«Rauchverbot in Innenräumen - ein Meilenstein in der Prävention von Lungenerkrankungen»

«Rauchverbot in Innenräumen – ein Meilenstein in der Prävention von Lungenerkrankungen»

Vor gut 30 Jahren wurde der Luftibus von der damaligen Lungenliga Zürich – heutige Lunge Zürich – ins Leben gerufen. Lunge Zürich und Luftibus hatte seitdem auch viele gemeinsame Forschungsaktivitäten mit dem Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention (EBPI). Zum heutigen COPD-Tag beantwortet Dr. Alexander Turk – Chefarzt der Medizinischen Klinik am See-Spital und Präsident von Lunge Zürich – Fragen hierzu. 

Die Studie “Increase in Airway Obstruction between 1993 and 2012 in Switzerland – An observational Study” beschäftigte sich mit Atemwegsobstruktionen zwischen 1993 und 2012: 

Wie sieht die zeitliche Tendenz der Atemwegsobstruktion der Schweizer Bevölkerung in dieser Zeit aus? 

Wir waren sehr überrascht, dass wir eine so hohe Prävalenz von Atemwegsobstruktionen gefunden haben. Das unglaubliche an der Studie ist, dass wir einen riesigen Datensatz mit 85000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben. Und wir konnten sehen, dass die in der Zeit, in der es den Luftibus gibt, die Inzidenz – d.h. der neu auftretenden Atemwegsobstruktionen – zugenommen hat. Ein Grund hierfür war vermutlich, dass es mehr Raucher gibt, als eigentlich gedacht. Zudem hat sich in der Zeit auch die Lungenfunktionsgeräte im Luftibus verändert, so dass mehr Atemwegsobstruktionen entdeckt wurden. Das war sicher ein weiterer Grund. 

Wie haben Sie und das Forschungsteam genau diese Daten erhoben? 

Dies konnten wir im Luftibus messen. Das ist etwas Unglaubliches dieser Luftibus, der so harmlos daherkommt. Im Luftibus kann man seine Lungenfunktion testen. Und dass wir dann diese Daten auswerten konnte, war schon etwas sehr cooles. 

Luftibus ist ein Präventionsprojekt der Lunge Zürich. Dieser kann von Organisationen und Privatpersonen gebucht werden und steht dann bei Festivals und Messen, wie beispielsweise bei der Züricher Oberland Messe oder bei bestimmten Sportanlässen – z.b. dem Züricher Silvesterlauf. An diesen Events kann man seine Lunge gratis testen. Das ist sehr beliebt und die Leute stehen lange Schlange, um Ihre Lungenfunktion messen zu lassen. In einer dritten Studie wurde dann auch versucht den Wohnort mit der Exposition der Luftverschmutzung zu matchen, der sie ausgesetzt sind. 

Wie erklären Sie diese Zunahme an Atemwegsobstruktionen?

Am Ende nur durch Vermutungen. Wir haben versucht diese für bekannte Faktoren zu adjustieren, die man kennt. Es bleibt aber hypothetisch: Zum Beispiel, dass mehr in der Zeit geraucht wurde, als dass man möglicherweise angegeben hat. Oder dass mehr Asthmapatienten dabei waren welche an einem Allergischen Asthma leiden. Das hat bekanntlich zugenommen. Aber klar wissen wir das nicht. Das ist ja eine reine Beobachtung. Wir können nur darüber spekulieren. 

Die Raucherpopulation hat sicher in der Zeit zugenommen und möglicherweise auch die Luftverschmutzung. Damals hatten wir auch noch nicht die Passivrauchinitiative. Diese ist ja dann erst 2010 angenommen worden. Das ist auch noch ein Aspekt, der da mitgespielt hat. 

Gibt es präventive Massnahmen – und wenn ja – welche, die Sie Ihren Patientinnen und Patienten aufgrund der Ergebnisse dieser Studie empfehlen? 

Jein, nicht direkt für Patienten selbst. Eher für die Politik und die Festlegung von Grenzwerten, wie beispielsweise für Stickoxide oder Ozon. Darauf hatte es schon Auswirkungen. Es ist wichtig, dass es Organisationen, wie Lunge Zürich gibt, die auf diese Werte aufmerksam machen. Die auf das Problem hinweisen und sich für die Luftqualität einsetzten. Dies kommt dann auch letztendlich jeder einzelnen Patientin jedem Patienten zugute, da sie nicht mehr dem Passivrauchen ausgesetzt ist. 

Eine weitere gemeinsame Studie von Luftibus und dem EBPI Nationwide indoor smoking ban and impact on smoking behaviour and lung function: a two-population natural experiment” untersuchte das Rauchverbot in Innenräumen und deren Bedeutung: 

Wie wirkt sich ein Rauchverbot in Innenräumen auf die Gesundheit von    
Atemwegen aus? 

In der Studie konnten wir ja zwei grosse Populationen vergleichen: Die dänische Population, bei der bereits ein Rauchverbot in Innenräumen bestand mit der Schweizer Population ohne Rauchverbot in Innenräumen. 

Den Effekt ist sehr beeindruckend, wie schnell sich die Lungenfunktion durch die Umsetzung des Rauchverbots verbessert. Das haben wir nicht so erwartet. Noch deutlicher hat man das bei Herzinfarkten gesehen: Diese gingen innerhalb von wenigen Wochen zurück. 

Letztendlich schützen wir alle vulnerablen Bevölkerungsgruppen, die auf Rauch reagieren bzw. eine Atemwegsobstruktionen haben. Beim Rauchen ist es ja ein wenig gemein: Es entwickelt ja nicht jeder eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung – kurz COPD. Wenn es jeder machen würde, dann würde ja niemand mehr rauchen. Aber es ist nur ein Drittel der Personen, die rauchen, die eine COPD entwickeln. Mit dem Rauchverbot in Innenräumen schützen wir genau diese Personen. 

Die Daten zeigen auch, dass insbesondere die Lungenfunktion der Raucher sich durch die Einführung des Rauchverbots in Innenräumen verbessert hat. Diese profitierten am meisten vom Rauchverbot. Ja, sogar für den Raucher ist das Rauchverbot sehr gut für seine Lungengesundheit, obwohl er natürlich zu anfangs dagegen war, dass er nicht mehr in seiner «Beiz» mehr rauchen durfte und auch ständig Passivrauch ausgesetzt war. 

Und welche weiteren Vorteile hat ein Rauchverbot in Innenräumen? 

Es stinkt auch nicht mehr. Man muss die Kleidung nicht mehr raushängen, nach einem Besuch in seiner Stammkneipe. Zudem ist auch das Gastro-Personal geschützt, das nicht mehr in den verrauchten Räumen arbeiten muss.

Welcher Personengruppe kommt ein Rauchverbot noch zugute?  

Neben der Lungengesundheit hat Rauchverbot Einfluss auf Herzinfarkte. Das hat man sehr rasch gesehen. Die Aufnahme aufgrund von Herzinfarkten gingen in den Städten, wo man das Rauchverbot in Innenräumen umgesetzt hat, sehr rasch zurück. Innerhalb von kürzester Zeit. 

Ein anderer Aspekt ist noch, dass der Zugang fürs Rauchen den Jugendlichen erschwert wird. Wenn alle in der Beiz rauchen, kann man als Jugendlicher schneller zu einer Zigarette kommen. Das hat sicher auch diesen präventiven Aspekt. 

Auch Schwangere natürlich profitieren vom Rauchverbot. Sie und ihre ungeborenen Kinder werden somit vor Passivrauchen geschützt. Das heisst dann auch, dass es weniger zu Wachstumsretardierung, Atemwegsinfekten oder Bronchitis bei den Babys kommt. Die Lungenentwicklung ist besser, wenn man nicht Passivrauch ausgesetzt ist. 

Lunge Zürich und Luftibus war massgeblich am Rauchverbot in Innenräumen beteiligt. Können Sie mir mehr hierzu berichten? 

Diese Studien waren die Grundlage, dass die Tabakinitiative angenommen wurde oder das Werbeverbot. Für Politiker sind solche Studien wichtige Grundlagen, auf denen sie ihre Entscheidungen abstützen können «Wo legen wir welche Grenzwerte». 

Lunge Zürich hat die Initiative im Kanton Zürich gestartet – 2010 war das Jahr als es zur Abstimmung kam. Da war Zürich einer der ersten Kantone, der ein vernünftiges Mass an Rauchstoppverbot in den Innenräumen zur Initiative brachte und diese dann auch angenommen wurde. Das war ein riesiger Erfolg für Lunge Zürich und letztendlich auch für die Lungengesundheit der Menschen im Kanton Zürich und dann eben auch in der Schweiz. Viele andere Kantone haben es dann auch so übernommen. Das war damals ein Meilenstein in der Prävention von Lungenerkrankungen. Absolut ja. 

Welche Forschungsergebnisse aus diesen gemeinsamen Forschungsaktivitäten mit dem EBPI waren für Sie am eindrücklichsten und warum? 

Das eindrücklichste war für mich, dass man mit sehr spannenden Menschen zusammengekommen ist, die sehr unterschiedliche Berufe und Hintergründe haben, Public Health Experten, Statistiker, Umweltingenieure, Meterologen, etc. Und wie diese Daten dann am besten und richtig interpretieren werden können. Das war alles sehr spannend, das dann alles zusammen zu bringen. Ich konnte von klinischer Seite dann meinen Input geben. Und was dieser Public Health Ansatz konkret für das einzelne Individuum bedeutet, war besonders spannend für mich. 

Das Interview führte: Anne Borchard

Bildquelle Titelbild: Lunge Zürich

Bildquelle Dr. Alexander Turk: Medizinische Klinik am See-Spital