen die Schrift im Alltag immer häufiger verwendeten, begannen sie, dünne Buchentafeln zusammenzubinden. Das war der erste Vorläufer des heutigen Buchs.[5]

Schadet der Klimawandel den Buchen?

Blutbuche im Botanischen Garten der UZH mit Kronenverankerungen (Abbildung 11)

Buchen sind sehr empfindlich gegen Winterkälte, Spätfröste, Dürre und Hitze. Deswegen fehlen sie im hohen Norden und in heissen und niederschlagsarmen Regionen.[6] Im Gegensatz zu anderen Baumarten ist das Wasserleitungssystem der Buchen sehr empfindlich gegenüber Trockenheit – bei Wassermangel kann es zu Lufteintritt ins Wasserleitgewebe kommen, was zur Unterbrechung der Wasserfäden führt und die Wasserleitung der Buchen drastisch reduziert. Das ganze System kann dadurch versagen und der Baum einen Trockentod sterben. Trockenstress-Experimente haben gezeigt, dass Buchenjungpflanzen bei zu wenig Wasser tatsächlich vermehrt absterben. Aufgrund des Klimawandels treten immer mehr Extremwetterlagen, Hitzewellen und Regenkatastrophen auf. Dadurch kann es sein, dass es im jetzigen Verbreitungsgebiet zum Teil zu trocken für die Buche wird.[10] In den südlichen Arealen der Buche wurde zusammen mit vermehrter Trockenheit schon ein Rückgang des Buchenbestands beobachtet.[11] Aber auch in der Nordschweiz sind in den Hitzesommern der letzten Jahre bereits viele Buchen abgestorben. Selbst hundertjährige Bäume verenden in enormer Geschwindigkeit und werden oft gleichzeitig auch noch grossflächig krank.[12]

Doch es besteht Hoffnung: Eine Anpassung an die neuen Bedingungen könnte schon innerhalb von zwei bis drei Generationen möglich sein. Allerdings ist das nur eine Rettung für die zukünftigen Buchen. Es ändert nichts daran, dass über hundert Jahre alte Bäume der Trockenheit zum Opfer fallen.[13]

So auch die Blutbuche im Botanischen Garten Zürich. Seit dem Jahr 2010 ist sie krank. Sie ist sowohl vom Brandkrustenpilz als auch vom Eipilz Phytophthora befallen. In guten Jahren kann sie den Pilz eindämmen, in schlechten breitet er sich weiter aus. Der Holzabbau beeinträchtigt ihre Statik, weswegen sie mit mehreren Kronenverankerungen gesichert werden muss. Solange sie unter Trockenstress leidet, hat sie keine Kraft, dem Pilz zu trotzen. Auch regelmässiges Giessen kann ihr nicht ausreichen helfen. Vermutlich wird sie die nächsten Jahre nicht überstehen – wie viele andere auch.


Literaturverzeichnis

[1] Heinze, B., & Geburek, T. (1995). Searching for DNA markers linked to leaf colour in copper beech, Fagus sylvatica L. var. atropunicea. Silvae genetica, 44(5-6), 339-343.

[2] Lutze, G., K. (1892). Zur Geschichte und Kultur der Blutbuchen. Mittheilungen des Thüringischen Botanischen Vereins, NF_2, 28 – 33.

[3] Gemeinde Buch am Irchel. (o. D.). Das Wappen von Buch am Irchel – die Blutbuche. Buch am Irchel Online. Zugegriffen 10. Mai 2022. https://www.buchamirchel.ch/de/gemeinde/wappen/

[4] Hase, A. (2018). Bäume. Tief verwurzelt (S. 49–57). Kosmos.

[5] Hageneder, F. (2006). Die Weisheit der Bäume Mythos, Geschichte, Heilkraft (S. 86, 89). Kosmos.

[6] Godet, J.-D. (1994). Bäume und Sträucher. Einheimische und eingeführte Baum- und Straucharten (S. 30). Augsburg Naturbuch-Verlag.

[7] Buche. (o. D.). Heilkraeuter.de. Eva Marbach Verlag. Zugegriffen 31. Mai 2022. https://heilkraeuter.de/lexikon/buche.htm

[8] Flick, A. A. (2018, Mai 21.). Buche (Fagus sylvatica). Vorsicht Gesund. https://www.vorsichtgesund.de/glossary/buche-fagus-sylvatica/

[9] Storl, W.-D. (2000). Pflanzen der Kelten: Heilkunde Pflanzenzauber Baumkalender (S. 267–281). AT Verlag.

[10] Bolte, A. (2016). Chancen und Risiken der Buche im Klimawandel. AFZ – Der Wald. 71. 17-19. https://www.researchgate.net/publication/305392921_Chancen_und_Risiken_der_Buche_im_Klimawandel

[11] Jump, A. S., Hunt, J. M., & Penuelas, J. (2006). Rapid climate change‐related growth decline at the southern range edge of Fagus sylvatica. Global change biology, 12(11), 2163-2174.

[12] Jäggi, M. (o. D.). Wald und Klimawandel. Regionatur.ch. Verein Natur und Landschaft der Region Basel. Zugegriffen 10. Mai 2022. https://www.regionatur.ch/Themen/Wald-Waldbau/Wald-und-Klimawandel

[13] Kramer, K., Degen, B., Buschbom, J., Hickler, T., Thuiller, W., Sykes, M. T., & de Winter, W. (2010). Modelling exploration of the future of European beech (Fagus sylvatica L.) under climate change – Range, abundance, genetic diversity and adaptive response. Forest Ecology and Management, 259(11), 2213-2222. https://doi.org/10.1016/j.foreco.2009.12.023

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1-5: Foto von Sara Reiff

Abbildung 6: Foto von Martin Fisch unter CC BY-SA 2.0

Abbildung 7-11: Foto von Sara Reiff