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Die Gründung des Schweizerischen Krankenpflegebunds

8. April 2019 | Martina Gosteli | Keine Kommentare |

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Von Beginn weg setzte sich die Gründerin der Pflegerinnenschule Anna Heer auch für den Zusammenschluss der Pflegefachleute zu einer Berufsorganisation ein. Die Verbesserung der Ausbildung sollte auch zum Anlass genommen werden, eine angemessene Bezahlung und korrekte Arbeitsbedingungen zu fordern.

Arbeitsvermittlungsstelle

Als die Pflegerinnenschule noch im Bau war, organisierten sie und Ida Schneider 1899 an Schneiders Adresse in Zürich bereits eine Arbeitsvermittlungsstelle für Krankenwärterinnen und -wärter. Nach der Eröffnung des Spitals 1901 zog das Büro in die Pflegerinnenschule um. Die Vermittlung war unentgeltlich, nur Personen mit einwandfreiem Ruf schafften es auf die Liste. Dank dieses Registers verfügten die Organisatorinnen über die Namen der Pflegefachleute, die als künftige Mitglieder des geplanten Zusammenschlusses in Frage kamen.

Anna Heer 1863-1918 (Gosteli-Stiftung Worblaufen)

Walter Sahli

Anna Heer war nicht die einzige Persönlichkeit, die sich mit der Problematik der Pflegeausbildung auseinandersetzte. In Bern wirkte fast gleichzeitig der Arzt Walther Sahli. Von Heers Vorschlägen wusste er zunächst nichts, nahm aber sofort Kontakt mit ihr auf, als er davon erfuhr.

Dann ging es Schlag auf Schlag. Während sich die Pflegerinnenschule noch in der Planungsphase befand, eröffnete Sahli 1899 die Rotkreuzschule für Krankenpflege am Lindenhofspital Bern. Als Vorstufe zur nationalen Organisation erschien im Dezember 1907 erstmals eine Schweizer Zeitschrift für die Pflege, die Blätter für Krankenpflege. Sie lag der Zeitschrift Das Rote Kreuz bei. Walter Sahli redigierte beide Zeitschriften. 1909 gründete er den kantonalen Berner Krankenpflegeverband. Eine Sektion Zürich, präsidiert von Anna Heer, entstand kurz darauf am 25. November 1909.

Walter Sahli 1846-1916 (Schweizerisches Rotes Kreuz)

Gründungsversammlung

Die beiden Sektionen bildeten den Kern für den nächsten Schritt, den schweizerischen Zusammenschluss. Anna Heer entwarf Statuten, die Walter Sahli in seinem Sinne weiterentwickelte.

eAm 13. November 1910 schlossen sich die Sektionen Bern und Zürich in Olten zum Schweizerischen Krankenpflegebund zusammen (heute: Schweizerischer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK). Die Delegierten wählten einen elfköpfigen Bundesvorstand. Zürich wurde Vorort, Anna Heer Präsidentin, Walter Sahli Vizepräsident, Ida Schneider Aktuarin. Die Mitgliedschaft beim Bund war Sektionen vorbehalten. Auf Wunsch Sahlis wurden keine Einzelmitglieder aufgenommen.

Protokollausschnitt der Gründungsversammlung vom 13. November 1910 (SBK-Archiv)

Das Rote Kreuz übernimmt

Ganz nah bekam Anna Heer mit, wie erfolgreich Walter Sahli die Herrschaftsansprüche des Schweizerischen Roten Kreuzes verteidigte und auf immer weitere Bereiche ausdehnte. 1903 hatte der Bundesrat dem Schweizerischen Roten Kreuz Kernkompetenzen bei der Pflegeausbildung übertragen. Sekretär Walter Sahli setzte seine Vorstellungen nun rasch um. Wollte sich Anna Heer nicht an den Rand drängen lassen, musste sie mitspielen. Einige Aspekte geben ein Bild davon, wie schwierig es für eine Frau damals war, Gehör zu finden.

Anna Heer gelang es, über die Sektion Zürich den Wochen- und Säuglingspflegerinnen den Weg zum Beitritt zu ebnen und diesem typischen Frauenberuf den Schutz des Verbandes zu sichern. Zudem gelang es ihr 1915, entgegen den Vorstellungen Sahlis, ein sogenanntes Bundesexamen für Wochen- und Säuglingspflege einzuführen. Nach ihrem Tod schloss Sahlis Nachfolger die Wochen- und Säuglingspflegerinnen wieder aus dem Verband aus.

Aufgaben des Berufsverbands

In den ersten Jahren befasste sich der Bundesvorstand mit Problemen, die auch später regelmässig auf der Agenda standen: Diensttracht der Pflegerinnen, obligatorische Krankenkasse – dies ein Herzensanliegen Anna Heers – ferner Bereitstellung eines Hilfefonds sowie die Einführung eines Bundesexamens für Pflegerinnen zur Qualitätssicherung. 1916 starb Walter Sahli. Anna Heer hatte kurz zuvor das Präsidium abgegeben.

Buchstäblich bis zum Tod engagierte sich Anna Heer für den Krankenpflegebund. Es waren turbulente Wochen. Die spanische Grippe wütete, die Schweiz stand wenige Tage vor einem Generalstreik. Anna Heer reiste am 9. November 1918 zur Vorstandssitzung nach Olten. Es war ihr letzter öffentlicher Auftritt. Einen Monat später war sie tot.

Text: Verena E. Müller

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