Lungenkrebsscreening: wer, wie, wann? 

Lungenkrebsscreening: wer, wie, wann? 

Lungenkrebs ist die häufigste krebsbedingte Todesursache weltweit. Auch in der Schweiz: So erkranken jährlich rund 5600 Menschen an Lungenkrebs und ca. 3300 sterben an der Erkrankung. Je früher Lungenkrebs diagnostiziert wird, um so besser ist er meist behandelbar. Deshalb empfiehlt das Schweizer Cancer Screening Committee ein strukturiertes Lungenkrebsscreening bei Risikogruppen mittels niederdosierter Computertomographie durchzuführen. Im zweiten Vortrag der «Fortbildung Public Health Schweiz*» berichtet Christophe von Garnier wer, wie und wann ein Lungenkrebsscreening sinnvoll ist sowie über den aktuellen Stand des Lungenkrebsscreenings in der Schweiz.  

Häufigkeit von Lungenkrebs in der Schweiz 

Lungenkrebs ist die häufigste krebsbedingte Todesursache in der Schweiz. «Bei Männern sind sowohl die neuen Fälle als auch die Todesfälle durch Lungenkrebs eher am Abnehmen» berichtet Christophe von Garnier von der Pneumologie des Universitätsspitals in Lausanne (CHUV). «Dies aufgrund der jahrzehntelangen Präventions-Bemühungen bezüglich des Tabaks.» so Christophe von Garnier. Denn Tabak bzw. Rauchen ist der grösste Risikofaktor für Lungenkrebs. «Bei Frauen hingegen sehen wir – und das ist auch der weltweite Trend – eher einen Anstieg. Und dies sowohl bei neuen Fällen als auch bei den Todesfällen in der Schweiz» erklärt Christophe von Garnier weiter. Für die Schweiz bedeutet das rund 5600 Neuerkrankungen und ca. 3300 Todesfälle pro Jahr. Diese hohe Sterberate ist darauf zurückzuführen, dass Lungenkrebs oftmals erst in einem späten Krankheitsstadium diagnostiziert wird. Studien zeigen, dass bei etwa 70 % der Patienten die Krankheit zum Zeitpunkt der Diagnose bereits fortgeschritten ist. 

Lungenkrebsscreening 

Mit einem Lungenkrebsscreening kann Lungenkrebs bis zu viermal häufiger in früheren Stadien
(Stadium I) entdeckt werden. «In diesem Stadium ist Lungenkrebs tendenziell kurativ mittels Operation behandelbar – d.h. der Patient kann vom Krebs geheilt werden. Ohne Screening wird Lungenkrebs hingegen zu 45% erst im fortgeschrittenen Stadium IV diagnostiziert» so Christophe von Garnier.

Diese eindeutigen Vorteile eines Lungenkrebsscreenings für Hochrisikogruppen konnte in Studien in den letzten 20 Jahren bestätigt werden. Die Daten zeigen deutlich, dass die Sterberate mittels Lungenkrebsscreening reduziert werden kann. 

Das Lungenkrebsscreening wird mit einer niedrigdosierter Computertomographie (low-dose CT – kurz LDCT) durchgeführt. «Dabei ist die Strahlung für ein LDCT etwa so hoch wie ein Fünftel der natürlichen Jahresstrahlung», erklärt Christophe von Garnier. Die low-dose CT wird aktuell zu Beginn (Baseline) und jährlich danach bis zum Erreichen des Maximalalters oder Abschluss der Programmdauer empfohlen. Durch das Screening kann die Lebenserwartung erhöht werden: Studien zeigten, dass bei LungenkrebspatientInnen Lungenkrebs eine Chemo-/Immunotherapie die durchschnittliche Lebenserwartung auf etwa 300 Tagen verlängern. Dagegen kann durch ein Screening und die frühzeitige Diagnose die durchschnittliche Lebenserwartung auf ca. 12 Jahre erhöht werden.  

Für wen und wann ist ein Lungenkrebsscreening sinnvoll? 

In den USA wird ein Lungenkrebsscreening laut der U.S. Preventive Services Task Force für erwachsene Raucher zwischen 50-80 Jahren, die seit 20 Jahren lang mindestens 20 Zigaretten (1 Packung) pro Tag rauchen oder geraucht haben und vor weniger als 15 Jahren aufgehört haben, empfohlen. Dagegen rät die Task Force Personen, die schon seit über 15 Jahren mit dem Rauchen aufgehört haben und Personen mit Gesundheitsproblemen, bei denen keine kurative Lungenoperation mehr möglich ist, von einem Lungenkrebsscreening ab. In aktuellen Pilot- und Forschungsprogrammen bestimmt das individuelle Risiko für einen Lungenkrebs, ob ein LDCT durchgeführt wird. 

Und in der Schweiz? 

In der Schweiz gibt es (noch) keine präzise Empfehlung, wer genau ein Lungenkrebsscreening erhalten soll. Das Schweizer Cancer Screening Committee schlägt einzig vor, das Lungenkrebsscreening starken sowie auch bereits moderaten Raucherinnen und Rauchern ab 55 Jahren anzubieten und auch Personen einzuschliessen, die mit dem Rauchen aufgehört haben. Daneben gibt es aber auch noch weitere Faktoren, die für ein Lungenkrebsscreening sprechen, wie beispielsweise chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) in der Vergangenheit, familiär gehäuftes Auftreten von Lungenkrebs oder eine persönliche Veranlagung zu Lungenkrebs. 

Stand des Lungenkrebs-Screenings weltweit und in der Schweiz  

Weltweit führte die USA 2013 als erstes Land ein Lungenkrebsscreening mittels LDCT ein. In Europa war Kroatien das erste Land, welches ein Lungenkrebsscreening einführte. England ist aktuell mit ihrem «Lung Health Check» wohl am weitesten und erfolgreichsten mit der Implementierung von Pilotprogrammen, welche aktuell in vielen anderen Ländern ebenfalls eingeführt werden bis nationale Programme etabliert sind.

In der Schweiz existiert bisher noch kein schweizweites Screening-Programm für Lungenkrebs. Allerdings beschäftigte sich eine Arbeitsgruppe – Swiss Lung Cancer Screening Implementation Group (CH-LSIG) – seit bald zehn Jahren mit einem Lungenkrebsscreening-Programm. So führte sie zunächst ein Literaturreview durch, befragte nationale und internationale Experten und führte ein Workshop mit Stakeholdern durch. Letztendlich entstand hierdurch Ende 2020 eine Empfehlung und eine Roadmap für die Implementierung von Lungenkrebsscreening in der Schweiz. Diese Empfehlung und die Roadmap dienen nun als Grundlage für die Etablierung eines Pilotprojekt im Kanton Waadt. 

Erstes Pilotprogramm in der Schweiz 

«Ein Pilot für ein erstes, kantonal unterstütztes Projekt eines LDCT Screening für die Dauer von 4 Jahren ist aktuell in Vorbereitung und plant den Einschluss von 1000 Teilnehmenden» berichtet Christophe von Garnier. Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe bereitet diese Pilotprojekt vor. 

Behandlungspfad (Roadmap) von Lungenkrebsscreening: 

QuelleFeasibility study on an LDCT lung cancer screening program in Switzerland 

Finanzierungsfrage und Erreichbarkeit der Hochrisikopopulation 

Eine der grössten Hürden beim Lungenkrebsscreening ist wohl die Kostenübernahme. Denn: «Lungenkrebsscreening ist zwar kosteneffizient, aber absolut gesehen doch eine teure Intervention. Und hier wird natürlich auch langfristig die Frage auftauchen: Wie wird das finanziert?» berichtet Christophe von Garnier. Daneben gibt es noch zahlreiche andere Hürden, wie beispielsweise Fachwissen oder auch technische Anforderungen, die auch wesentlich für ein erfolgreiche Einführung und Umsetzung von Lungenkrebsscreening sind. 

Daneben ist es auch schwierig die Hochrisikogruppe für das Screening zu erreichen. Hierbei sind beispielsweise Aspekte, wie eine positive Kommunikation von grösster Bedeutung. «So sollte das Screening als «Lungen Gesundheitscheck» kommuniziert werden, und das Wort Krebs möglichst vermieden werden, wegen der Karzinophobie» berichtet Christophe von Garnier. Durch Hausärzte, Apotheken, Familie oder Freunde können Risikopersonen erreicht und zu einem Lungenkrebsscreening motiviert werden. Risikopersonen können auch durch positive Informationen auf Zigarettenpackungen zum Lungenkrebsscreening motiviert werden. 

Bedeutung der Pilotprogramme 

Besonders wichtig ist es für Christophe von Garnier, dass gezielte Pilotprogramme koordiniert umgesetzt werden bis die Finanzierung geklärt ist. Idealerweise sollten hochqualitative Pilotprogramme in ein paar wenigen Kantonen durchgeführt werden, damit die verschiedenen Arten der Umsetzung eines Screening Programms geprüft werden können. «Allerdings sollten die Pilotphasen nicht allzu lange andauern», betont Milo Puhan, Direktor des Instituts für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention, in der anschliessenden Diskussion. «Andernfalls wird es schwierig, Lungenkrebsscreening innert sinnvoller Zeit in der Schweiz einzuführen», so Milo Puhan. 

«Die Einführung eines Lungenkrebsscreenings sollte zudem nicht als Freipass zum Rauchen werden» betont Christiane Meier, Kantonsärztin Zürich. «Deshalb ist es auch so enorm wichtig, ein Rauchstopp-Programm in das Screening-Programm zu integrieren», meint Christophe von Garnier. Auch im aktuellen Pilotprogramm im Kanton Waadt ist ein integriertes Rauchstopp-Programm vorgesehen.

Neben den vielen Vorteilen des Screening Programms dürfen allerdings nicht die Nachteile eines Screenings vergessen werden. So können falsch positive Screening-Resultate, die zu weiteren Tests und Behandlungen führen, belastend für die betroffenen Personen sein. Dies sollte auch immer bei der Entscheidung eines Lungenkrebsscreenings mitberücksichtigt werden. Daher ist ein gut geschultes Gesundheitspersonal, dass die Risikopersonen bei ihrer Entscheidung für oder gegen ein Lungenkrebsscreening unterstützt, sehr wichtig.   

Persönliche Zusammenfassung von Christophe von Garnier
Lungenkrebs-Screening mittels Niederdosis CT hat das Potenzial, das Überleben bei Lungenkrebs nachhaltig zu verbessern. Die Voraussetzung hierfür sind ein strukturiertes Programm mit Involvierung von Hausärzten, innovative Kommunikation um die Risikopopulation zu erreichen und eine integrierte Tabakentwöhnung.
Gibt es Resultate, welche Sie in Ihrer Arbeit besonders erstaunt oder überrascht haben?  
Obwohl das nationale Expertengremium für Krebsfrüherkennung 2022 Lungenkrebsscreening für die Schweiz empfiehlt, wird es noch einige Jahre dauern bis die Finanzierung geklärt und die Kostenübernahme durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung gewährleistet ist.
Was empfehlen Sie konkret der Bevölkerung?  
Derzeit existiert noch kein nationales oder kantonales Lungenkrebsscreening-Programm und es die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt noch nicht die Kosten für die Untersuchungen. Falls Personen trotzdem diese Vorsorgeuntersuchung durchführen möchten, sollten dies sorgfältig mit dem Hausarzt evaluiert werden.

Referent:

Prof. Dr. med. Christophe von Garnier
Chef du Service de pneumologie

Der Vortrag kann hier eingesehen werden.

*Die «Fortbildung Public Health Zürich» ist eine gemeinsame Initiative des Instituts für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich und dem Kantonsärztlichem Dienst, der Gesundheitsdirektion Kanton Zürich. Das vollständige Programm finden Sie hier.

Titelbild: Image by Freepik