«Auch kleine Veränderungen beim Essen können Grosses bewirken» 

«Auch kleine Veränderungen beim Essen können Grosses bewirken» 

Zusammenfassung 

Damit über 60-jährige Menschen auch mit zunehmendem Alter lange mobil und selbstständig bleiben, sollten sie auf eine ausreichende Nährstoffzufuhr achten. So nimmt mit zunehmendem Alter der Energiebedarf ab. Dagegen steigt der Bedarf an gewissen Nährstoffen, wie Eiweiss oder Vitamin D. Angehörige und Berufsgruppen, die mit über 60-jährigen Menschen in Kontakt stehen, können auf die veränderten Ernährungsbedürfnisse hinweisen. Für diese Multiplikator*innen hat die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE verschiedene Materialien, wie Broschüren, Flyer, Merkblätter im Rahmen des Projektes «Ernährung 60 plus» zur deren Unterstützung erarbeitet.  

Hintergrund

Die Lebenserwartung in der Schweiz steigt zunehmend und wir werden immer älter. Hierdurch nehmen die nichtübertragbaren Krankheiten und funktionellen Beeinträchtigungen zu. Eine bedarfsgerechte Ernährung kann dazu beitragen, dass diese Krankheiten und Alterserscheinungen sowie ihre Folgen, wie beispielsweise abnehmende Selbstständigkeit oder steigende Pflegebedürftigkeit weniger häufig oder später eintreten. So zeigt sich beispielsweise, dass bei älteren Menschen der Energiebedarf im Vergleich zu jüngeren geringer ist, jedoch der Bedarf an Nährstoffen gleichbleibt bzw. steigt. Beispielsweise steigt der Bedarf an Protein mit zunehmendem Alter, da die Fähigkeit Muskulatur aufzubauen im Alter sinkt. Daneben verändern sich oftmals der Geruchs-und Geschmackssinn, was dazu führt, dass über 60-jährige Menschen insgesamt weniger essen.

All dies führt oftmals zu einer Mangelernährung bei dieser Bevölkerungsgruppe, wie eine Umfrage zur Ernährung bei über 50-jährigen Menschen zeigte. Um solch einer Mangelernährung entgegenzuwirken, hat die SGE das Projekt «Ernährung 60 plus» ins Leben gerufen. Ziel dieses Projektes ist es, eine ausgewogene und genussvolle Ernährung bei über 60-Jährigen zu fördern. 

Studieneigenschaften 

Zunächst überlegte sich die SGE, wie man möglichst viele der über 60-jährigen Menschen erreichen kann. Dies aus dem Grund, dass viele dieser Menschen vor einem Umbruch – wie beispielsweise die bevorstehende Pensionierung oder der Auszug der Kinder – stehen und oftmals ein neuer Lebensabschnitt in diesem Alter beginnt. Dabei hat die SGE mit verschiedenen Multiplikatoren, wie beispielsweise Mitarbeitenden von Pro Senectute, Spitex, Hausärzten, Ärzt*innen, Ernährungsberater*innen, Mahlzeitendiensten und weiteren mit Angeboten für Menschen ab 60 Jahren zusammengearbeitet. Hierfür wurden verschiedene Materialien für diese Multiplikator*innen erstellt. Auch wurden diese von der SGE geschult und sie tauschten sich auch untereinander aus. Zudem wurden Partnerschaften aufgebaut, um Ernährungsaspekte in bestehende Projekte einzubringen. Beispielsweise wurden Partnerschaften zu Bewegungskursen von Pro Senectute aufgebaut, bei denen dann auch Ernährung mitintegriert wurde. Auch wurde mit Tavolata zusammengearbeitet, welche das Rätselheft an Teilnehmende verteilten.  

Wichtigste Resultate

Um möglichst viele ältere Menschen selbst bzw. die Fachpersonen und Multiplikatoren für das Projekt «Ernährung 60» plus zu gewinnen und somit diese Bevölkerungsgruppe zu einer gesunden und ausgewogenen Ernährung zu motivieren, wurden verschiedenste Materialien jeweils in den drei Landessprachen kostenlos von der SGE erstellt. 

Titelbild des Rätselheftes

Besonders beliebt ist das Rätselheft. Hierin werden Kreuzwort- oder Bilderrätsel, Sudoku und andere Rätsel mit wertvollen und praktischen Tipps zum Essen und Geniessen ab 60 Jahren kombiniert. «Mit dem Rätselheft werden auch Menschen erreicht, die in erster Linie gerne Rätsel lösen und sich nicht unbedingt für die Ernährung interessieren. Sie erfahren ganz nebenbei etwas zu einer ausgewogenen Ernährung und erhalten praktische Tipps.» so Angelika Hayer, Stellvertretende Leiterin der SGE. 

Aber auch die «Rohtexte zur freien Verfügung» oder die «Powerpoint-Präsentationen» sowie die Podcasts werden gerne – insbesondere von den Multiplikatoren – eingesetzt. All die Texte zeigen deutlich, welche Nährstoffe, Vitamine und Mineralstoffe für ältere Menschen von besonderer Bedeutung sind und auf welche diese Bevölkerungsgruppe besonders achten soll. «Daneben soll auch die Freude und der Genuss am Essen nicht zu kurz kommen. Durch eine gemeinsame Mahlzeit kann Freude am Essen und der Stellenwert der Ernährung gesteigert werden und die Lebensqualität und soziale Integration von über 60-jährigen Menschen gefördert werden», berichtet Angelika Hayer.

Auch das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) hat beispielsweise kürzlich eine detaillierte Broschüre «Gesund essen – fit bleiben – Ernährung ab 65» sowie Prävention und Gesundheitsförderung des Kantons Zürichs ein Flyer mit Tipps und praktischen Menüvorschlägen für den Alltag erstellt. Angebote rund um die Ernährung finden sich zudem auch auf der Website von «gesund & aktiv älter werden» von Prävention und Gesundheitsförderung des Kantons Zürichs.

Allen ist gemeinsam, dass ältere Menschen insbesondere einen erhöhten Proteinbedarf haben und möglichst zu jeder Mahlzeit diesen Nährstoff aufnehmen sollten. 

Bei den Vitaminen und Mineralstoffen sollte einzig Vitamin D zusätzlich zur Ernährung z.B. in Form von Tropfen eingenommen werden, da die Bildung von Vitamin D über die Haut im Alter abnimmt und über die Ernährung wir nicht genügend bilden können. Daneben sollten ältere Menschen auf eine ausreichende Calciumeinnahme achten. Diese kann allerdings gut über Lebensmittel, wie Milchprodukte oder bestimmte Gemüsesorten, Nüsse oder Mineralwasser gedeckt werden. Auch alle weiteren Vitamine und Mineralstoffe können in der Regel gut über die Ernährung abgedeckt werden. Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmittel macht nur Sinn, wenn wirklich Bedarf besteht und wird am besten mit dem Hausarzt bzw. der Hausärztin abgesprochen.  

Ausblick 

Neben dem laufenden Projekt «Ernährung 60 plus» plant die SGE neu das Projekt «Multiplikation Ernährung 60 plus». Dieses legt den Fokus auf vulnerable Untergruppen, wie zum Beispiel Personen mit Migrationshintergrund oder mit niedrigem Einkommen. Grund hierfür ist, dass Studien mit hoher Evidenz zeigen, dass eine soziale Ungleichheit beim Ernährungsverhalten besteht. Dabei werden bewährte Massnahmen aus dem laufenden Projekt zur Förderung einer ausgewogenen und genussvollen Ernährung bei über 60-Jährigen weiterhin genutzt und multipliziert. Beispielsweise werden bestehende Partnerschaften gepflegt, um die Integration des Themas Ernährung in bestehenden Projekten und Angeboten weiterhin sicherzustellen. Darüber hinaus werden neue Partnerschaften aufgebaut – insbesondere mit Multiplikator*innen, über die die vulnerablen Gruppen erreicht werden.

So soll beispielsweise eine Broschüre in einfacher Sprache erstellt werden. Auch sollen Medienpartnerschaften und andere Kommunikationsmassnahmen die Angebote bekannter machen und die Ernährungsbotschaften für die Allgemeinbevölkerung über 60 Jahre als auch vulnerable ältere Menschen verbreiten.

Offen bleibt 

Sowohl beim laufenden als auch im neuen Projekt kann die SGE und Multiplikator*innen die ältere Bevölkerung für eine ausgewogene und genussvolle Ernährung sensibilisieren. Ob die ältere Bevölkerung langfristig ihre Essgewohnheiten tatsächlich auch ändert und somit weniger oder gar keine Mangelernährung entwickelt, kann man jedoch nicht wissen. Ein Versuch ist es auf jeden Fall wert. Denn auch «kleine Verhaltensänderungen beim Essen können bereits Grosses bewirken», weiss Angelika Hayer. Und eins ist definitiv sicher: Eine ausgewogene und genussvolle Ernährung und ausreichend Bewegung – beides am besten in Gesellschaft – sowie Entspannung trägt in jedem Alter zum Wohlbefinden und Lebensqualität bei.