Können Schlafstörungen das Demenzrisiko erhöhen?

Können Schlafstörungen das Demenzrisiko erhöhen?

Zusammenfassung

Demenz ist bei der älteren Bevölkerung verbreitet und nicht heilbar. Auch Schlafstörungen sind bei älteren Personen sehr verbreitet.

Wie genau hängen die beiden Krankheiten zusammen? Und lässt sich Demenz vielleicht besser vorbeugen, wenn man mehr über den Zusammenhang mit dem Schlaf versteht? Die hier zusammengefasste Übersichtsarbeit zeigt, dass verschiedene Schlafstörungen das Risiko von Alzheimer-Demenz und vaskulärer Demenz leicht erhöhen können.

Hintergrund und Relevanz

Weil die Bevölkerung durchschnittlich immer älter wird, nimmt auch die Zahl der Demenz-Kranken zu. So leiden gemäss der Weltgesundheitsorganisation weltweit etwa 50 Millionen Menschen an Demenz. In der Schweiz ist von den 65- bis 69-Jährigen jede fünfzigste Person, von den 80- bis 84-Jährigen jede achte Person von Demenz betroffen. Insgesamt leben somit etwa 150’000 Menschen in der Schweiz mit einer Demenz.

Demenz ist eine deutliche Verschlechterung der geistigen Funktionen. Diese Verschlechterung betrifft das Gedächtnis, aber auch Denken, Orientierung und Sprache. Die zwei wichtigsten Arten der Demenz sind die Alzheimer-Krankheit und die vaskuläre (das heisst durch Veränderungen an den Blutgefässen bedingte) Demenz.

Momentan gibt es keine ursächliche Demenz-Behandlung. Mit Medikamenten kann lediglich der geistige Abbau etwas aufgehalten werden. Es gibt auch keine Möglichkeit, den Verlauf dieser Krankheiten genau vorherzusagen.

Der Schlaf ändert sich mit dem Alter. Ältere Personen schlafen meist weniger lang und tief und haben häufiger Schlafstörungen. Mehr als ein Drittel der über 55-Jährigen hat mittelschwere oder krankhafte Schlafstörungen. Dazu gehören die Schlaflosigkeit (Insomnie) und atmungsbezogene Schlafstörungen (Schnarchen oder Schlafapnoe, das sind nächtliche Atemstillstände).

Schlafstörungen haben eindeutig einen Einfluss auf die Gesundheit, sie sind auch mit der Demenz verknüpft. Aber welche Art von Schlafstörung könnte ein Risiko für welche Art von Demenz sein? Und gibt es Hinweise, dass Schlafstörungen allenfalls Demenz verursachen können? Wenn man mehr darüber herausfindet, könnte man vielleicht vorbeugende Massnahmen ergreifen.

Studieneigenschaften

In der systematischen Übersichtsarbeit wurden 18 Längsschnittstudien aus den USA, Europa und China/Taiwan beurteilt, die den Zusammenhang zwischen Schlaf und geistigen Funktionen untersuchten.

Insgesamt wurden in diesen 18 Studien 250’000 Studienteilnehmende beobachtet, von denen alle über 40 Jahre alt waren. Die meisten Teilnehmenden waren jedoch über 60 Jahre alt. Das Geschlecht wurde nicht mitberücksichtigt.

Die Schlafstörungen wurden in den meisten Studien von den Personen selbst berichtet, die Demenz musste aber aufgrund von anerkannten Kriterien diagnostiziert worden sein.

Es wurde dann mit einer statistischen Analyse untersucht, ob mehr Personen mit Schlafstörungen eine Demenz entwickelten verglichen mit Personen ohne Schlafstörungen. Dasselbe wurde auch für die einzelnen Untergruppen von Schlafstörungen untersucht.

Weil Depressionen sowohl mit Schlafstörungen als auch mit Demenz verknüpft sein können, wurde in einzelnen Studien für Depression kontrolliert. Dabei blieben Schlafstörungen ein unabhängiger Risikofaktor.

Wichtigste Resultate

Die statistische Analyse der systematischen Übersichtsarbeit zeigte die folgenden Ergebnisse:

  • Schlafstörungen allgemein erhöhen leicht das Risiko aller Demenz-Arten: 10 von 100 Personen ohne Schlafstörungen entwickelten im Zeitraum der Studie einen Typ von Demenz, jedoch 12 von 100 Personen mit Schlafstörungen. Das heisst, das Risiko war bei Personen mit Schlafstörungen um 20% erhöht.
  • Atmungsbezogene Schlafstörungen (Schnarchen oder Schlafapnoe) erhöhen ebenfalls das Risiko aller Demenz-Arten um 20%.
  • Schlaflosigkeit allein hingegen erhöht nur das Risiko von Alzheimer-Demenz um 50%, nicht aber das Risiko anderer Demenz-Erkrankungen.

Qualität der Evidenz

Die Studien wurden auch hinsichtlich ihrer Qualität bewertet: 14 davon wurden als von hoher Qualität eingeschätzt, vier als von mittlerer Qualität. Es wurden viele Personen über einen langen Zeitraum beobachtet, was die Beweiskraft erhöht. Zudem bestätigen die Ergebnisse grösstenteils bisherige Forschungsergebnisse.

Offen bleibt

Demenz kann weiterhin nicht geheilt oder vollständig verhindert werden. Auch wenn man weiss, dass Schlafstörungen das Demenzrisiko erhöhen, lassen sich diese nicht einfach beseitigen. Es bleibt auch schwierig, zwischen normalen altersbedingten und abnormalen – also krankhaften – Schlafveränderungen zu unterscheiden.

Andere unbekannte Faktoren, zum Beispiel Medikamente oder Allgemeinzustand könnten zudem einen Einfluss sowohl auf Schlafstörungen als auch Demenz haben.

Empfehlungen

  • Auf einen guten Schlaf achten: Es ist wichtig, einen regelmässigen Tagesablauf einzuhalten (immer zur gleichen Zeit aufstehen). Zudem kann es helfen, sich tagsüber zu bewegen. Koffein, Alkohol oder grosse Mahlzeiten am Abend sollten vermieden werden.
  • Dabei ist es wichtig, das eigene Schlafverhalten zu kennen und sich zu informieren, was in der eigenen Altersgruppe zu einem guten Schlaf gehört.
  • Schlafstörungen früh behandeln lassen, auch weil diese das Demenzrisiko erhöhen können.

Autor

Ich studiere im 4. Jahr Medizin an der Universität Zürich. Mich interessiert Gesundheitskommunikation, weshalb ich diese Zusammenfassung im Rahmen meiner Masterarbeit auf diesem Gebiet verfasst habe. Ziel dieser Arbeit ist es, Formate zu entwickeln und zu testen, mit denen man komplexe Gesundheits-Informationen – zum Beispiel auch grafisch – möglichst einfach vermitteln kann.

Michael Lütolf

Datum: 9. Februar 2021


Titelbild: iStock.com / Prostock-Studio