Wie der Kauf von Wein zum Artenschutz beiträgt

Wie der Kauf von Wein zum Artenschutz beiträgt

Viele kennen dieses einzigartige Material vom Öffnen der Weinflasche – den Kork. Man hofft, dass der Korkzapfen im ganzen Stück herauskommt und der Wein keinen «Zapfen» hat. Doch wie wird er produziert, wie entsteht der «Zapfen» und was hat die Korkproduktion mit dem Erhalt von Biodiversität zu tun?

Beitrag von Dijana Vukovic

Korkenverschlüsse für Wein (Abbildung 1)

Die Korkeiche

Die Korkeiche (Quercus suber L.) ist im mediterranen Klima zu Hause, vor allem in West Europa und Nord Afrika [1]. Auch im Botanischen Garten in Zürich hat sie ihren Platz seit über 40 Jahren gefunden. Sie befindet sich auf der Südseite des Gartens in der Nähe der Caféteria, wo sie mit ihren zwei imposanten Trieben und ihrer speziellen Rinde ein wahrer Blickfänger ist.

Die Korkeiche des Botanischen Gartens (Abbildungen 2)
Die Rinde der Korkeiche im Botanischen Garten (Abbildungen 2)

Diese immergrüne Baumart wird 20-25 m gross und braucht viel Sonnenlicht und relativ wenig Regen [2]. Am Stamm bildet sich eine mehrere Zentimeter dicke Korkschicht, die einzigartige Eigenschaften aufweist [3]. Die toten Zellen des Korks haben eine charakteristische pentagonale oder hexagonale Form und sind mit Luft gefüllt [3]. Kork besteht hauptsächlich aus Suberin, Lignin und Zellulose [3]. Vor allem das Suberin ist für Eigenschaften wie Elastizität und Wasserundurchlässigkeit verantwortlich [3]. Auch die geringe Dichte, Thermoisolation, Geruch- und Geschmackslosigkeit sind Beschaffenheiten, welche ideale Voraussetzungen bieten für die Herstellung diverser Produkte [3].

Hexagonale und pentagonale Anordnung der toten Korkzellen (Abbildung 3)

Die Korkschicht schützt das darunterliegende Kambium effizient vor Feuer [4]. In Ländern wie Portugal, in denen Waldbrände häufig vorkommen, ist dies besonders wichtig [4]. Lange Trockenperioden kann der Baum dank seinem tiefen Wurzelsystem gut überstehen [5]. Viele Korkeichen leben ausserdem in Symbiose mit verschiedenen Mykorrhiza Pilzen, welche das Überleben in Trockenzeiten positiv beeinflussen [5]. Das unterirdische System dieser Pilze kann effizienter Wasser, Nährstoffe und Mineralien aus der Erde ziehen und diese dem Baum zur Verfügung stellen [5]. Im Gegenzug bekommen die Mykorrhiza Pilze Kohlenhydrate von der Korkeiche [6].

Auch die Blätter haben Eigenschaften, welche das Überleben im warmen Klima erleichtert. Sie sind steif, dick und haben eine schützende Wachsschicht [5]. In sehr trockenen Sommern wirft der Baum seine Blätter ab und bildet erst wieder neue, wenn das Klima milder ist [5]. Dieser Vorgang  verhindert den Wasserverlust, der durch die Spaltöffnungen der Blätter ausgeschieden würde [5].

Q. suber ist somit perfekt an die Bedingungen in der mediterranen Region angepasst, extreme Kälte verträgt diese Eichenart jedoch nicht [5].

Nutzung von Kork

Kork wurde schon vor Tausenden von Jahren im antiken Griechenland, Ägypten und Rom genutzt [7]. Nicht nur als Verschluss von diversen Gefässen, auch Sandalen, Flösse und Dächer wurden daraus hergestellt [2]. Heutzutage wird der allergrösste Teil des Korks für die Produktion von Weinverschlüssen verwendet [8]. Der Rest wird zum Beispiel in der Bauindustrie unter anderem für die Fertigung von thermischen oder akustischen Isolationen, Fussboden- und Wandbelägen genutzt [8].

Korkenzapfen (Abbildung 4)

Mehr als 85% des globalen Korks wird in Europa, insbesondere in Portugal, Spanien, Frankreich und Italien angebaut, wobei Portugal das wichtigste Produktionsland ist [8]. In Zukunft wird vermutlich auch Nord Afrika ins Geschäft einsteigen, weil es dort momentan viele Wälder mit jungen Korkeichen hat [8].

Die Herstellung des Korkzapfens

Die Korkschicht, das Phellogen, wird das erste Mal abgeschält, wenn der Baum 30-40 Jahre alt ist [9]. Dieser erste Kork ist unregelmässig und weniger interessant für die Industrie [9]. Mit jedem Schälen, welches ca. alle 9 Jahre geschieht, wird er regelmässiger und damit qualitativ besser [9]. Dieser Prozess schadet dem Baum langfristig nicht, weil das Phellogen wieder neu aufgebaut wird. Deshalb gilt Kork als ein nachhaltiges und erneuerbares Produkt10. Bevor sich die neue Schicht wieder aufgebaut hat, ist der Baum kurzfristig anfälliger für Pathogene und Waldbrände [9]. Das Schälen der Bäume ist eine alte Tradition und wird mithilfe einer Axt in den Sommermonaten gemacht [9]. Es ist wichtig, dass das darunterliegende Kambium dabei nicht verletzt wird, deshalb kann es nicht maschinell gemacht werden [9] [5].

Geschälte kahle Eichen (Abbildung 5)
Die Korkernte mit der Axt (Abbildung 6)

Der Kork wird zuerst trocken gelagert, gedämpft und anschliessend gekocht [2]. Das Kochen erhöht das Volumen, verringert die Dichte und wirkt dem Befall durch Mikroorganismen entgegen [11]. Korkenzapfen  werden mit einer Maschine manuell aus dem Kork gestanzt [2]. Nur der qualitativ beste Kork wird dafür verwendet. Der Rest landet in der Bauindustrie [2].

Um den berüchtigten «Zapfen» zu verhindern, ist es wichtig, dass während dem Produktionsprozess Kontaminationen verhindert werden [2]. Dieser verdorbene «Zapfengeschmack» wird durch verschiedene chemische Verbindungen hervorgerufen, vor allem aber durch 2,4,6-Trichloranisol (TCA) [12]. Diese Substanz wird von Schimmelpilzen produziert, welche auf dem Korken sitzen, wenn dieser nicht korrekt verarbeitet wurde [12]. Der Pilz wandelt dabei Chlorphenole, welche damals als Fungizide in den Korkeichenwäldern eingesetzt wurden, in TCA um [12].

Die ökonomische und ökologische Bedeutung der Korkeichenwälder

In Portugal werden die Korkeichenwälder “Montados” und in Spanien “Dehesas” genannt [13]. Sie werden auch als Silvopastorales System, im Kontext von Agroforstwirtschaft, genutzt [13]. In diesen Systemen wird Viehzucht innerhalb der Wälder betrieben[13]. Schafe, Ziegen, Schweine, aber auch Kühe grasen dort zwischen den Bäumen [5]. Die Wälder sind auch interessant für Touristen, Jäger, Pilzsammler und Honigproduzenten [9]. Sie werden schon seit langer Zeit von Menschen geschützt, aufgebaut und konserviert [5].

Kühe im Wald (Abbildung 7)

Neben dem ökonomischen Nutzen, spielen die Korkeichenwälder auch eine zentrale ökologische Rolle [10]. Durch die Eichen wird CO2  fixiert und die Wälder wirken der Desertifikation (Wüstenbildung) und Erosion entgegen [10]. Ausserdem bieten sie einen Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten [10]. Dieses mosaikartige Habitat ist ein idealer Lebensraum für Tiere wie Rehe, Ginsterkatzen, Wölfe und Pardelluchse [14]. Der Pardelluchs (Lynx pardinus) ist eine vom Aussterben bedrohte Art [14]. Die Fragmentierung und das Verschwinden seines Habitats, sowie der Rückgang seiner Beutetiere sind Gründe dafür [15]. Die illegale Jagd und Strassenunfälle sind weitere Faktoren, welche dazu beitragen, dass diese Luchs-Art nur noch sehr selten vorkommt [15].  Der Pardelluchs lebt im Süden von Spanien in der Doñana and Sierra Morena Region, vorzugsweise in Korkeichenwäldern [15].

Der Pardellluchs (Abbildung 8)

Auch der Mönchsgeier (Aegypius monachus), der als potentiell gefährdet eingestuft wird und der gefährdete Spanische Kaiseradler (Aquila adalberti) sind in diesen Wäldern zu Hause [16].

Die Korkeichenwälder sind auch ein perfekter Überwinterungsort für verschiedenste Vogelarten [16]. Sie bieten Schutz und mit ihren Eicheln auch Nahrung [16].

Viele Faktoren begünstigen das Verschwinden dieser Lebensräume. Die steigenden Temperaturen und das damit verbundenen Waldbrandrisiko, das landwirtschaftliche Roden, Krankheitserreger und das Nutzen von Korkalternativen führen schon seit 1980 zu einem Rückgang der Korkeichenwälder [9]. Gummi- und Plastikverschlüsse für Weinflaschen wurden entwickelt, was zu einem Abfall der Nachfrage für Kork geführt hat [9]. Um diesen wichtigen Lebensraum zu erhalten, müssen neue Verwendungsmöglichkeiten für dieses einzigartige Material gefunden werden. Kork kann beispielsweise als vegane Lederalternative zu Taschen, Gürteln und Portemonnaies verarbeite werden.

Handtaschen aus Kork in Portugal (Abbildung 9)

Quercus suber ist eine enorm wichtige Eichenart, sowohl für den Menschen, als auch für Tiere und andere Pflanzenarten. Sie produziert nicht nur den einzigartigen und nachhaltigen Kork, die Wälder bieten auch einen schützenswerten Lebensraum für bedrohte Arten. Dank der Korkproduktion werden diese Bäume vor der Rodung bewahrt. Es lohnt sich also beim Kauf von Wein, bewusst Flaschen mit Korkverschlüsse zu wählen, wenn man dieses wichtige Habitat erhalten möchte.


Literaturverzeichnis

[1] Kim, H. N., Jin, H. Y., Kwak, M. J., Khaine, I., You, H. N., Lee, T. Y., Ahn, T. H., & Woo, S. Y. (2017). Why does Quercus suber species decline in Mediterranean areas?. Journal of Asia-Pacific Biodiversity10(3), 337-341.

[2] Duarte, A. P., & Bordado, J. C. (2015). Cork–a renewable raw material: forecast of industrial potential and development priorities. Frontiers in Materials2, 2.

[3] Silva, S. P., Sabino, M. A., Fernandes, E. M., Correlo, V. M., Boesel, L. F., & Reis, R. L. (2008). Cork: properties, capabilities and applications. International Materials Reviews53(4), 256.

[4] Catry, F. X., Moreira, F., Pausas, J. G., Fernandes, P. M., Rego, F., Cardillo, E., & Curt, T. (2012). Cork oak vulnerability to fire: the role of bark harvesting, tree characteristics and abiotic factors. PLoS One7(6), e39810.

[5] Aronson, J., Pereira, J. S., & Pausas, J. G. (2014). Cork Oak Woodlands on the Edge. Washington DC: Island Press.

[6] Ferlian, O., Cesarz, S., Craven, D., Hines, J., Barry, K. E., Bruelheide, H., Buscot, F., Haider, S., Heklau, H., & Herrmann, S. (2018). Mycorrhiza in tree diversity–ecosystem function relationships: conceptual framework and experimental implementation. Ecosphere, 9(5), e02226.

[7] Wilton, O., & Barnett Howland, M. (2020). Cork: an historical overview of its use in building construction. Construction History35(1), 1-22.

[8] Gil, L. (2014). Cork: a strategic material. Frontiers in chemistry2, 16.

[9] Oliveira, G., & Costa, A. (2012). How resilient is Quercus suber L. to cork harvesting? A review and identification of knowledge gaps. Forest Ecology and Management270, 257-272.

[10] Rives, J., Fernandez-Rodriguez, I., Gabarrell, X., & Rieradevall, J. (2012). Environmental analysis of cork granulate production in Catalonia–Northern Spain. Resources, conservation and recycling58, 132-142.

[11] Sampolo, S. (1894). The use of Cork as a Building Material. Scientific American, 38(968supp), 15471-15472.

[12] Álvarez-Rodríguez, M. L., López-Ocana, L., López-Coronado, J. M., Rodríguez, E., Martínez, M. J., Larriba, G., & Coque, J. J. R. (2002). Cork taint of wines: role of the filamentous fungi isolated from cork in the formation of 2, 4, 6-trichloroanisole by O methylation of 2, 4, 6-trichlorophenol. Applied and environmental microbiology68(12), 5860-5869.

[13] Hernández, I., Celestino, C., & Toribio, M. (2003). Vegetative propagation of Quercus suber L. by somatic embryogenesis. Plant Cell Reports21(8), 765-770.

[14] Millán, J., Candela, M. G., Palomares, F., Cubero, M. J., Rodríguez, A., Barral, M., de la Fuente, J., Almería, S., & León-Vizcaíno, L. (2009). Disease threats to the endangered Iberian lynx (Lynx pardinus). The Veterinary Journal182(1), 114-124.

[15] Meli, M. L., Cattori, V., Martínez, F., López, G., Vargas, A., Simón, M. A., Zorrilla, I., Munoz, A., Palomares, F., Lopez-Bao, J. V., Pastor, J., Tandon, R., Willi, B., Hofmann-Lehmann, R. & Lutz, H. (2009). Feline leukemia virus and other pathogens as important threats to the survival of the critically endangered Iberian lynx (Lynx pardinus). Plos One, 4(3), e4744.

[16] Bugalho, M. N., Caldeira, M. C., Pereira, J. S., Aronson, J., & Pausas, J. G. (2011). Mediterranean cork oak savannas require human use to sustain biodiversity and ecosystem services. Frontiers in Ecology and the Environment9(5), 278-286.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Foto von Glen Scott unter CC BY-NC 2.0

Abbildungen 2: Fotos von Dijana Vukovic

Abbildung 3: Robert Hooke, Public domain, via Wikimedia Commons

Abbildung 4: Foto von Glen Scott unter CC BY-NC 2.0

Abbildung 5: Foto von Paulo Serrao unter CC BY-NC-ND 2.0

Abbildung 6: Foto von Cazalla Montijano und Juan Carlos unter CC BY-SA 3.0

Abbildung 7: Foto von Neil Palmer unter CC BY-SA 2.0

Abbildung 8: Foto von Guido Konrad unter CC by 2.0

Abbildung 9: Foto von Marco Verch unter CC by 2.0