«Pollen sind zwar schön…aber auch ganz schön nervig»

«Pollen sind zwar schön…aber auch ganz schön nervig»

Mehr als 20% der Bevölkerung in der Schweiz sind allergisch auf Pollen. Tendenz steigend. Aber wie genau beeinflusst der Klimawandel die Pollen? Und wie wirkt sich das auf unsere Gesundheit aus? Diese Fragen beantwortet Marloes Eeftens in ihrem Auftaktreferat im Rahmen der «Fortbildung Public Health Zürich*». Darin werden monatlich unterschiedliche Public Health Themen von Experten beleuchtet. In der Serie zur Fortbildung fasst ges.UND? jeweils die wichtigsten Erkenntnisse zusammen.

Warum fliegen Pollen?
«Pollen sind unheimlich schön, aber auch ganz nervig. Nervig für sehr viele Menschen, die von Allergien durch Pollen betroffen sind. Bei ihnen führen sie zu Irritationen.» so startete Marloes Eeftens vom Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH) ihr Referat. Pollen sind männliche Geschlechtszellen von Pflanzen, die zwischen 10-150 μm gross sind. Nur ein bisschen grösser als Feinstaub. «Damit Pollen von einer Pflanze zur anderen Pflanze gelangen, müssen sie fliegen. Sei es durch Insekten oder sei es durch den Wind» so Marloes Eeftens. Mit diesen – durch den Wind verbreiteten Pollen – beschäftigt sich Marloes Eeftens. Denn genau diese Pollen beeinflussen unsere Gesundheit.

Wann genau fliegen Pollen?
Einerseits hat die Pollensaison bestimmte Phasen: «So blühen Bäume am Anfang des Jahres, Gräser im Sommer – so wie jetzt – und als letztes blühen dann die Kräuter. Da viele Menschen auf mehrere unterschiedliche Pollenarten allergisch reagieren, kämpfen sie oftmals das ganze Jahr mit Allergien.» berichtet Marloes Eeftens. Andererseits gibt es oftmals starke Peaks: D.h. Zeiträume, in denen sehr viele Pollen fliegen. Und Zeitpunkte, bei denen wenig oder sogar keine Pollen fliegen.

Klimawandel und Pollen
Seit rund 50 Jahren existieren Messungen von Pollen in der Schweiz. Allerdings gibt es erst seit 31 Jahren Daten von der ganzen Schweiz und über das ganze Jahr hinweg.

In den letzten Jahrzehnten zeigte sich bei der Pollensaison in der Schweiz Folgendes:

  • Die Pollensaison fängt früher an – zumindest bei einigen Arten, wie beispielsweise Hasel, Eiche, Gräser oder Brennnessel. Das ist aus Gesundheitssicht sehr relevant, da Hasel und Gräser hochallergene Arten sind. 
  • Die Pollensaison dauert länger an – zum Teil zeigten Messungen, dass heute die Pollensaison bis zu 37 Tage länger andauert.  
  • Die Pollensaison ist intensiver – die Pollenmenge, die von Bäumen, Gräsern und Kräutern produziert und durch den Wind verbreitet wird, hat stark zugenommen.

Und dieser Trend zeigt sich auch in Europa und ist auf den Klimawandel zurückzuführen. Als Folge davon leiden allergische Menschen länger und stärker an Allergien. Neben dem intensiveren und längeren Pollensaison gibt es auch noch andere Trends: So verbreiten sich hochallerge Pflanzen – wie beispielsweise Ambrosia – durch Klimawandel und durch Saatgut vermehrt in Europa.

Häufigkeit einer Pollenallergie in der Schweiz
Das Aha! Allergiezentrum Schweiz schätzt, dass mindestens 20 % der Bevölkerung in der Schweiz unter einer Pollenallergie – auch als allergische Rhinitis oder Heuschnupfen bezeichnet – leiden. Die Tendenz ist steigend. Die Pollenallergie tritt überall in der Welt auf, nicht nur in westlichen Ländern.

Tiefere Pollenbelastung in den Bergen
Die Pollenbelastung ist tiefer in den Bergen. Das zeigten Expositionsmodellierungen der EPOCHAL – Effects of Pollen on Cardiorespiratory Health and Allergic Symptoms – Studie vom Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH). Das Projekt untersucht anhand räumlicher und zeitlicher Expositionsmodellierung die Auswirkung der Pollen auf die Sterberate, Krankenhausaufenthalt und pre-klinische Symptome und Beschwerden. Die Modellierung ist wichtig, damit man genau weiss, wie hoch, wann und wo genau die Pollenbelastung auftritt. «Als erstes benutzen wir alle Pollendaten vom Pollenmessnetz MeteoSchweiz – also was an Pollenkonzentrationen beobachtet wurde. Das verknüpfen wir mit unterschiedlichen Satellitendaten – z.B. Grünflächen, Landnutzung oder Artenverteilung (wo z.B. viele allergische Bäume wachsen).» erklärt Marloes Eeftens. Durch die Modellierung kann dann die räumlich-zeitliche Exposition zeigen, wann und wo die Bevölkerung in der Schweiz der höchsten Pollenbelastung ausgesetzt ist. Beispielsweise ist die Belastung in den Bergen meistens tiefer als in den Städten.

Einfluss der Pollen auf die Gesundheit
Im Rahmen der EPOCHAL – Studie wurden über 400 Personen wiederholt im Laufe der Pollensaison zu ihren gesundheitlichen Auswirkungen befragt. Die Ergebnisse dieser Befragung – auch als Panelstudie bezeichnet – decken sich mit den Ergebnissen aus anderen Studien. Beispielsweise können Pollen den Blutdruck, die Lebensqualität sowie den Schlaf beeinflussen. Der beeinträchtigte Schlaf und auch eine dauerhaft verstopfte Nase können auf Dauer zu Schlafstörungen und obstruktiver Schlafapnoe führen. Auch kann zu Schlafstörungen und obstruktiver Schlafapnoe führen. Schlafapnoe ist wiederrum ein Risikofaktor für Bluthochdruck.

Schwere gesundheitliche Auswirkungen
Mehrere Studien zeigten einen Zusammenhang zwischen akuter Pollenexposition und schweren gesundheitlichen Auswirkungen: So nehmen beispielsweise die Krankenhauseinweisungen von Asthmaanfällen zu. Auch wird eine höhere Sterberate bei COPD und aufgrund von Lungenentzündungen bei akut hoher Pollenexposition beobachtet. Bei einer erhöhten akuten Pollenexposition werden zudem auch mehr Schlaganfälle und Herzinfarkte von Krankenhäusern gemeldet. So steigt auch die allgemeine Sterberate.

Zunehmend wichtige Public Health Massnahmen
Bisher richtete sich der Fokus auf Massnahmen auf individueller Ebene – wie Immuntherapie und Medikamente. Allerdings steigt der Anteil der Bevölkerung, die eine Pollenallergie haben. Deshalb werden Public Health Massnahmen – also Massnahmen auf Bevölkerungsebene – zunehmend wichtig. Wichtig, um die Pollenbelastung insgesamt zu reduzieren. Die wichtigste Massnahme ist den Klimawandel zu stoppen oder zumindest zu reduzieren. Auch sollte geschaut werden, welche Pflanzen wo angebaut werden. Beispielsweise können anstelle von allergenen Bäumen, wie der Birke, andere weniger allergene Bäume in Städten angepflanzt werden. Gerade bei Neupflanzungen kann gut auf solche Aspekte geachtet werden. Zusätzlich wäre es gut, hochallergene Pflanzen die zudem invasiv sind, wie Ambrosia, auszurotten. Bei öffentlichen Gebäuden könnte auch die Luft in Innenräumen gefiltert werden.

Persönliche Zusammenfassung von Marloes Eeftens:
Der Klimawandel verändert die Freisetzung von Pollen und verursacht frühere, längere und intensivere Pollensaisons. Allergische Krankheiten sind auf dem Vormarsch. Gesundheitlichen Auswirkungen beschränken sich wahrscheinlich nicht nur auf Juckreiz und Niesen, aber bisher gibt es nur wenige Studien. Interventionen können sowohl auf die Umwelt als auch auf den (allergischen) Menschen abzielen.  

Persönliche Empfehlung von Marloes Eeftens für betroffene Personen:
Besser nicht gerade Birken oder Hasel im eigenen Garten anpflanzen, wenn sie darauf stark reagieren. Auf Prognosen von MeteoSchweiz schauen: Man weiss ziemlich gut, wann es welche Pollen geben wird. Dann ist man zu mindestens vorbereitet. Auch eine Desensibilisierung ist möglich und empfehlenswert bei starken Beschwerden. Dies ist aber keine «Sofortlösung» und benötigt etwas Planung im Voraus. Und sonst heisst es leider durchhalten: Drinnen bleiben, Medikamente parat halten, und hoffen, dass es dann bald mal wieder regnet. Weitere Tipps und Tricks bei einer Pollenallergie gibt es bei Aha! Allergiezentrum Schweiz.  

Referentin:

Prof. Dr. Marloes Eeftens, Forschungsleiterin von «Sensoring und Environmental Epidemiology»,
Schweizerische
Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH)

Der Vortrag und die Folien können hier eingesehen werden.

*Die «Fortbildung Public Health Zürich» ist eine gemeinsame Initiative des Instituts für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich und dem Kantonsärztlichem Dienst, der Gesundheitsdirektion Kanton Zürich. Das vollständige Programm finden Sie hier.

Bildquelle: Foto von Alex Jones auf Unsplash
Bildquelle von Prof. Dr. Marloes Eeftens: privat