Öffentliches Vertrauen in Gesundheitssysteme und Digitalisierung

Öffentliches Vertrauen in Gesundheitssysteme und Digitalisierung

Am 20.2.2024 fand die Nationale Konferenz Gesundheit2030 zum Thema Digitalisierung im Gesundheitswesen statt. Die Konferenz hatte das Motto ‘Digital vernetzt und menschlich verbunden’. Felix Gille sprach sowohl an der Konferenz als auch im Rahmen der Fortbildung Public Health Zürich* über seine Forschungsarbeiten zur Rolle des öffentlichen Vertrauens für Gesundheitssysteme sowie über eine erfolgreiche Umsetzung der Digitalisierung im Gesundheitswesen.

«Ich denke Vertrauen ist das Fundament für eine effiziente Gesundheitsversorgung» begann Dr. Felix Gille seinen Vortrag an der Fortbildung Public Health Zürich. Felix Gille ist Postdoktorand der Digital Society Initiative (DSI) und forscht am Institut für Implementation Science in Health Care der Universität Zürich zum öffentlichen Vertrauen in Gesundheitssysteme und die Digitalisierung im Gesundheitswesen. «Einerseits führt Vertrauen zu einer Legitimation – also einer Akzeptanz. Beispielsweise wenn das Gesundheitssystem und die Politikakteure das Vertrauen der Bevölkerung geniessen, dann können auch Initiativen, wie ein nationales elektronisches Patientendossier (EPD), erfolgreich umgesetzt werden. Andererseits führt Vertrauen zu einer Einwilligung und zum Mitmachen der Bevölkerung: So lässt sich die Bevölkerung eher impfen, wenn sie einer Impfkampagne vertraut – sprich den Ärzten und der Regierung, die dahinterstehen», berichtet Felix Gille weiter.

Was ist aber nun Vertrauen?

Zum Vertrauen gibt es viele wissenschaftliche Theorien und Konzepte, aber es gibt keine einheitliche Definition. Stark vereinfacht geht es bei Vertrauen immer um eine Beziehung: «Zum Beispiel vertraut eine Person einer Ärztin, in der Annahme, dass sie etwas Gutes tut oder ihr zumindest nicht schadet. Man hat grundsätzlich immer die Erwartungshaltung, dass es am Ende einen positiven Nutzen hat. Natürlich mit dem Risiko, dass es nicht eintritt», erläutert Felix Gille. Bei diesem persönlichen Vertrauensverhältnis zwischen der Person und der Ärztin bzw. dem Arzt sind nur zwei Akteure des Gesundheitssystems involviert.

Auf Bevölkerungsebene ist es mit dem öffentlichen Vertrauen ähnlich, wobei viele verschiedene Akteure des Gesundheitssystems involviert sind. Das öffentliche Vertrauen hat beispielsweise während der Pandemie dazu beigetragen, dass ein grosser Teil der Bevölkerung die Massnahmen mitgetragen und eingehalten hat. Ein weiteres Beispiel ist das EPD: Die Bevölkerung wird ihre Gesundheitsdaten dem Gesundheitssystem durch ein solches EPD nur unter der Annahme anvertrauen, dass die Nutzung dieser Daten letztendlich den einzelnen Bürgern oder der Bevölkerung als Ganzes zugutekommt.

Warum ist Vertrauen für Gesundheitspolitik wichtig?

Es ist somit klar, dass das Vertrauen der Bevölkerung auch für die aktuelle Gesundheitspolitik von grosser Bedeutung ist. «Die Förderung des öffentlichen Vertrauens hat für die Gesundheitspolitik mehrere Vorteile: Wir sehen in unserer Forschung, dass Vertrauen ‘globale Effekte’ hat. Das bedeutet, dass wir, wenn wir einem Teil des Gesundheitssystem vertrauen, wahrscheinlich auch anderen Teilen des Gesundheitssystems vertrauen», erläutert Felix Gille.

Ein wichtiger aktueller Bereich ist der Aufbau eines Datenraums für gesundheitsbezogene Forschung, welche durch das EPD in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist. Ziel dieses Gesundheitsdatenraums ist, dass durch die Forschung mit den Gesundheitsdaten auch die Gesundheitsversorgung der Schweizer Bevölkerung verbessert werden kann. Dabei sind nicht nur die Akzeptanz der Bevölkerung für eine solche Datennutzung wichtig, sondern eben auch das Vertrauen, dass die Daten entsprechend den Bestimmungen und durch vertrauenswürdige Akteure genutzt werden. «Es muss absolut transparent sein, wer welche Daten für was benutzt», betont Felix Gille.

Erfolgsfaktoren einer vertrauensvollen Digitalisierung im Gesundheitswesen

Beim Aufbau dieses Gesundheitsdatenraums ist die Digitalisierung im Gesundheitswesen von grösstem Interesse. Die Frage ist allerdings ‘Wie kann eine vertrauensvolle Digitalisierung stattfinden?’, so dass am Ende alle Akteure im Gesundheitssystem einschliesslich der Bevölkerung die Digitalisierung als vertrauenswürdig empfinden? «Und gerade im Bereich Digitalisierung bestehen grosse Unsicherheiten in der Bevölkerung. Denn viele Bereiche der Digitalisierung sind sehr komplex und für Laien aber auch für Experten oft nicht einfach zu verstehen und nachzuvollziehen», erklärt Felix Gille. Beispielsweise in der Strategie eHealth Schweiz ist die Digitalisierung ein zentrales Instrument, um verschiedene gesundheitspolitische Ziele zu erreichen. Dazu gehören eine Verbesserung der Behandlungsqualität, Patientensicherheit, Effizienz, koordinierte Versorgung und Interprofessionalität sowie Gesundheitskompetenz. Es geht in der Strategie immer wieder darum, wie ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden kann. Dieses Vertrauen ist nämlich unerlässlich für eine erfolgreiche Digitalisierung im Schweizer Gesundheitswesen.

Bei der Vertrauensbildung sind vier Erfolgsfaktoren von besonderer Bedeutung: Kommunikation, Erfahrungen und Annahmen, Systemgarantien und digitale Selbstbestimmungskompetenz.

Von diesen vier Erfolgsfaktoren der Vertrauensbildung ist die digitale Selbstbestimmungskompetenz von besonderer Bedeutung: Die aktuelle Vorstellung der Bevölkerung hierzu liegt irgendwo zwischen der `Opt-in-Einverständniserklärung` und der `Opt-out-Einverständniserklärung`. «Damit eine Einverständniserklärung in der Schweizer Bevölkerung gelingen kann, ist aus meiner Sicht die Förderung der digitalen Gesundheitskompetenz der Bevölkerung so wichtig. Wie können wir die Bevölkerung in diesen Entscheidungen unterstützen? Und wie kann die Bevölkerung aktiv bei solchen Entscheidungen und Prozessen eingebunden werden?», so Felix Gille. Hier braucht es also noch Arbeit, dass in der Schweiz ein effizienter und vertrauenswürdiger Gesundheitsdatenraum geschaffen werden kann.

Vertrauenswürdiger Gesundheitsdatenraum – Diskutieren Sie mit!

Bezüglich des Gesundheitsdatenraum führen wir an der DSI momentan ein Projekt in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) und dem Forum für Aussenpolitik durch. Wir möchten dabei gemeinsam mit Ihnen anschauen, was Sie konkret unter einem ‘Vertrauenswürdigen Gesundheitsdatenraum’ verstehen. Wir wissen, dass z.B. Gesundheitsdienstleister, Krankenhäuser und auch die Regierung – insbesondere im Vergleich zu anderen Ländern – in der Schweiz ein grosses Vertrauen geniessen. Wir wissen aber auch, dass der Privatsektor bzw. die Industrie ein geringeres Vertrauen geniesst. Auch international ist es typischerweise so, dass die Ärztinnen und Ärzte im Vergleich zu anderen Berufsgruppen das grösste Vertrauen geniessen. Was uns aber fehlt, ist was die Schweizer Bevölkerung selbst konkret unter einem ‘vertrauenswürdigen Gesundheitsdatenraum’ versteht. Wir laden Sie daher zu einem Workshop ein, in dem Sie sich in diese Diskussion einbringen können. Die Ergebnisse werden in eine Orientierungshilfe für die Politik einfliessen, so dass der neue Gesundheitsdatenraum auch so geschaffen wird, dass er das Vertrauen der Bevölkerung geniesst. Der nächste Workshop findet am 7. März 2024 in Zürich statt. Weitere Informationen und Anmeldemöglichkeit finden sich hier.

Referent:

Der Vortrag kann hier eingesehen werden.

*Die «Fortbildung Public Health Zürich» ist eine gemeinsame Initiative des Instituts für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich und dem Kantonsärztlichem Dienst, der Gesundheitsdirektion Kanton Zürich. Das vollständige Programm finden Sie hier.

Bildquelle: Elektronische Patientendossier (EPD)