«Man fühlt sich, als ob man eine schwere Rüstung anhat»

«Man fühlt sich, als ob man eine schwere Rüstung anhat»

Zusammenfassung

Im Interview mit Chantal Britt, Präsidentin der Patientenorganisation Long Covid Schweiz, berichtet sie sowohl von ihrer Krankheit Long Covid als auch einem Citizen Science Projekt.Als Long Covid Patientin leidet sie insbesondere daran, dass bisher bei der Behandlung nur die Symptome und nicht die Ursachen behandelt werden. Dafür fehlt momentan noch die klinische Forschung und die Evidenz. Damit genau diese Forschung betrieben wird, die für Patienten wichtig ist, engagiert sie sich mit anderen Betroffenen in einem Citizen Science Projekt. Unterstützung bekommen sie vom Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich.  

Du bist an Long Covid erkrankt und Mitglied eines 30-köpfigen Gremiums, welches im Rahmen eines Citizen Science Projektes Forschungsprioritäten zu Covid-Langzeitfolgen definiert. Was genau möchtest du mit dem Projekt erreichen? 

Ziel des Projekts ist es, dass wir als Betroffene mit Unterstützung von Forschenden versuchen, Themen zu definieren, die aus unserer Sicht am nötigsten untersucht werden sollten. Damit möchten wir sicherstellen, dass öffentlich finanzierte Projekte auch tatsächlich den Patienten und der Öffentlichkeit zugutekommen und für die Patienten selbst relevant sind. Forschende konzentrieren sich logischerweise auf Bereiche, in denen sie bereits Kompetenzen, Erfahrungen und Wissen haben, und damit oftmals auch bereits eine Idee, welche Forschungsfragen interessant wären. Aber möglicherweise sind dies nicht unbedingt die Bereiche, die für Patienten tatsächlich wichtig sind. 

Und welches sind aus deiner Sicht bzw. von den Long Covid betroffenen Patienten die wichtigsten Bereiche, in denen geforscht werden sollte? 

Was uns fehlt, ist eine wirksame Behandlung. Den Ärzten fehlen Kenntnisse und Erfahrungen, wie man Menschen mit Long Covid und/oder myalgischer Enzephalomyelitis/chronischem Fatigue-Syndrom ME/CFS, und anderen vernachlässigten postviralen Erkrankungen behandeln kann. Wegen grossen Lücken in der Grundlagenforschung und vor allem auch der klinischen Forschung verstehen wir weder die Mechanismen, noch gibt es valable Ansätze für die Versorgung. Zudem fehlen einheitliche Leitlinien, und wir wissen nicht, ob die wenigen verschriebenen Therapien tatsächlich eine positive Wirkung erzielen. Das ist eigentlich das Frustrierendste für uns. Uns läuft die Zeit davon. Wir haben alle Angst, dass wir chronisch krank werden – oder bereits sind. Deshalb brauchen wir möglichst bald klinische Daten. Diese werden im Moment nicht generiert. Die Schweiz ist da sehr zurückhaltend, was fatal ist, da die Forschung sowieso viel Zeit benötigt – und natürlich Geld.

Kannst du uns etwas dazu sagen, wie das Projekt aufgebaut ist und wo genau Long Covid-Patienten mit einbezogen werden? 

Es ist ein Citizen Science Projekt, welches gemeinsam von einem Epidemiologen – Milo Puhan – von der Universität Zürich und mir eingereicht wurde. Als Patienten waren wir bereits an der Planung beteiligt sowie der Durchführung, der Auswertung und der Dissemination. Wir sind also in jedem Schritt beteiligt. Das war uns und den Forschenden von Anfang an sehr wichtig. 

Das Projekt besteht darin, ein Gremium zu schaffen, in dem nur Betroffene einsitzen können. Sie werden von den Epidemiologen unterstützt, die den Ablauf wissenschaftlich begleiten. Ohne diese Unterstützung wäre so ein Projekt für Patienten nicht realisierbar. Wir sind ja eben alle betroffen, d.h. krank. Uns fehlen Zeit, Energie, und natürlich Erfahrungen und Kenntnisse, um ein Forschungsprojekt durchzuführen. Die allermeisten im Board sind von Long Covid betroffen und andere bereits seit Jahren von ME/CFS. Uns fehlen Langzeitdaten, aber diese Menschen haben nach einer EBV-Infektion sehr ähnliche Symptome. Diese können von Long Covid-Forschung profitieren und wir von ihren Erfahrungen. Im Board sitzen v.a. direkt Betroffene aber auch einige Eltern, deren Kinder unter Long Covid leiden, und einige Teilnehmende sind sowohl selbst Patienten und pflegen auch jemanden mit Long Covid. Die Epidemiologen stellten sicher, dass die Betroffenen allein die Prioritäten setzten. Zudem konnten wir noch mehr Betroffene über unsere Netzwerke mit einbeziehen, um die Entscheide breiter abzustützen.  

Können sich auch andere Menschen, die an Covid erkrankt sind, an dem Projekt beteiligen? Und wenn ja, an wen können sie sich wenden? 

Wir haben im September 2020 eine Facebook-Gruppe gegründet, um zu sehen, ob wir mit unseren persistierenden Symptomen alleine sind. Unterdessen haben wir über 2000 Menschen in der Gruppe. Es kann sich jeder und jede engagieren und mit anderen Betroffenen austauschen. In einer französischsprechenden Gruppe gibt es auch über 600 Personen. Long Covid Schweiz versucht neben dem Austausch auch gewisse Informationen auf der Website zur Verfügung zu stellen, damit alle von den Erfahrungen profitieren können, wenn sie in den Sprechstunden nicht weitergekommen oder noch keine spezialisierte Konsultation besucht haben. Dieser Austausch unter Betroffenen ist für uns das Wichtigste.

Folgeerscheinungen von Virusinfektionen sind seit langem bekannt, aber die Häufigkeit und das breite Spektrum der Symptome, die nach einer SARS-CoV-2-Infektion über 12 Wochen hinaus auftreten, sind beunruhigend. Welche sind die typischen Symptome von Long Covid-Patienten?

Gemäss einer Umfrage, die wir ein Jahr nach Beginn der Pandemie bei den Betroffen gemacht haben und die von etwa 400 Leuten ausgefüllt wurde, gibt es ein paar Hauptsymptome, unter denen alle leiden: 

  • Fatigue – das bedeutet nicht Müdigkeit, sondern es handelt sich um eine tiefe Erschöpfung, die sich auch durch Schlaf nicht beheben lässt. 
  • Belastungsintoleranz – das mag kryptisch klingen, wenn man es selbst noch nie erlebt hat. Die kleinste körperliche oder psychische Überbelastung kann zu einer Symptomverschlechterung führen.
  • Kognitive Defizite (Gedächtnis, Informationsverarbeitung und Konzentration)
  • Kurzatmigkeit und Atemnot
  • Schlafstörungen 
  • Schmerzen (Kopf, Gelenke, Muskeln)

Unter diesen Symptomen leiden alle mehr oder weniger – entweder immer oder es kommt in Wellen. Bei vielen in der Gruppe sind die Symptome seit Monaten unverändert. Daten zeigen, dass diese vaskuläre Erkrankung die Blutgefässe angreift und zu Entzündungen, Durchblutungsstörungen und Veränderungen im Gehirn, den Lungen, dem Herz und den Nieren führen kann. 

Leider sehen wir meist gar nicht krank aus im Vergleich zu Akutpatienten. Ein 65-jähriger Mann mit Vorerkrankung, der wegen Atemnot bereits blau angelaufen ist, ist offensichtlich krank. Im Gegensatz dazu ist eine 35-jährige, eigentlich fit aussehende Frau, die irgendwas davon erzählt, dass «sie nicht mehr joggen könne» weniger glaubwürdig. Das Problem ist, dass es dauert, bis die meisten zum Arzt gehen, und dann wird ihnen gesagt, «wir können nichts mehr tun, die Prozesse sind nicht mehr umkehrbar. Sie sind zu spät gekommen». Long Covid und ME/CFS sieht man nicht. Denen mit milderen Symptomen sieht man die Krankheit nicht an, und die schwer Betroffenen sieht man auch nicht, weil sie zuhause im Bett liegen und völlig von der Bildfläche verschwinden. Das ist das Problem dieser Erkrankung: Sie ist komplett unsichtbar.

Unter welchen Symptomen leidest du? 

Bei mir sind es im März zwei Jahre seitdem ich an Covid erkrankt bin. Meine Symptome sind unverändert bis auf die kognitiven Probleme, die etwas später dazugekommen sind. Mein Hauptproblem ist die Belastungsintoleranz. Diese hängt wahrscheinlich mit der Fatigue zusammen. Es bedeutet, dass ich keinen Sport mehr machen kann. Ich war sportlich, und jetzt schiesst bei der kleinsten Belastung mein Puls hoch, ich werde kurzatmig und bekomme Atemnot. Wenn ich mich dann noch etwas pushe – also schauen will, was noch möglich ist – dann komme ich locker auf 200 Schläge pro Minute. Dann wird mir schwindlig und übel, und in den folgenden Stunden und teilweise Tagen verstärken sich die Symptome. Das ist eben diese Belastungsintoleranz. Aber glücklicherweise habe ich eine relativ hohe Schwelle. Ich kann arbeiten und jetzt hier sitzen und mit dir sprechen. Aber wehe, wenn ich meine Schwelle überschreite. 

Die kognitiven Probleme sind für mich am schlimmsten, da ich in der Kommunikation tätig bin und meinen Kopf dafür brauche. Durch Probleme mit dem Gedächtnis, der Konzentration und der Informationsverarbeitung brauche ich für alles viel länger und kann mir vieles nicht mehr merken. Das ist für mich schrecklich und beängstigend, da ich immer wieder an Alzheimer denken muss. Uns wird gesagt, dass sich das Gehirn anpassen kann. Ich hoffe nur, dass das auch stimmt.  

Oftmals fehlt es den Ärzten oder Gesundheitsfachberufen noch an diagnostischen und therapeutischen Anhaltspunkten bezüglich der besten Therapie und welche Behandlung den Patienten am meisten nutzt und ihnen gleichzeitig aber auch nicht schadet. Wie sieht die Behandlung von Long Covid-Patienten aus? 

Es gibt keine Behandlung; es gibt nichts, was heilt, was wirklich eine klare Verbesserung bewirkt. Was uns oft verschrieben wird, sind Ergotherapie und Physiotherapie. Bei der Ergotherapie lernen wir Pacing, das Energiemanagement, welches uns hilft, uns nicht überzubelasten. Physiotherapie ist schwierig. Empfohlen ist ein Training bei 60% der maximalen Herzfrequenz. Bei mir bedeutet das 100 Schläge pro Minute, was ich erreiche, wenn ich vom Stuhl aufstehe. Bei Menschen, die akut im Spital waren, kann Physiotherapie möglicherweise von einer tiefen Basis eine Verbesserung erzielen. Aber die meisten Betroffenen waren nicht hospitalisiert und leiden oft unter Belastungsintoleranz – da ist Physiotherapie schwierig und teilweise unmöglich. 

Einem Patienten keine Behandlung anbieten zu können ist für uns frustrierend, aber natürlich auch für die Ärzte. Sie sind bemüht und wollen uns helfen, aber ihnen sind die Hände gebunden, und oftmals fehlt auch das Geld. Wir haben viel ausprobiert. Viele Betroffene sind enttäuscht von der Schulmedizin und versuchen alle möglichen Ansätze. Solche Selbstversuche mit online bestellten Medikamenten und das Ausprobieren von Verfahren ohne ärztliche Überwachung können auch gefährlich sein. Deshalb ist klinische Forschung so wichtig. Wir müssen wissen, welche existierenden und neuen Therapien funktionieren. Es kann nicht sein, dass Patienten dies selbst machen. 

Wie sieht die Behandlung von dir aus? 

Anfangs wurde mir vom Pneumologen ein Asthmamittel verschrieben, welches ich drei Monate inhaliert habe, aber eine Besserung hatte ich nicht gespürt. Bei mir hat es mehr als ein Jahr gedauert, bis ich schliesslich die Diagnose Post-Covid-Syndrom mit Fatigue bekommen habe. Da war diese Odyssee vorbei. Aber als Nächstes erwartet man ja dann eine Behandlung, und da kommt dann nicht viel. Die Behandlung von Long Covid besteht eigentlich eher darin, nichts zu tun oder weniger zu tun. Man muss dieses Pacing lernen, also Überbelastung zu vermeiden. 

In der Sprechstunde wurden mir Ergotherapie und Physiotherapie verschrieben. Diese verbesserten meine Symptome nicht; sie halfen mir anfangs lediglich, etwas besser mit meiner Situation zurechtzukommen. In dieselbe Richtung geht das auch mit Antidepressiva, die uns verschrieben werden, damit wir nicht verzweifeln. Es ist mir ehrlich gesagt lieber, wenn mir gesagt wird, man könne nichts tun, als dass mir Antidepressiva verschrieben werden, bei denen auch keine Heilung zu erwarten ist, aber möglicherweise Nebenwirkungen. Nach 22 Monaten, in denen ich viel ausprobiert habe, nehme ich im Moment nur noch Antihistamin und Melatonin. So komme ich knapp über die Runden. Ansonsten warte ich auf einen Ansatz, mit dem die Ursache behandelt werden. Ich versuche immer wieder Sport zu machen, aber meine Lungen und meine Muskeln funktionieren nicht mehr richtig. 

Und ist diese auf Evidenz aus der Forschung begründet? 

Die Evidenz für die Behandlungen fehlt. Ich kenne keine Studien, die zeigen, dass Ergotherapie und Physiotherapie die Symptome bei Long Covid messbar verbessern. Bei ME/CFS wurde über die Jahre auch nur wenig geforscht und oft wegen fehlender Evidenz falsch behandelt, und so haben wir keine Langzeiterfahrungen. Wir wissen auch immer noch nicht, wie viele Leute tatsächlich von Long Covid betroffen sind – schon gar nicht von den Kindern. Mit Prävalenzzahlen für Long Covid zwischen 10-80% und komplexer Abgrenzung diffuser Symptome sieht man auch, dass noch viel zu tun bleibt. Was man aus ersten Studien weiss, ist, dass wir viele Mechanismen noch nicht verstehen. Langsam mehren sich aber eher beängstigende Hinweise, dass das Virus im Körper nicht nur zu schädlichen Immunreaktionen führt, sondern auch zu Veränderungen in verschiedenen Organen wie dem Gehirn – also nicht das, was man hören will, wenn man bei sich verschiedenste kognitive Defizite bemerkt. Ob sich das Gehirn anpassen und die Schäden kompensieren kann, ist nicht bekannt. 

Erst einmal brauchen wir jedoch eine einheitliche Definition, damit man Forschung betreiben und die nötige Evidenz generieren kann. Es fehlen zudem Schweizer Leitlinien, wie man Long Covid diagnostiziert und behandelt. Man weiss, dass die Lebensqualität von Leuten mit ME/CFS sehr niedrig ist. Nach vielen Jahren ohne Verbesserung wollen viele von ihnen so nicht mehr weiterleben. Bis vor der Pandemie wurde die Erkrankung nicht ernst genommen, und es gab fast keine Forschung und auch nur wenige Spezialisten. ME/CFS-Betroffene waren die ersten, die vor Langzeitfolgen warnten. Anfangs gab es nur am Unispital in Genf und in Chur Sprechstunden für Long Covid. Ein Jahr später entstanden dann an allen grösseren Spitälern Anlaufstellen. Das Interesse für diese relativ obskuren postviralen Erkrankungen ohne plausible Thesen und Anhaltspunkte für die Forschung waren nie sehr gross. Und dann wurde man von einer Pandemie überrollt, die unter Umständen zu Zigtausenden von neuen Fällen führen wird, die man nicht behandeln kann.  

Neben den medizinischen Fragen sind Long Covid Patienten oftmals auch mit vielen anderen Herausforderungen konfrontiert. Welches sind die häufigsten nicht medizinischen Herausforderungen aus deiner Sicht? 

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Fachkräften, Spitälern, Universitäten, Kantonen, Behörden, Versicherungen und anderen Stakeholdern ist eine Herausforderung. Und dann noch das Ganze über Kantonsgrenzen und Sprachgrenzen hinweg. Im Moment fühlt sich niemand für uns verantwortlich, weder bei der Ärzteschaft, bei den Forschenden, noch bei den Behörden. 

Viele Betroffene haben Angst, ihren Job zu verlieren – und einige haben ihn bereits verloren. Diejenigen, die noch einen Arbeitsplatz haben, opfern oftmals ihre Freizeit für Pausen, um diesen behalten zu können. Wenn wir nie mehr gesund werden, dann ist unsere berufliche Situation in Frage gestellt, open-end. Wenn uns jemand sagt, «nach zwei Jahren ist es vorbei», dann kann man sich drauf einstellen, aber wir haben keine Perspektive. Man hat keine Ahnung, wie man uns helfen soll und ob wir jemals gesund werden. 

Die meisten von uns waren vorher sehr aktiv, und von einem Tag auf den andern ist nichts mehr möglich. Das ist frustrierend. Wir hoffen, dass wir irgendwann am Morgen aufwachen, und dann ist es wieder wie früher. Ich gehe jeden Abend mit dieser Hoffnung ins Bett. Dann wache ich auf und fühle mich wieder so, ob ich eine schwere Rüstung anhabe. Ich war ein Morgenmensch und bin fast aus dem Bett gesprungen. Und es hat mir auch nie etwas wehgetan. Und jetzt ist alles schwer und schmerzt, und ich schäle mich mühsam aus dem Bett. Und ich bin ja ein milder Fall. Bei schwerer Fatigue können die Betroffenen ihr Bett oft nicht mehr verlassen und müssen gepflegt werden. Ohne die Unterstützung unserer Familien wäre es schwierig. Es stellen sich Fragen, «wie geht man mit diesen Personen langfristig um?», «Wie integriert man diese wieder in ein Arbeitsleben?» Und natürlich Fragen darüber, wer für die Kosten aufkommt. Das ist ein sehr breites Spektrum an Aspekten. 

Gibt es eine Anlaufstelle oder Websiten, bei der Long Covid Patienten Hilfe bekommen, die du empfehlen kannst und die dir geholfen haben? 

Die Patientenorganisation Long Covid Schweiz bietet mit der Facebook-Selbsthilfegruppe eine Plattform, wo man sich austauschen und Tipps bekommen kann. Es gibt das Altea-Long Covid Netzwerk, welches von der Lunge Zürich initiiert wurde und vom BAG mitfinanziert wird. Sie bieten Informationen in vier Sprachen zu Long Covid und geben Tipps zu den verschiedenen Symptomen. 

Daneben gibt es beispielsweise das Unispital Genf, welches eine Plattform aufgebaut hat, die Betroffene abholt. Sie haben erste und weiterführende Tipps, was man machen kann, an wen man sich wenden kann für Kinder und Erwachsene mit Long Covid. 

Was wünschst du dir in Zukunft für dich und alle anderen Long Covid Patienten? 

Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam eine Lösung suchen, wie wir mit den vielen von Long Covid betroffenen Erwachsenen und Kindern umgehen wollen. Long Covid und ME/CFS müssen endlich auf die Agenda gesetzt werden und in die Überlegungen über Massnahmen miteinbezogen werden. Wir müssen die Anzahl Betroffenen beziffern, und wir brauchen eine Strategie und Strukturen, um mit chronischen Erkrankungen und Betroffenen umzugehen, auch in kommenden Pandemien. Das betrifft auch die Integration im Arbeitsleben, Versicherungsfragen und die Gesellschaft als Ganzes. Wir müssen uns fragen, ob wir die Prioritäten richtig setzen und ob wirtschaftliche Interessen wirklich so viel wichtiger sind als gesundheitliche. Und wir brauchen in der Schweiz klinische Forschung im Bereich Long Covid und ME/CFS. Wir müssen selbst die Initiative ergreifen und nicht auf Europa warten. Und Patienten sollten möglichst aktiv in die Forschung mit einbezogen werden.  

Gibt es etwas, dass du der Bevölkerung Schweiz oder auch den an Covid Erkrankten mitteilen möchtest. 

Was diese Pandemie klar gezeigt hat ist, dass es keine absolute Sicherheit gibt und keine einfachen Lösungen, und dass es Mut braucht. Wir sollten auf die Forschenden hören. Die Epidemiologen haben ja immer gesagt «schnell und bestimmt» agieren. Und was machen wir in der Schweiz? Wir warten Ewigkeiten und dann ist es ein Abwägen verschiedener Interessen – wirtschaftliche Interessen scheinen wichtiger als die gesundheitlichen. Die Bedenken einer lauten Minderheit werden ernstgenommen, und die grosse Mehrheit und die Wissenschaftler werden ignoriert. Das ist sehr ernüchternd. Eine andere Einsicht ist, dass wir einige Leute überhaupt nicht erreichen. Sie sehen nicht, dass Impfungen einen bedeutenden Einfluss auf die Volksgesundheit haben, z.B., dass Kinder nicht mehr an Kinderkrankheiten erkranken wie Polio oder Diphtherie. Das war vor 100 Jahren noch anders. Und jetzt müssen wir wieder anfangen zu diskutieren, ob man vielleicht eine Masernimpfung machen sollte oder eine Covid-Impfung.   

Ich hatte keine Angst vor der Infektion, weil ich glaubte, dass ich gesund bin und stark. Ich war nie krank, habe gedacht, wenn ich es bekomme, dann habe ich es durch, kein Problem. Jetzt sehe ich das definitiv anders. Ich würde allen empfehlen sich zu impfen. Long Covid kann jeden treffen. Man kann sein Immunsystem nicht mit SARS-CoV-2 trainieren. Das geht definitiv nicht. 

Das Interview führte Anne Borchard

Titelbild: unsplash.com / Engin Akyurt