Impfungen diesen Herbst/Winter: Um wen, wann, wovor zu schützen?

Impfungen diesen Herbst/Winter: Um wen, wann, wovor zu schützen?

Heute – 10. November 2023 – ist nationaler Grippeimpftag. Das BAG und die EKIF lancieren dieses Jahr erstmals die Kampagne «Gegen Grippe und Covid-19 impfen». Neu wird dieses Jahr auch Menschen über 64 Jahren empfohlen, sich gegen Pneumokokken impfen zu lassen. Zu den Hintergründen, wer sich wann impfen lassen sollte und mögliche zukünftige Entwicklungen bezüglich Impfungen berichtet Christoph Berger in einem Vortrag der «Fortbildung Public Health Zürich*». 

«Wenn wir eine Impfung haben, müssen wir zunächst immer überlegen, wie wir eine Impfung einsetzen möchten und mit welchem Ziel» so startete Christoph Berger, Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF) und Chefarzt im Kinderspital Zürich seinen Vortrag. «Wir können durch Impfungen verschiedene Ziele verfolgen: Gewisse Krankheiten, wie beispielsweise Masern, können wir durch die Impfung vollständig beseitigen. Andere Impfungen können eine Ansteckung mit der Krankheit vorbeugen – denken Sie an die Röteln-Impfung. Und andere Impfungen – wie beispielsweise die Covid-Impfung – schützen vor Komplikationen oder schweren Verläufen» so Christoph Berger. Zudem muss unterschieden werden, ob die Impfung hauptsächlich einen individuellen Schutz gibt – also die geimpften Personen selbst schützt – oder auch einen kollektiven Schutz bietet und so die Übertragung in der Bevölkerung und bei vulnerablen Personengruppen vermindert.

Bisherige COVID-19 Impfstrategie 

Die Impfstrategie war bisher, die Krankheitslast zu minimieren und dadurch schwere bzw. tödliche Covid-19 Erkrankungen zu minimieren, die Gesundheitsversorgung aufrecht zu erhalten und die weiteren Auswirkungen der Pandemie zu reduzieren. Zu Beginn der Pandemie hatten wir sehr viel mehr Covid-Fälle bei jungen Menschen. Allerdings keine Schweren. Aber wir hatten ganz schwere Fälle bei den Risikogruppen – den über 65-Jährigen und den Menschen mit Komorbiditäten. 

Im Verlauf der Pandemie hatten fast alle Personen in der Schweiz Kontakt mit dem Virus – sei es durch Impfung, durch Infektion oder durch Hybridimmunität – also einer Impfung und einer Infektion. Dies zeigen Daten der Corona Immunitas Studie: So betrug die Grundimmunität der Bevölkerung im Sommer 2022 98%. 

Auch sind im Verlauf der Pandemie neue Virusvarianten entstanden: Mit den neueren Virusvarianten nehmen sowohl die Stärke wie auch die Dauer des Impfschutzes mit der Zeit ab. So zeigen Studien aus Grossbritannien, dass der Schutz vor einer Hospitalisierung zwischen 2 Wochen bis 2 Monate nach der Impfung am höchsten ist und nach 4 – 6 Monaten stark sinkt. Das heisst, dass der Impfschutz begrenzt ist und nur kurz andauert. Die Impfung schützt vorübergehend gut vor Hospitalisation – d.h. vor schweren Covid-19-Verläufen. Sie schützt aber nur wenig vor einer Infektion und minimal vor einer Übertragung. «Diese Tatsachen – der zunehmenden Grundimmunität der Bevölkerung und des abnehmenden Impfschutzes bei neueren Virusvarianten – müssen wir jetzt in der Covid-19 Impfstrategie für diesen Herbst/Winter berücksichtigen» betont Christoph Berger. 

Covid-19 Impfstrategie Herbst/Winter 2023

Hauptziel der Auffrischimpfung diesen Herbst/Winter ist es daher, besonders gefährdete Personen vor schweren Covid-19 Erkrankungen und deren Komplikationen zu schützen. Die Impfung bietet diesen Personen vorübergehend einen verbesserten individuellen Schutz vor schweren Erkrankungen, insbesondere in einer Phase mit hoher Virusausbreitung, wie dies für diesen Herbst/Winter erwartet wird. Bei den Risikopersonen sinkt der Impfschutz schneller bzw. früher als bei der gesunden, jüngeren Bevölkerung. Daraus wurde dann auch die Impfempfehlung der Schweiz für diesen Herbst/Winter abgeleitet: 

«Es sollen besonders gefährdete Personen ab 16 Jahre geimpft werden.
Der optimale Zeitpunkt für eine COVID-Impfung ist zwischen Mitte Oktober bis Dezember.
Für die allgemeine Bevölkerung wird keine Impfempfehlung ausgesprochen.
Auch nicht für die Gesundheitsfachpersonen.
Selbstverständlich kann sich aber jeder auf individuellen Wunsch impfen»
betont Christoph Berger.

Wird eine Covid-Impfung Schwangeren empfohlen? 

«Die Schwangeren stehen irgendwo dazwischen. Wir wissen, dass v.a. bei den Delta- und Prä-Delta-Varianten schwere Schwangerschaftsverläufe vorgekommen sind. Hier sind sowohl Komplikationen bei der Frau, Schwangerschaftskomplikationen, sowie auch Infektionen beim Säugling aufgetreten. Mit Omikron und zunehmender Immunität in der Bevölkerung werden diese Verläufe weniger schwer. Aber es gibt sie immer noch. Wir haben keine Sicherheitsbedenken von mRNA-Impfstoffen in der Schwangerschaft. Und wenn eine Frau einen zusätzlichen Risikofaktor hat, soll sie unbedingt sich impfen lassen. Alle anderen Frauen sollen die Impfung mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt besprechen und anschliessend individuell entscheiden» erläutert Christoph Berger. Aber auch hier müsse beachtet werden, dass wir mit der Impfung nicht unbedingt Infektionen verhindern, sondern das Ziel eher mildere Infektionsverläufe sind. 

Grippeimpfung Herbst/Winter 2023

«Vor Covid führte die Grippe jedes Jahr bis zu 275 000 Arztkonsultationen, mehreren tausend Hospitationen und mehreren hunderten Todesfällen. Während der Pandemie waren die Zahlen aufgrund der getroffenen Covid-Massnahmen nicht so hoch, da diese auch in Bezug auf die Grippe geholfen haben» berichtet Christoph Berger. Durch den Wegfall der Covid-Massnahmen und dem zunehmenden Aufenthalt in geschlossenen Räumen, steigt das Risiko einer Grippeinfektion im Herbst wie jedes Jahr wieder an. Die Grippeimpfung wird den folgenden Personengruppe empfohlen: 

«Insbesondere Personen ab 65 Jahren, Personen mit chronischen Erkrankungen und Patienten in Pflegeheimen. Aber auch schwangeren Frauen bis 4 Wochen nach Entbindung
und Frühgeborenen wird eine Grippeimpfung empfohlen» 
betont Christoph Berger.

Bei der Grippeimpfung gibt es allerdings noch eine weitere Empfehlung: 

«Die Grippeimpfung empfehlen wir Menschen, die regelmässig Kontakt mit Risikogruppen haben
– sei es familiär, privat oder beruflich – z.B. Pflegefachpersonen, Mitarbeiter in Kinderkrippen, Tagesstätten oder Alters- und Pflegeheimen,
sowie Risikopersonen oder Säuglingen unter sechs Monaten» 
so Christoph Berger.

Hier geht es also auch um einen kollektiven Schutz. Die Akzeptanz bei engen Kontaktpersonen ist sehr gut und die Wirksamkeit bei jungen, gesunden Erwachsenen beträgt bis zu 90%. Durch die Impfung von engen Kontaktpersonen werden Risikopersonen indirekt geschützt. 

Wem wird eine hochdosierte 4-fach Grippeimpfung empfohlen? 

Die Grippeimpfung wirkt nicht so gut bei älteren Risikopersonen und noch weniger bei Personen mit Immundefizienz. Diesen vulnerablen Personen empfehlen wir daher eine hochdosierte Grippeimpfung. Diese ist 4-fach höher dosiert als der normale Grippeimpfstoff. «Mit diesen hochdosierten Grippeimpfstoffen erzielen wir laut Studien eine bessere Wirksamkeit als mit den normalen Grippeimpfstoffen» erklärt Christoph Berger. 

Kampage «Gegen Grippe und Covid-19 impfen»

Diese Kampagne richtet sich an besonders gefährdete Menschen, die ein erhöhtes Risiko für schwere Krankheitsverläufe – sowohl nach einer Grippe- als auch einer Covid-Infektion – haben. Bei dieser Personengruppe nimmt zudem auch der Impfschutz schneller ab, als bei jungen, gesunden Personen. Deshalb empfiehlt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) zusammen mit der EKIF diesen besonders gefährdeten Personen sich diesen Herbst sowohl gegen Grippe als auch Covid impfen zu lassen. 

Die Grippeimpfung kann am heutigen nationalen Grippeimpftag in der Regel ohne Voranmeldung in teilnehmenden Arztpraxen bzw. Impfapotheken geimpft werden. 

Die Covid-Impfung kann dabei gleichzeitig mit, vor oder nach einer Grippeimpfung erfolgen.  

Pneumokokken Impfung  

«Die Pneumokokken-Impfung bei Kindern ist seit Jahren gut etabliert und hat in den letzten 15 Jahren zu einem erfolgreichen Rückgang der Krankheitslast geführt. Bisher wurden Kinder ab 5 Jahre mit einem der beiden zugelassenen Konjugatimpfstoffen – Pneumovax-23 und Prevenar – geimpft. Neu ist der Impfstoff Prevenar auch für Kinder unter 5 Jahren und Menschen über 64 Jahren zugelassen» so Christoph Berger. «Die Krankheitslast bei Kindern unter 5 Jahren ist genauso hoch, wie bei der Gesamtbevölkerung. Dagegen ist die Krankheitslast bei den über 64-jährigen Personen am höchsten und z.T. bei bestimmten Risikogruppen noch höher» berichtet Christoph Berger. Deshalb wurde die Empfehlung einer Pneumokokken-Impfung auch für die über 64-jährigen erhöht. 

Zukünftige Entwicklungen

In anderen Ländern wird aktuell stark die Dreifachimpfung für Covid, Grippe und Respiratorisches Synzytial-Virus-Infektion (RSV) diskutiert. Bei Kindern wird eine RSV-Impfung bereits empfohlen. «Für Senioren sind RSV-Impfstoffe in der Schweiz noch im Zulassungsverfahren. Diese Impfungen sind schon in verschiedenen anderen Ländern zugelassen. Die Krankheitslast von RSV bei über 65-jährigen Personen muss noch genau evaluiert werden. Aber es ist davon auszugehen, dass diese Krankheitslast relevant ist» so Christoph Berger. Die Entwicklungen bezüglich der Dreifachimpfstoffe werden in der Schweiz genau beobachtet. Allerdings wird der Impfstoff diesen Winter weder in der Schweiz zugelassen noch verfügbar sein und sind auch noch nicht empfohlen.

Referent

Der Vortrag kann hier eingesehen werden.

*Die «Fortbildung Public Health Zürich» ist eine gemeinsame Initiative des Instituts für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich und dem Kantonsärztlichem Dienst, der Gesundheitsdirektion Kanton Zürich. Das vollständige Programm finden Sie hier.

Quelle Titelbild: Bundesamt für Gesundheit (BAG)