Multiple Sklerose: Mehr Bewegung durch Aktivitätstracker 

Multiple Sklerose: Mehr Bewegung durch Aktivitätstracker 

Digitale Aktivitätstracker haben grosses Potential für die Förderung von körperlicher Aktivität bei komplexen chronischen Erkrankungen wie Multipler Sklerose (MS). Trotz ihrer vielfältigen Stärken ist eine gezielte Integration in die Routineversorgung mit Herausforderungen verbunden.

Digitale Aktivitätstracker: Potential für die Gesundheitsversorgung

Handelsübliche digitale Aktivitätstracker sind angenehm zu tragen und stossen auf zunehmendes Interesse, sowohl in der breiten Bevölkerung als auch in der Forschung. Die mobilen Geräte werden zumeist wie eine Armbanduhr getragen. Sie erfassen in Echtzeit teilweise komplexe Parameter wie Schrittzahl, Aktivitätsniveau, Herzrate oder Schlafstadien. Aktivitätstracker werden typischerweise mit einer Smartphone-App verbunden. Dies ermöglicht ein kontinuierliches Selbstmonitoring der eigenen Bewegung und Schlaf im Alltag. Daher haben sie grosses Potential im Rahmen der Gesundheitsversorgung und bei der Unterstützung von gesundheitsfördernden Lebensstilveränderung. Das gilt besonders für komplexe chronische Erkrankungen wie MS. 

Aktivitätstracker zur Unterstützung von MS-Betroffenen

MS ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung, die zur fortschreitenden Schädigung des zentralen Nervensystems führt. In der Schweiz wird umfangreiche Forschung zum Thema vom Schweizer MS Register betrieben. Das Register ist eine laufende, patientenzentrierte Längsschnittstudie in der Schweiz, die von der Schweizerischen MS-Gesellschaft finanziert wird. Das Register versteht MS-Betroffene selbst als die besten Experten für ihre Erkrankung und hat das Ziel ihnen eine Stimme zu geben. Die Registerdaten werden in einer einzigen Datenbank gebündelt und ermöglich so die vertiefte Erforschung von MS und die Weiterentwicklung von Therapien und Verbesserung von medizinischer Versorgung. 

Ein Kernsymptom der MS stellt die kontinuierlich abnehmende Bewegungsfähigkeit dar, wie beispielsweise reduzierte Gehfähigkeit. Im Zentrum der MS-Behandlung steht daher die Förderung von körperlicher Aktivität. Diese Massnahme hat sich als besonders wirksames Mittel zur Verlangsamung von Krankheitsverläufen, teilweisen Regeneration und Rehabilitation von MS-Betroffenen erwiesen. Hierdurch reduziert sich die Symptomatik und erhöht die Lebensqualität der Betroffenen. Für die Nachhaltigkeit der Behandlung ist entscheidend, dass die körperliche Aktivität auch langfristig im Alltag beibehalten wird. Vielen Betroffenen fällt es jedoch oftmals schwer weiterhin aktiv zu sein. Die Entwicklung und Förderung von Fähigkeiten und Gewohnheiten zum Selbstmonitoring der eigenen körperlichen Aktivität sind deshalb ein Schlüsselelement im Rahmen der Therapie. 

Herausforderungen bei der Umsetzung in die klinische Praxis

Für MS-Betroffene stellen digitale Aktivitätstracker eine wertvolle ergänzende Ressource zur Förderung eines gesunden Lebensstils dar. Sie können anhand von Aktivitätstrackern ihre Fortschritte messen und sich auf diese Weise selbst zu regelmässiger Bewegung motivieren. MS-Betroffene können so auch mehr ihre Aktivitäten, Erholung und Schlaf beobachten und auf diese Weise mehr auf ihr Wohlbefinden im Alltag achten. Die genauen Bewegungsdaten nutzen ihnen auch bei ihrer Therapie. Anhand der Daten kann ihr:e Therapeut:in das Therapieprogramm individuell anpassen. 

In Kollaboration mit den Kliniken Valens hat die UZH Digital & Mobile Health Group (Prof. Viktor von Wyl) zwei Längsschnittstudien mit Aktivitätssensoren im Kontext von MS durchgeführt. Die Erfahrungen zeigen, dass die Einführung in der klinischen Praxis – z.B. als Teil eines Nachsorgeprogramms – mit Herausforderungen verbunden ist: 

  • Einrichten von Aktivitätstrackern und der zugehörigen Smartphone-App: Dies erfordert ein gewisses technisches Verständnis. Aktivitätstracker werden mittlerweile von vielen Personen in der Schweiz genutzt, sodass nicht jeder eine Einführung benötigt. Gerade aber Personen, die in ihrem Alltag nicht regelmässig ein Smartphone und Apps verwenden, müssen gut eingeführt werden.
  • Datenschutz: Dies ist ebenfalls ein wichtiges Thema. Betroffene müssen genau informiert, werden, was mit ihren Daten geschieht, wenn sie einen Aktivitätstracker verwenden. Im Rahmen von Forschungsstudien müssen besondere Vorkehrungen getroffen werden, die die Anonymität der Datensammlung sicherstellen.
  • Datenmenge: Dies stellt sowohl Betroffene als auch Behandler vor die Herausforderung, wie die Daten in ihrer Menge und Vielfalt bestmöglich für die individuelle Therapie genutzt werden können. 

Der gezielte Einsatz von Aktivitätstrackern in der Routineversorgung benötigt daher eine gute und strukturierte Planung und die Unterstützung aller beteiligten Behandlungsgruppen. Im Vorfeld sollten daher mit allen Beteiligten Vorteile, Vorbehalte und Wünsche diskutiert werden und umfassende Schulungen durchgeführt werden. Auch das vorherige Testen der Aktivitätstracker durch die Behandler ist hilfreich, um so ein besseres Verständnis für die Bedienung des Geräts und möglicher Zielgruppen zu bekommen, die besonders von den Aktivitätstrackern im Rahmen einer Therapie profitieren könnten.

Zukunftsperspektive

Körperliche Bewegung ist ein Schlüsselelement der Behandlung von chronischen Erkrankungen wie MS. Digitale Aktivitätstracker können Betroffene dabei unterstützen und motivieren, im Alltag aktiv zu bleiben. Ihr Einsatz in der klinischen Praxis ist jedoch kein Selbstläufer. Behandelnde müssen vom Nutzen des digitalen Tools überzeugt sein und weniger technik-affine Betroffene bei Bedarf unterstützen. Gelingt das gut, so kann ein digitaler Aktivitätstracker den Lebensstil bei Personen mit chronischen Erkrankungen auf längere Sicht positiv verändern.

Weiterführende Literatur zum Thema findet sich hier

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Titelbild: Shutterstock