Hilft Bewegung gegen Depression?

Hilft Bewegung gegen Depression?

Zusammenfassung

Für Depressive kann es sehr schwierig sein, sich überhaupt aufzuraffen. Aber könnte es sein, dass körperliche Bewegung sogar gegen Depression wirkt? 

Depression ist ein verbreitetes Gesundheitsproblem, das normalerweise psychologisch oder medikamentös behandelt wird. Viele Personen suchen aber auch nach anderen Behandlungsmöglichkeiten. Deshalb untersuchte die hier zusammengefasste Übersichtsarbeit, ob Bewegung gegen Depressions-Symptome helfen kann. Sie kommt zum Schluss, dass Bewegung wahrscheinlich etwas wirksamer ist als keine Behandlung, aber nicht wirksamer als psychologische oder medikamentöse Behandlung. 

Hintergrund und Relevanz

Depression ist eine häufige psychische Erkrankung, weltweit leiden laut der Weltgesundheitsorganisation über 200 Millionen Menschen daran. Dabei verliert man Interesse und Freude an gewöhnlichen Dingen, anhaltend gedrückte Stimmung macht sich breit und der Antrieb ist vermindert. Depression ist eine einschränkende Erkrankung und kann auch einen schlechten Einfluss auf die körperliche Gesundheit und die Lebensqualität haben.

Depression wird normalerweise medikamentös (Antidepressiva) oder psychologisch (Psychotherapie) behandelt, oder die beiden Behandlungen werden kombiniert.

Die Forschung hat gezeigt, dass diese Behandlungen wirksam sein können. Trotzdem suchen viele Personen nach alternativen Behandlungen, weil sie mit der klassischen Behandlung nicht zufrieden sind oder diese nicht mit ihren Vorstellungen übereinstimmen.

Es wird schon lange untersucht, ob körperliche Bewegung bzw. Sport eine wirksame Behandlung gegen Depression ist, mit unterschiedlichen Ergebnissen. Für die Betroffenen, sowie für das Gesundheitsfachpersonal ist es aber wichtig, genauer Bescheid zu wissen. 

Es gibt verschiedene Erklärungen, wie die körperliche Bewegung wirken könnte: Einerseits ist sie eine Ablenkung von negativen Gedanken. Das Erlernen von neuen Fähigkeiten und der mit dem Sport verbundene soziale Kontakt könnte auch einen positiven Einfluss haben. Aber der Körper reagiert auf körperliche Aktivität auch mit der Ausschüttung bestimmter Hormone, die die Stimmung verbessern könnten.

Studieneigenschaften

In der systematischen Übersichtsarbeit von 2013 wurden in verschiedenen Datenbanken nach Studien zu diesem Thema gesucht. Schlussendlich wurden 39 Studien beurteilt, einige davon waren kleine Studien mit niedriger Qualität. Die 39 Studien hatten insgesamt 2300 erwachsene Studienteilnehmer mit Depression.

Es wurden nun mit einer statistischen Analyse vier Vergleiche gemacht: Bewegung gegenüber keiner Behandlung, gegenüber Lichttherapie, gegenüber psychologischer Behandlung und gegenüber medikamentöser Behandlung.

Es wurde ausgewertet, ob und wie stark sich die Symptome der Depression bei diesen Behandlungsarten verbesserten. Zusätzlich dazu wurde auch noch untersucht, ob diese Symptomverbesserung auch langfristig anhielt, wie gut die Behandlung akzeptiert wurde, ob es Nebenwirkungen gab und ob sich die Lebensqualität insgesamt verbesserte. 

In den 39 Studien wurden dabei verschiedene Arten von körperlicher Bewegung drinnen und draussen untersucht, zum Beispiel aerobes Training, Joggen oder Gehen auf dem Laufband. Alle diese Arten von Sport wurden zusammen ausgewertet.

Normalerweise «verblindet» man in Studien die Teilnehmenden und Ärzte, sodass sie nicht wissen, wer zum Beispiel das echte Medikament bekommt und wer das Placebo. Bei diesen Studien war dies nicht möglich, da man ja merkt, ob man Sport treibt oder nicht. Es könnte sein, dass so Verzerrungen entstanden sind.

Wichtigste Resultate und Empfehlungen

  • Körperliche Bewegung ist mittelmässig wirksam gegen Symptome einer Depression. Damit ist Bewegung etwas wirksamer als keine Therapie oder als die alternative Lichttherapie
  • Bewegung ist aber nicht wirksamer (aber auch nicht weniger wirksam) als die psychologische oder medikamentöse Behandlung
  • Es ist unklar, wie lange der positive Effekt anhält, wenn die Bewegung gestoppt wird. Bei Nachuntersuchungen einige Monate später war nur noch ein sehr kleiner Unterschied messbar.
  • Die Anwesenheitsquote in den verschiedenen Bewegungsprogrammen lag zwischen 50 und 100%. Es ist nicht einfach, Depressive zur Bewegung zu motivieren. Wahrscheinlich haben bei den Studien auch schon eher motivierte Patienten mitgemacht, wodurch Verzerrungen möglich sind.

Qualität der Evidenz

Die Beweislage ist mittelmässig. Die Qualität einiger der Studien war gering. Wenn nur die Studien mit hoher Qualität ausgewertet wurden, war die Datenlage nicht mehr so eindeutig. Die Ergebnisse wurden seit 2013 in zahlreichen neueren Studien weitgehend bestätigt und konnten somit weiter gesichert werden. 

Ausblick

Für Betroffene und deren Angehörige, sowie für die Behandelnden ist es wichtig im Hinterkopf zu behalten, dass Bewegung gegen Depression helfen kann, auch wenn die Motivation schwierig sein kann. Insbesondere auch in Kombination mit psychologischer oder medikamentöser Behandlung spricht aber nichts gegen einen Versuch.

Offen bleibt

Es bleibt unklar, welche Arten von Bewegung bzw. Sport am besten wirken und wie häufig und wie intensiv man sich bewegen sollte. Zukünftige, grössere Studien sollten auch genauer zeigen, wie gross der Effekt ist. Es bleibt auch unklar, ob Bewegung bei Depression auch die Lebensqualität insgesamt verbessert.

Autor

Ich studiere im 4. Jahr Medizin an der Universität Zürich. Mich interessiert Gesundheitskommunikation, weshalb ich diese Zusammenfassung im Rahmen meiner Masterarbeit auf diesem Gebiet verfasst habe. Ziel dieser Arbeit ist es, Formate zu entwickeln und zu testen, mit denen man komplexe Gesundheits-Informationen – zum Beispiel auch grafisch – möglichst einfach vermitteln kann.

Michael Lütolf

Titelbild: lzf – http://stock.adobe.com/