MediPiatto: Dank automatischer Mahlzeitenerkennung zu einer gesünderen Ernährung?

MediPiatto: Dank automatischer Mahlzeitenerkennung zu einer gesünderen Ernährung?

Zusammenfassung

MediPiatto – ein Projekt u.a. des EBPI – soll Menschen dabei helfen, sich vermehrt mediterran zu ernähren. Zu diesem Zweck wurde eine App entwickelt, die automatisch Art und Menge der abfotografierten Lebensmittel erfasst und eine individuelle Rückmeldung dazu gibt, wie «mediterran» diese sind. Dabei gilt die mediterrane Ernährung als eine gesunde Ernährungsweise, die sowohl das Risiko nichtübertragbarer Krankheiten senkt als auch dauerhaft zu einer Gewichtsreduktion beitragen kann. 

Vorteile einer mediterranen Ernährungsweise

Bereits in den 1950er-Jahren entdeckten Forscherinnen und Forscher im Rahmen der sogenannten Sieben-Länder-Studie, dass die traditionelle Art und Weise, wie sich die Menschen in Griechenland und anderen Mittelmeerländern ernährten, gesundheitliche Vorteile bot. Seither bestätigten Resultate von zahlreichen Beobachtungs- und Interventionsstudien den schützenden Effekt dieser Ernährungsweise auf die Entstehung chronischer Krankheiten. So zeigte eine Metaanalyse mit randomisierten kontrollierten Versuchen und prospektiven Kohortenstudien, dass eine mediterrane Ernährungsweise mit einem niedrigeren Risiko für Hirnschlag, Herzinfarkt und andere Herz-Kreislaufkrankheiten assoziiert war. Andere Studien zeigten, dass Personen, die sich mediterran ernähren, auch abnehmen und – das ist viel wichtiger – das Gewicht danach auch lange halten konnten: So konnten Personen, die sich nach diesem Vorbild ernährten, ihr Körpergewicht auch nach sechs Jahren noch unter dem Ausgangsgewicht halten, während Studienteilnehmer in der Low-Carb und Low-Fat-Gruppe ihr Ausgangsgewicht wieder erreicht hatten. 

Was bedeutet mediterran? 

Die mediterrane Ernährungsweise hat einen schützenden Einfluss auf die Gesundheit dank der Summe ihrer Lebensmittel und deren Zusammenspiel, sowie dessen Verarbeitung. Studien konnten zeigen, dass jeder der Ernährungsbestandteile einen Beitrag leistet. Doch auch die Herstellung der Lebensmittel, die Zubereitung der Mahlzeiten und der Rahmen, in dem gegessen wird, können eine Rolle spielen. Folgendes charakterisiert die mediterrane Ernährungsweise:

Was: 

  • Täglich Gemüse, Früchte sowie Nüsse, Samen oder Kerne
  • Nahrungsfaserreiche Kohlenhydratquellen (z.B. Vollkornprodukte)
  • Öle, die hauptsächlich aus einfach ungesättigten Fettsäuren bestehen, für die Zubereitung (Olivenöl, Rapsöl)
  • Milchprodukte (ungesüsst), Eier, Fisch, Meeresfrüchten und Geflügel als tierische Eiweissquelle
  • Rotes Fleisch und Fleischprodukte maximal zwei Mal pro Woche 
  • Zurückhaltung bei Süssem 
  • Durst kalorienfrei löschen (z.B. Wasser, ungesüsster Tee) 
  • Moderaten Alkoholkonsum beim Essen toleriert (vorzugsweise Rotwein) 
  • Die mediterrane Ernährung erlaubt alles – einfach mit Mass. Es gibt keine Verbote.

Wie:

  • Saisonal, regional und frisch einkaufen
  • Abwechslungsreich einkaufen, zubereiten und essen
  • Möglichst wenig verarbeitete Produkte
  • Dämpfen und Garen statt Frittieren und Panieren
  • Mit frischen Kräutern und Gewürzen zubereiten
Quelle: aTavola – Die hausärztliche Kurzintervention zur gesunden Ernährung, EBPI, 2015

MediPiatto: Automatische Mahlzeitenerkennung mittels App

Um die Adhärenz zu einer bestimmten Ernährungsweise, wie beispielsweise der mediterranen Ernährung, messen zu können, bedarf es einer möglichst akkuraten Erfassung der konsumierten Lebensmittel und des Essverhaltens. Meist erfolgt dies mit Fragebögen, was oft zu einer Über- oder Unterschätzung des effektiven Konsums führt. Die Dokumentation ist auch mühsam und aufwendig und damit fehleranfällig und oft nicht nachhaltig. 

Eine Alternative bietet die Erfassung mittels Smartphone-Applikation (App). MediPiatto, ein Innosuisse-Projekt, an dem das EBPI beteiligt ist, hat ein Verfahren entwickelt, welches erlaubt, anhand von Aufnahmen, Qualität und Menge (Volumen) von konsumierten Lebensmitteln zu erheben. Dabei ist der zugrunde liegende Algorithmus lernfähig, zum Beispiel durch Anlernen von Standardbildern, von denen Art und Menge der Lebensmittel bekannt ist, aber auch durch Rückmeldungen der Nutzer. Auf dieser Basis kann MediPiatto wöchentlich die Adhärenz zu einer mediterranen Ernährungsweise messen und rückmelden. So zeigt die App beispielsweise den Nutzern an, wenn sie zu viel rotes Fleisch gegessen oder zu wenig Gemüse konsumiert haben. Die Adhärenz zur mediterranen Ernährung wird dabei in Prozent auf einem Balken angezeigt, dessen Farben von Tiefrot (0%) bis Dunkelgrün (100%) variiert. 

Quelle: MediPiatto-Projekt: Universitäten Zürich und Bern, Oviva

Um die Adhärenz zu verbessern, gibt das Programm den Anwendern nach Lebensmittelbereich (z.B. Früchte, Gemüse, Nüsse, Fette) Tipps, damit diese Schritt für Schritt ihre Ernährung zunehmend «mediterranisieren» können. Um die Leistungsfähigkeit des Apps zu prüfen, werden Veränderungen der Adhärenz mittels eines validierten Fragebogens geprüft. 

Quelle: MediPiatto-Projekt: Universitäten Zürich und Bern, Oviva

Relevanz und Ausblick

Unsere Ernährung hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend geändert: So essen viele Menschen oft auswärts, kaufen beim Take-Away ein und kochen nicht mehr regelmässig selbst. Hierdurch haben wir weniger Kontrolle darüber, was wir essen und wie dieses Essen zubereitet wurde. Damit wir dies trotzdem noch wissen, bedarf es möglichst einfacher Wege, um die eigene Ernährung nachzuverfolgen und zu kontrollieren. Dank des technischen Fortschritts bieten Apps – wie MediPiatto – zunehmende Möglichkeiten auf individueller Basis unseren Lebensmittelkonsum trotz unserer veränderten Lebensgewohnheiten zu optimieren und so zu einer gesünderen Ernährung beizutragen. In Zukunft liessen sich auch weitere Informationsquellen, die automatisch Daten generieren, in die Erfassung miteinbinden. So sind Schnittstellen vorstellbar mit Informationsdatenbanken von Restaurationsbetrieben oder aber mit Einkaufsdatenerhebung durch den Detailhandel.

Autor

Prof. Dr. med David Fäh

Titelbild: unsplash.com / Nadine Primeau