Rahel Bühler, Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte:

Die kritische und systematische Lektüre wissenschaftlicher Texte ist ein wichtiger Bestandteil des Geschichtsstudiums und der Geschichtswissenschaft. Meine eigene Lehrtätigkeit sowie verschiedene Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Lektüre wissenschaftlicher Texte eine grosse Herausforderung des Hochschulunterrichts ist. So lesen oder verstehen viele Studierende die in Auftrag gegebenen Texte nicht und kommen dementsprechend schlecht vorbereitet in den Unterricht. Dieses hochschuldidaktische Problem steht im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung. Sie geht der Frage nach, wie Studierende an die selbständige Lektüre und das Verständnis anspruchsvoller Texte herangeführt und dabei unterstützt werden können und wie die kritische, systematische und problemorientierte Lektüre erleichtert werden kann. Ausgehend vom aktuellen Forschungsstand konzentriert sich meine Untersuchung auf die Vermittlung von Lesestrategien im Proseminar III des Geschichtsstudiums an der Universität Zürich. Dazu wurden im Frühlingssemester 2017 in einem Proseminar III verschiedene Interventionen zum Lesen wissenschaftlicher Texte sowie eine anschliessende Befragung der Studierenden und der Dozentin durchgeführt.

Die Befragung zeigte erstens, dass die Lektüre wissenschaftlicher Texte für die Studierenden in unterschiedlichem Ausmass und je nach Komplexität des jeweiligen Textes eine Herausforderung darstellt. Interessant ist die Wahrnehmung mehrerer Studierender, dass sich ihr Aufwand für die Lektüre gegen Ende des Semesters verringert und sich ihr Textverständnis verbessert habe. Die Befragung bestätigte zweitens das Ergebnis verschiedener Studien, welche die Relevanz der Vermittlung von Lesestrategien im Unterricht sowie die Möglichkeit, diese zu trainieren, betonen. Wenn Lesestrategien explizit vermittelt, geübt und angewandt werden und die Studierenden die Möglichkeit und die nötige Zeit erhalten, unterschiedliche Texte zu lesen, so eine Schlussfolgerung der vorliegenden Arbeit, scheint dies die Aneignung einer kritischen und systematischen Lektüre zu begünstigen.